Ein Pro und Contra Sollen Homosexuelle Kinder adoptieren?

Berlin · Die Debatte um die Ehe für Schwule und Lesben ist neu entbrannt. Dabei geht es um die Bezeichnung "Ehe" oder "Lebenspartnerschaft" - und um die Möglichkeit, wer Kinder adoptieren darf und wer nicht. Ein Pro und Contra.

 Zwei Väter, ein Kind? Über ein Adoptionsrecht für Schwule und Lesben wird kontrovers diskutiert.

Zwei Väter, ein Kind? Über ein Adoptionsrecht für Schwule und Lesben wird kontrovers diskutiert.

Foto: dpa, jka sne

Politik beginnt mit der Betrachtung der Wirklichkeit. Floskel. Zusatz: Gute Politik beginnt damit, bei dieser Betrachtung nicht zu verzagen. Was das konkret heißen kann, ist in der Debatte um die Gleichstellung homosexueller Lebenspartnerschaften mit der Ehe zu besichtigen. Die Frage, wie man das Ganze nennt, ist ein reines Symbol. Für eine Öffnung des Ehebegriffs gibt es Sympathien bis weit ins konservative Bürgertum. Die Frage nach dem gemeinsamen Adoptionsrecht geht tiefer. Viele, die mit der "Ehe für alle" kein Problem haben, zucken bei der Adoption zusammen: Muss das auch noch sein?

Ja, es muss. Weil es der einzig konsequente Schluss ist. Über Gleichheit zu reden, ohne den letzten Schritt zu tun, ist widersinnig. Etwas gleich geht nicht.

Das ist, zugegeben, abstrakt. Das schlagende Argument aber für das Adoptionsrecht ist, dass es keine schlagenden Argumente dagegen gibt. Dass zwei Frauen nun mal miteinander keine Kinder haben können, ist jedenfalls keins - oder wird jetzt Hetero-Paaren die Adoption verboten, die aus medizinischen Gründen kinderlos sind? So einen simplen Biologismus sollten wir uns im 21. Jahrhundert nicht mehr leisten.

Richtig, es geht um die Kinder, nicht um Selbstverwirklichung. Aber aus den mehreren Dutzend Staaten, die die gemeinsame Adoption erlauben, sind bisher keine Nachrichten massenhafter Verwahrlosung zu uns gedrungen. Probleme dieser Art werden auch in Zukunft nicht nachweisbar sein - weil sie mit dem Geschlecht der Eltern nichts zu tun haben.

Erst recht entzieht sich die Frage ökonomischen Ansätzen, dem Vergleich von Durchschnittseinkommen oder von "Angebot" und "Nachfrage" am Adoptionsmarkt. Wichtig ist, dass Kinder mit stabiler Zuwendung großwerden. Entscheidend ist, ganz schlicht, Liebe. Adoptiveltern - wer wollte das auch behaupten? - lieben ihr Kind nicht weniger. Das deutsche Adoptionsrecht ist zudem so sorgfältig, dass kein schwules Pärchen sich ein Kind zulegen kann, bloß weil ein Kind nun mal viel drolliger ist als ein Mops. Und was die angebliche Verwirrung von Kindern mit Homo-Eltern angeht, weil die ja von der Norm abwichen - daraus ließe sich leicht ein übles Argument gegen Alleinerziehende stricken. Nichts macht Kinder so stark wie bedingungslose Liebe ihrer Eltern. Egal, ob durch eine Mutter oder zwei Väter.

Ehebegriff und Adoptionsrecht in einem Rutsch anzugleichen, wäre konsequent. Politisch klug könnte es aber sein, sich mit der Adoption Zeit zu lassen. Erfahrungen zu sammeln, Gutachten zu schreiben, um der Kanzlerin und 20, 30 Millionen Bürgern ihre Bauchschmerzen zu nehmen. Der Akzeptanz würde es dienen. Gefragt ist selbst dann noch eine seltene politische Tugend: Mut.

Unsere Kinder werden irgendwann nicht mehr verstehen, dass Homo-Adoption überhaupt mal umstritten war. Wir sollten ihnen wenigstens erklären können, warum der Weg so lang war.

Nein. Die Gleichstellung der Ehe von Mann und Frau mit homosexuellen Partnerschaften ist auch in Deutschland weit vorangekommen — trotz aller Polemik im Zusammenhang mit der Abstimmung der katholischen Iren über die Gleichstellung der Homo-Ehe. Bei Erbschaften, steuerlicher Gleichbehandlung und gegenseitigen Auskünften ist fast alles erreicht, damit Homo-Paare nicht benachteiligt werden. Und das ist gut so. Als einziger wesentlicher Punkt ist das Adoptionsrecht geblieben, das in Deutschland bislang Einzelpersonen oder der Ehe vorbehalten ist.

Sosehr der Wunsch von Schwulen und Lesben nach Kindern verständlich ist, hat die in Deutschland gültige Regelung gute Gründe. Bei der Frage, in welche Familie ein Kind zur Adoption freigegeben wird, steht das Kindeswohl im Mittelpunkt. Jede Adoption ist ein schwieriges emotionales Projekt. Ohne biologische Bindung wird ein Kind in eine Familie gegeben, die es an Kindes statt annimmt — mit den exakt gleichen Rechten und Pflichten wie bei leiblichen Kindern. Schon dies zu akzeptieren, ist für die meisten Adoptionskinder sehr schwer. Spätestens in der Pubertät fragen sich adoptierte Jungen und Mädchen, warum die Ursprungseltern sie weggegeben haben. Damit ist oft ein Trauma verbunden, das die Kinder zeitlebens begleitet. Das ergeben fast alle Untersuchungen und auch die meisten Beispiele aus der Praxis.

Warum aber nimmt man den Homo-Paaren die zentrale Möglichkeit der Ehe, nämlich Kinder großzuziehen? Müssen sie sich nicht bloß den gleichen Schwierigkeiten stellen? Befragt man die Kinder, so wollen die in ihren aufnehmenden Familien so viel klassisches Rollenverständnis wie möglich. Das bedeutet, dass die Rollen der Eltern klar definiert sind. Wenn man ganz ehrlich ist, sollte sogar ein Elternteil auf eine berufliche Karriere verzichten, um in erster Linie für das Kind da zu sein. Denn ein adoptiertes Kind verlangt diese Zuwendung und die Bereitschaft zur schmerzhaften Auseinandersetzung mit seiner biologischen Herkunft.

Dieses klassische Rollenverständnis ist bei homosexuellen Paaren zumindest nicht von vorneherein gegeben. Für das Kind heißt das Unsicherheit und schwierige Einfindung, wo es doch schon mit sich selbst Schwierigkeiten genug hat. Natürlich können Homo-Paare einfühlsame und verantwortliche Eltern sein. Darum geht es aber nicht. Kinder sind in ihrer Erwartung an das Rollenverhalten der Eltern konservativ, adoptierte Kinder noch stärker. Es wäre zumindest für den jetzigen Augenblick zu viel verlangt, dass sie auch diese zweite Transferleistung vollbringen müssten. Das muss nicht für alle Zeiten gelten. Vielleicht kann die gesellschaftliche Debatte weiterhelfen. Doch solange diese Unsicherheit besteht, geht ein Adoptionsrecht für Homo-Paare noch zu weit.

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