Stephan Holthoff-Pförtner Helmut Kohls treuester Freund

Essen · Stephan Holthoff-Pförtner ist der Anwalt des Altkanzlers. Ein Gespräch über rettende Zufälle, private Verbundenheit und Charakter in der Politik.

 Der Altkanzler mit Stephan Holthoff-Pförtner.

Der Altkanzler mit Stephan Holthoff-Pförtner.

Foto: dpa, Wolfgang Kumm

Stephan Holthoff-Pförtner (66) erzählt von zwei lebensbestimmenden Ereignissen, welche die Freundschaft mit Helmut Kohl (84) gefestigt haben: der nur durch großes Glück überstandene Tsunami 2004 im Indischen Ozean; und Kohls Wunsch, bei Holthoff-Pförtners Lebenspartnerschafts-Zeremonie mit seinem Essener Anwaltskollegen als Trauzeuge zu fungieren. "Weißt du, was du da machst, Helmut?", hatte Holthoff-Pförtner gefragt. Boulevardzeitungen titelten: "Kohl Trauzeuge bei Schwulen-Hochzeit". Kohl blieb unbeirrt, wie er es seinem zum Jammern neigenden Sohn Walter einst aufgegeben hatte: "Du musst stehen!"

Ja, Kohl stand zu seiner Freundschaft, auch wenn einige ihre Nase rümpften, dass er "solch einer Feier" die Ehre gab. "Ich bin achtzig, da kann mir Gerede egal sein", hatte Kohl seinem Freund und Anwalt geantwortet. Später sagte er noch: "Ich habe es sehr gern getan."

Wir sitzen in der Penthouse-Beletage eines Büro- und Geschäftshauses in Essen. Dort hat nicht nur das Königlich Thailändische Honorargeneralkonsulat seine Adresse, sondern auch die 1980 gegründete renommierte Kanzlei mit 14 Anwälten und Notaren. Der Gründer und Senior empfängt in Jeans und kariertem Hemd, keine Spur von Anzugs-Uniformität. Es ist die Lässigkeit eines sehr wohlhabenden Mannes mit exzellenten Umgangsformen und der Gewissheit von Unabhängigkeit, nicht allein aufgrund juristischen Erfolgs, sondern auch durch Beteiligung am Medienkonzern Funke (früher "WAZ").

Den Politiker und Staatsmann nicht wirklich gekannt

Holthoff-Pförtner spricht über das Tsunami-Drama 2004. Der Anwalt und die Kohls (dessen spätere Ehefrau hieß noch Maike Richter) machten Urlaub in Sri Lanka, direkt am Ozean. An Heiligabend war man gemeinsam im Gottesdienst. Am 26. Dezember morgens war Kohl im Parterre für Ayurveda-Anwendungen angemeldet. Er blieb jedoch in der dritten Etage — eine lebensrettende Entscheidung: "Komm mal raus, sieh dir das Meer an!", rief Kohl vom Balkon aus Richtung Nachbarzimmer. Der Herbeigerufene erinnert sich: "Als ich auf den Balkon trat, war die Katastrophe schon passiert. Die Welle hatte das Hotel unterhalb unserer Etage skelettiert."

Holthoff-Pförtner sagt, er habe den aktiven Politiker und Staatsmann nicht wirklich gekannt, kenne nur den Menschen Kohl sehr gut. Der imponierte ihm, dem Christdemokraten mit sozialdemokratischen Freunden, von Jahr zu Jahr mehr. Holthoff-Pförtner preist Kohls "unglaubliche Belesenheit", seine trotz gelegentlich barocker Ausdrucksweise ausgeprägte Fähigkeit, Menschen und Lagen differenziert zu beurteilen. Er lobt Kohls liberal-konservative politische Einstellung zu gleichgeschlechtlichen Partnerschaften oder Schwangerschaftsabbrüchen in großer Notlage. Kohl sei kein rückwärtsgewandter Philister, schon gar nicht der pfälzische Trumm ohne Weitblick, als den ihn kenntnislose oder böswillige Gegner jahrelang durch den Kakao zogen.

Und was ist mit dem Rechtsbrecher Kohl, der gesetzwidrig zwei Millionen Mark zugunsten seiner CDU kassierte und die Spender selbst auf größten öffentlichen Druck hin nicht preisgeben will? Holthoff-Pförtner antwortet diplomatisch. "Erstens: Ich hätte den Geldspendern anders als Kohl nicht mein Ehrenwort gegeben. Zweitens: Ich habe großes Verständnis dafür, ein gegebenes Ehrenwort zu halten." Hier steht ein Freund unverbrüchlich zum Freund. Holthoff-Pförtner: "Eine Freundschaft muss belastbar sein, sonst ist sie nichts wert."

"Das Leben ist keine Bacardi-Reklame"

Schneidend klingt der gesellschaftlich einflussreiche Essener, wenn er über Freundschafts-Wendehälse ätzt: "Da gab es, kaum dass Kohl ins Straucheln geriet, Bettentausch mit noch warmen Tüchern, weg von Kohl, hin zu Angela Merkel." Man meint, ein unausgesprochenes Pfui zu hören. Beim Namen Merkel blitzt professioneller Respekt auf: "Sie hat 2000 mit einem Überholmanöver den amtierenden CDU-Chef Schäuble und den Ehrenvorsitzenden Kohl nach Hause geschickt — eine strategische Meisterleistung." Die Frage, ob das nicht auch charakterlos gewesen sei, beantwortet Holthoff-Pförtner mit einem kräftigen Schuss Zynismus: "Sie wollte Parteivorsitzende und Kanzlerin werden. Wer in dieser Liga spielt, muss bestimmte Spielregeln beachten, sonst kann er sich nicht durchsetzen." Dies sagt er jedoch auch: "Napoleon hat 1804 den letzten Bourbonen-Prinzen hinrichten lassen. Daraufhin meinte Außenminister Talleyrand, das sei schlimmer als ein Verbrechen, nämlich ein Fehler gewesen."

Ein Fehler waren bestimmt auch Kohls wüste Beschimpfungen einstiger Weggefährten. Holthoff-Pförtner schüttelt sich vor Vergnügen über manch treffgenaue Schimpfkanonade; dennoch strebt er juristisch nach Wegen, besonders Unflätiges in Heribert Schwans Protokollbuch schwärzen zu lassen. Das Landgericht Köln verhandelt am Donnerstag darüber. Anwalt Holthoff-Pförtner, ein Ruhrgebiets-Tausendsassa, der auch Honorargeneralkonsul von Thailand ist, wird dem berühmten Freund berichten. Beide telefonieren fast jeden Sonntag miteinander, mehrmals im Jahr reist Holthoff-Pförtner zum Freund nach Ludwigshafen. Er räumt mit der Mär auf, Kohls Ehefrau wolle das geistige Erbe verwalten: "Das Sagen darüber werden allein Historiker haben. Es ist beschlossen, eine Helmut-Kohl-Stiftung zu gründen."

Zum Schluss unterstreicht er noch einmal den Wert wahrer Freundschaft: "Wenn ein Freund Probleme mit dem Gesetz bekommt, muss man mit ihm darüber reden, aber das ändert doch nichts an meiner Freundschaft." Dann ein verbaler Biss gegen die CDU: "Man darf einen Geschwächten nicht aus der Gemeinschaft rauskehren. Das Leben ist keine Bacardi-Reklame."

(RP)
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