Entschädigungen geplant Maas will homosexuelle Justizopfer rehabilitieren lassen

Berlin · Die von der deutschen Justiz verurteilten Homosexuellen können auf eine Rehabilitierung hoffen. In einem Eckpunktepapier stellte das Justizministerium ein Gesetz in Aussicht, das die auf Grundlage des früheren Strafrechts-Paragrafen 175 gefällten Urteile aufheben soll.

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Foto: dpa, jst htf jsc vbm

Zudem sollen Betroffene eine Entschädigung erhalten. "In den Jahren 1945 bis 1994 ist eine Vielzahl von Urteilen ergangen, in denen einvernehmliche homosexuelle Handlungen unter Strafe gestellt wurden", heißt es in dem Papier, das der Nachrichtenagentur AFP vorliegt. "Insoweit fand eine strafrechtliche Diskriminierung und Schlechterstellung homosexueller Kontakte im Vergleich zu heterosexuellen Kontakten statt."

Ein Sprecher des Justizministeriums sagte am Freitag, dass der Zeitplan für die Verabschiedung des Gesetzes noch offen sei. Nach Informationen des ARD-Hauptstadtstudios, das zuerst über das Eckpunktepapier berichtet hatte, sollen die Pläne des Ministeriums den Fraktionen in der kommenden Woche zur Abstimmung vorgelegt werden.

Insgesamt wurden in Deutschland seit 1945 nach Angaben der Antidiskriminierungsstelle des Bundes mehr als 50.000 Männer auf Grundlage des schwulenfeindlichen Paragrafen 175 verfolgt und zu teils mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Zudem verloren sie oft Arbeitsplatz und Wohnung und erlitten soziale Ausgrenzung.

Homosexuelle Handlungen waren bei Gründung des Deutschen Kaiserreichs 1871 mit dem Paragrafen 175 unter Strafe gestellt worden. In der NS-Zeit wurden die Vorschriften noch einmal verschärft und in dieser Form später in bundesdeutsches Recht übernommen. 1994 wurde der Paragraf 175 endgültig abgeschafft, in der DDR erfolgte dieser Schritt bereits 1968. In der NS-Zeit ergangene Urteile gegen Homosexuelle wurden 2002 aufgehoben, Urteile aus der Zeit danach jedoch nicht.

Ein im Mai veröffentlichtes Rechtsgutachten der Antidiskriminierungsstelle kam zu dem Schluss, dass die Aufhebung der Urteile nach Paragraf 175 rechtlich zulässig sei. Justizminister Heiko Maas (SPD) kündigte daraufhin an, dass sein Haus einen entsprechenden Gesetzentwurf erarbeiten werde.

Dem Eckpunktepapier zufolge soll das geplante Gesetz Strafurteile wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen "von Erwachsenen und Personen über 16 Jahren" sowie zwischen Jugendlichen von 14 bis 18 Jahren "unmittelbar" und "unabhängig von den Umständen des Einzelfalls" aufheben. Ausgenommen seien Fälle, in denen Abhängigkeitsverhältnisse ausgenutzt und sexuelle Handlungen unter Nötigung oder mit Gewalt vorgenommen wurden.

Den Betroffenen soll die Aufhebung des Urteils demnach mit einer Bescheinigung bestätigt werden. Bei Verstorbenen sollen auch der Lebenspartner und die nächsten Verwandten antragsberechtigt sein.

Das Eckpunktepapier sieht zudem drei Möglichkeiten der Entschädigung vor. Zunächst könnte der Staat die Betroffenen für die verbüßte Haft, gezahlte Geldstrafen und Kosten des Verfahrens entschädigen. Für besondere Härtefälle, bei denen Betroffene nicht in der Lage sind, die notwendigen Nachweise zu erbringen, ist ein Entschädigungsfonds angedacht. Drittens ist eine Kollektiventschädigung geplant, da bereits verstorbene Betroffene nicht mehr entschädigt werden könnten. Im Gespräch ist dabei eine Stärkung der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld, die sich gegen Diskriminierungen Homosexueller wendet.

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes begrüßte die von der Regierung eingeleiteten Schritte. "Unser vor wenigen Wochen vorgelegtes Rechtsgutachten hat gezeigt: Der sogenannte 'Schwulen-Paragraf' war ein beschämender Makel des Rechtsstaats", erklärte Behördenchefin Christine Lüders. Der Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD) forderte eine schnelle Umsetzung: "Es ist höchste Zeit, dass den oft hochbetagten Opfern endlich Gerechtigkeit widerfährt."

(felt/AFP)
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