Flüchtlingspolitik Maas: "Transitzonen-Pläne sind praktisch undurchführbar"

Berlin · Während die Union mit der Schaffung von Transitzonen die Flüchtlingskrise entschärfen will, lehnt Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) die von der Union vorgeschlagenen Transitzonen für Flüchtlinge vehement ab und positioniert sich damit klar gegen den Koalitionspartner.

Das ist Heiko Maas
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Foto: dpa, Hannibal Hanschke

Wer Transitverfahren von Flughäfen auf Landesgrenzen übertragen wolle, schaffe "Massenlager im Niemandsland", sagte Maas der "Süddeutschen Zeitung". Eine schnellere Registrierung der Flüchtlinge sei "sicher notwendig", räumte der Minister ein. Aber "Zehntausende Flüchtlinge an der Grenze in Haft zu nehmen, schafft mehr Probleme als es löst." Der Vorschlag sei "praktisch undurchführbar".

Es wäre "ein fatales Signal", Menschen in Deutschland als erstes in Haft zu nehmen, "weil sie in ihrer Heimat vor Krieg und Verfolgung geflohen sind", fügte Maas hinzu. Die Flüchtlingsfrage könne nicht gelöst werden, "indem wir Deutschland einzäunen". Stattdessen müsse alles versucht werden, um die Fluchtursachen in den Herkunftsländern zu bekämpfen. Und es müssten "endlich alle EU-Länder ihrer Verantwortung gerecht werden".

Nach Schätzungen aus Regierungskreisen würden fast 100.000 Flüchtlinge monatlich unter ein Transitzonen-Verfahren an der Grenze fallen, schreibt die Zeitung.

CSU-Chef Horst Seehofer setzt derweil auf eine rasche Verständigung auch mit der SPD. Auf die Frage, wie dies gelingen solle, sagte Seehofer nach einer CSU-Vorstandssitzung am Montag in München: "Irgendwann werden die drei Parteivorsitzenden miteinander reden." Er stehe jederzeit zur Verfügung, Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auch. Wichtig sei aber schon einmal, dass sich die beiden Unionsparteien einig seien, betonte er.

Derweil lehnt die Opposition die Transitzonen-Pläne für Flüchtlinge an den deutschen Außengrenzen strikt ab. Die Grüne-Vorsitzende Simone Peter sagte am Montag in Berlin: "Das Vorhaben der Union, Asylverfahren künftig im Niemandsland außerhalb der Landesgrenzen durchführen zu lassen, markiert einen neuen Tiefpunkt in der Flüchtlingspolitik von CDU und CSU."

Solche "Hauruck-Verfahren im Nirwana" ermöglichten weder eine faire Beurteilung der Fluchtgründe noch individuelle Rückführungsberatung im Falle der Ablehnung. Dies widerspreche also "elementaren Prinzipien der Rechtstaatlichkeit", kritisierte die Parteichefin.

Die Innenexpertin der Linken im Bundestag, Ulla Jelpke, sagte: "Die sogenannten Transitzonen sind aus menschen- und verfassungsrechtlicher Sicht höchst bedenklich. (...) Diese Zonen werden weder zu einer geregelteren Einreise von Flüchtlingen führen noch dafür sorgen, dass weniger Schutzsuchende zu uns kommen."

Fragen und Antworten

Um den Zuzug der Flüchtlinge wenigstens teilweise zu reduzieren, setzt die Bundesregierung auf ein Bündel von Maßnahmen. Heftig diskutiert wird über die Einrichtung sogenannter Transitzonen an den Grenzen, damit Asylbewerber ohne Erfolgsaussichten oder ohne Papiere innerhalb kurzer Zeit zurückgeschickt werden können. Auch die Abschiebung nach erfolglosen Asylverfahren soll beschleunigt werden.

Was sollen die Transitzonen konkret bringen?

CSU-Chef Horst Seehofer und Innenminister Thomas de Maizière (CDU) erwarten eine echte Beschleunigung der Asylverfahren. Ablehnungen könnten dann innerhalb weniger Tage erfolgen. Dabei geht es zunächst um Menschen aus sicheren Herkunftsstaaten, also vor allem aus den Balkanländern. Für sie sind die Chancen auf Asyl ohnehin gering, sie sollen gar nicht erst in Erstaufnahmelagern unterkommen und dort monatelang bleiben können. Aber auch Menschen ohne Pässe oder mit gefälschten Papieren wären betroffen. Hier ist der Anteil von Flüchtlingen aus Kriegs- und Krisenstaaten wie Syrien, Afghanistan und Pakistan durchaus beträchtlich.

Wie würden diese Zonen aussehen?

Das weiß niemand so genau. Als einziger Vergleich werden Transitzonen an Flughäfen, etwa in Frankfurt oder Berlin, herangezogen. Dort landen Menschen, die mangels Ausweispapieren nicht einreisen dürfen oder deren weiteres Reiseziel ungeklärt ist. Im Gesetzentwurf heißt es: "Da die Prüfung vor einer Einreise nur möglich ist, wenn noch keine faktische Einreise erfolgt ist, lässt sich das Verfahren nur im Fall einer freiheitsentziehenden Maßnahme umsetzen." Jedenfalls dürfte es nur relativ wenige solcher Zonen geben - deshalb sehen Kritiker darin eher ein abschreckende Signal an potenzielle Flüchtlinge als eine tatsächliche Erleichterung des Verfahrens.

Was ist der Kern der Kritik?

Vor allem der Freiheitsentzug bringt die Gegner auf. "Menschen würden eingezäunt und inhaftiert", warnt der Geschäftsführer von Pro Asyl, Günter Burkhardt. Er hält ebenso wie andere Kritiker eine "Quasi-Festnahme" der Asylbewerber in diesen Transitzonen für rechtlich unzulässig. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) fürchtet gar "Massenlager im Niemandsland". Zudem wird kritisiert, dass es keine Kontrolle und kein Widerspruchsrecht gegen Entscheide geben würde. Einen Rechtsverstoß sieht das Innenministerium aber nicht. Im Gegenteil: Es handele sich um die Umsetzung einer entsprechenden EU-Richtlinie, heißt es dort.

Wird die Zahl der Abschiebungen weiter steigen?

Davon ist auszugehen. 2010 wurden im gesamten Jahr bundesweit etwa 7500 Abschiebungen gezählt, 2011 und 2012 waren es kaum mehr. Im vergangenen Jahr waren es schon knapp 10.900. In diesem Jahr wird die Zahl deutlich höher ausfallen. Laut Innenressort gab es allein in der ersten Jahreshälfte insgesamt 8178 Abschiebungen - etwa 42 Prozent mehr als im ersten Halbjahr 2014. Angesichts von 800.000 Flüchtlingen pro Jahr oder mehr ist dies ein eher kleiner Teil. Pro Asyl sagt auch, es würden doppelt so viele abgelehnte Asylbewerber freiwillig ausreisen wie abgeschoben werden.

Was ist mit den "Duldungen"?

Ende August lag die Zahl der "Ausreisepflichtigen" insgesamt bei etwa 190.000. Eine große Zahl davon - rund 138.000 - sind aber Geduldete, also Menschen, deren Asylantrag zwar keinen Erfolg hatte, die aus verschiedenen Gründen aber nicht abgeschoben werden - etwa weil sie krank sind oder keine Pässe haben. Bei vielen ist die Lage im Heimatland zu gefährlich für eine Abschiebung, oder die dortigen Behörden verweigern die Aufnahme. Lediglich die restliche Gruppe von etwa 52.000 Menschen wäre laut Statistik tatsächlich verpflichtet, das Land zu verlassen.

(dpa)
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