Gastbeitrag von Justizminister Heiko Maas "Bayerns Klagedrohung ist nicht viel mehr als heiße Luft"

Berlin · Bundesjustizminister Heiko Maas hält die Behauptung, in der Flüchtlingspolitik werde Recht gebrochen, für grundfalsch.

Heiko Maas: "Bayerns Klagedrohung ist nicht viel mehr als heiße Luft"
Foto: dpa, bvj ink

Die Aufnahme der vielen Kriegsflüchtlinge in Deutschland seit dem vergangenen Sommer hat unser Land verändert. Die oft beklagte Entpolitisierung unserer Gesellschaft ist vorbei, es wird wieder diskutiert. Weil es dabei um grundlegende Werte wie Humanität und Identität geht, sind die Diskussionen engagiert und leidenschaftlich. Das ist gut so, und das hält eine Demokratie auch aus.

Mit Blick auf die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung greifen manche Kritiker aber zu einer Rhetorik, die jedes Maß verloren hat: Notstand, Rechtsbruch des Staates, Herrschaft des Unrechts - so lauten die Vorwürfe. Mit Kritik an unserer Politik kann ich leben, aber den Vorwurf, das Recht zu brechen, kann ich als Justizminister nicht unwidersprochen lassen.

Die Aufnahme vieler Asylbewerber in Deutschland ist trotz des europäischen Dublin-Systems keineswegs rechtswidrig. Auch wenn Asylverfahren grundsätzlich in dem Land angewandt werden sollen, in dem ein Flüchtling erstmals in die EU einreist, gibt es auch das sogenannte Selbsteintrittsrecht. Danach kann ein eigentlich unzuständiger Staat das Verfahren selbst durchführen. Davon hat Deutschland im letzten Jahr in einer humanitären Ausnahmesituation Gebrauch gemacht. Diese Praxis wurde im November aber wieder beendet. Dass Flüchtlinge, die über Griechenland in die EU eingereist sind, derzeit trotzdem nicht wieder dorthin zurückgeschickt werden, liegt auch an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Gerichtshofs der EU. Beide Gerichte haben dies wegen der problematischen humanitären Situation in Griechenland verboten. An diese Urteile müssen wir uns halten. Wer das Gegenteil propagiert, würde selbst das Recht brechen.

Wie wir die Ursachen für die gegenwärtigen Flüchtlingsströme am besten beseitigen, wie in der EU ein fairer Lastenausgleich gelingt und was wir für die Integration der Geflüchteten in Deutschland tun müssen - über all das muss politisch debattiert und entschieden werden. Kein Gesetz, auch nicht das Grundgesetz, gibt der Bundesregierung vor, was und wie in welcher Reihenfolge zu tun ist. Die Politik hat hier einen weiten Gestaltungsspielraum. Die angedrohte Klage der bayerischen Landesregierung beim Bundesverfassungsgericht ist daher rechtlich gesehen nicht viel mehr als heiße Luft. Trotzdem richtet der permanente Vorwurf des Rechtsbruchs großen Schaden an.

Menschen halten sich auch deshalb an Recht und Gesetz, weil sie die berechtigte Erwartung haben, dass ihre Mitmenschen das ebenso tun. Wenn aber der Eindruck erweckt wird, die Regierung selbst missachte die Gesetze, dann verleitet das andere, sich ihrerseits übers Recht hinwegzusetzen. Leider geschieht das viel zu oft, zuletzt beim Brandanschlag auf ein Flüchtlingsheim in Bautzen und dem Straßenterror in Clausnitz. Juristisch ist das Gerede, die Regierung würde das Recht brechen, hanebüchen und kaum ernst zu nehmen. Seine Folgen aber sind fatal. Die permanente Kriminalisierung der Flüchtlingspolitik wirkt wie ein Brandbeschleuniger für fremdenfeindliche Gewalt.

(RP)
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