Diskussion über Leistungsverbesserungen Hartz IV steht wieder komplett zur Debatte

Berlin · Die neue Bundesregierung hat sich das Ziel der Vollbeschäftigung auf die Fahne geschrieben. Nun diskutiert sie vor allem wieder über Langzeitarbeitslose und die Frage, ob das ungeliebte System Hartz IV abgeschafft werden kann. Fragen und Antworten zur Debatte.

 Eine Filiale der Agentur für Arbeit (Symbolfoto).

Eine Filiale der Agentur für Arbeit (Symbolfoto).

Foto: Sebastian Kahnert

Die einzige realistische Alternative zu Hartz IV ist eine geregelte, ordentlich bezahlte Arbeit. Das System, wonach der Staat jene Menschen mit dem Existenzminimum ausstattet, die über kein eigenes oder kein ausreichendes Einkommen verfügen, will niemand abschaffen. Kontrovers wird diskutiert, ob und wie Hartz-IV-Empfänger, die sich bei der Arbeitssuche nicht kooperativ zeigen, mit Sanktionen belegt werden dürfen. Auch die Hartz-IV-Leistungshöhe ist immer wieder Streitthema.

Die Befürworter eines bedingungslosen Grundeinkommens sehen dies durchaus so. Sie kommen politisch nicht nur von links. Auch der Milliardär und Drogeriekettenbesitzer Götz Werner zählt zu den Befürwortern. Allerdings würde ein solches Grundeinkommen je nach Modell zwischen 300 Milliarden und eine Billion Euro pro Jahr kosten. Daher wird es sich mehrheitlich kaum durchsetzen können.

Das Stichwort Hartz IV hat Hubertus Heil (SPD) aus seinem Sprachgebrauch gestrichen. Die Grundsätze aber will er beibehalten. "Es bleibt beim Prinzip Fördern und Fordern", sagte Heil unserer Redaktion. Es sei richtig, dass die Gesellschaft Langzeitarbeitslosen Chancen und Sicherheit anbiete. Es bleibe aber bei den Mitwirkungspflichten, "dass man Termine wahrnehmen, sich anstrengen und dass man zumutbare Arbeit annehmen muss".

Es werde auch in Zukunft Sanktionen für Langzeitarbeitslose, die sich nicht an Regeln halten, geben können, sagte Heil. Es gehe dabei aber nur um etwa drei Prozent der Fälle. "Nicht in Ordnung finde ich, dass bei den Sanktionsmöglichkeiten für junge Erwachsene und Ältere unterschiedliche Regeln gelten." Da sollte man zu einer Vereinheitlichung kommen. Für fragwürdig halte er es zudem, "dass derzeit auch Kosten der Unterkunft sanktioniert werden können. Das sollte in Zukunft nicht mehr möglich sein", sagte der Minister.

Junge Leute bis 25 in Hartz IV werden härter bestraft als Ältere, wenn sie gegen Regeln verstoßen. Schon bei der ersten Pflichtverletzung, etwa dem Abbruch eines Bewerbungstrainings, kann ihnen das Arbeitslosengeld II komplett gestrichen werden. Beim zweiten Verstoß kann ihnen auch der Mietzuschuss verloren gehen.

Linke, Grüne und SPD dringen auf Verbesserungen auch bei den Leistungen. "Die Regelsätze müssen das Existenzminimum abdecken und ein Mindestmaß an sozialer Teilhabe ermöglichen", machte Heil deutlich. "Es bleibt für die nächste Anpassung bei dem im Gesetz vorgesehen Mechanismus. Ich rechne zum 1. Januar 2019 damit, dass es dabei zu Erhöhungen kommen wird. Genauer angucken will ich mir die Frage von besonderen Bedarfen, wenn etwa eine kaputte Waschmaschine ersetzt werden muss. Zudem werden wir das Schulstarterpaket für bedürftige Kinder verbessern", sagte Heil.

Hartz IV steht wieder komplett zur Debatte
Foto: Ferl

Alleinstehende erhalten einen Regelsatz von 416 Euro monatlich. Für volljährige Partner innerhalb einer Bedarfsgemeinschaft sind es jeweils 374 Euro. Für 18- bis 24-Jährige gibt es 332 Euro, für 14-17-Jährige 316, für 6-bis 13-Jährige 296 und für Jüngere 240 Euro. Jede Bedarfsgemeinschaft erhält zudem einen Miet- und Heizkostenzuschuss.

Der Satz wird jedes Jahr zum 1. Januar nach oben angepasst. Dabei orientiert sich die Regierung an der sogenannten Einkommens- und Verbrauchsstichprobe sowie an der Lohn- und Preisentwicklung. Die Stichprobe ermittelt, was untere Einkommensgruppen tatsächlich im Monat ausgeben. Daraus wird dann auch das soziale Existenzminimum errechnet.

Steigt der Regelsatz, wird es für die, die nur wenig mehr verdienen, unattraktiver, einer Arbeit nachzugehen. Gleichzeitig können mehr Menschen die Regelleistung beanspruchen, sie wird insgesamt für die Steuerzahler also teurer. Deshalb ermahnen Ökonomen die Politik, das Lohnabstandsgebot zu beachten: Wer arbeitet, soll merklich mehr erwirtschaften, als er ohne Arbeit bekäme.

Bei Familien mit Kindern ist das oft nicht realisierbar: Ein Alleinverdiener mit Partner und zwei Kindern müsste netto mindestens 2000 Euro im Monat verdienen, um so viel wie eine Hartz-IV-Familie zu haben. "Je höher die Leistung ist, desto geringer der Anreiz, mit Hilfe eines eigenen Erwerbseinkommens ohne zusätzliche Transfers auf eigenen Beinen zu stehen", sagte Holger Schäfer vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft.

(mar, qua)
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