Juden-Vergleich Hans-Werner Sinn entschuldigt sich

Berlin (RPO). Ifo-Chef Hans-Werner Sinn hat sich für seinen umstrittenen Vergleich von Bankmanagern mit verfolgten Juden entschuldigt. "Ich habe das Schicksal der Juden nach 1933 in keiner Weise mit der heutigen Situation der Manager vergleichen wollen. Ein solcher Vergleich wäre absurd", schrieb Sinn in einem veröffentlichten offenen Brief an die Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch.

Wer ist Hans-Werner Sinn?
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Sinn hatte Managerkritik mit Antisemitismus verglichen. "Auch in der Weltwirtschaftskrise von 1929 wollte niemand an einen anonymen Systemfehler glauben. Damals hat es in Deutschland die Juden getroffen, heute sind es die Manager", wurde er zitiert.

Es sei ihm bei seinen Äußerungen allein darum gegangen, Verständnis dafür zu wecken, dass die wirklichen Ursachen weltwirtschaftlicher Krisen Systemfehler seien. "Die Suche nach vermeintlichen Schuldigen führt stets in die Irre", betonte Sinn in seinem Schreiben vom Montag.

Die tiefe persönliche Freundschaft "mit vielen jüdischen Kollegen auf dieser Welt und meine Scham und mein Entsetzen gegenüber dem, was den Juden von Deutschen angetan wurde, haben mein Leben geprägt. Sie sind unveränderbar. Ich bitte die jüdische Gemeinde um Entschuldigung und nehme den Vergleich zurück", erklärte Sinn weiter.

Mit der Rücknahme und Entschuldigung kam Sinn einer Forderung der Zentralrats der Juden nach. Der Vergleich sei "empörend, absurd und absolut deplaziert, eine Beleidigung der Opfer", hatte Generalsekretär Stephan Kramer gesagt.

Welle der Entrüstung aus der Politik

Bei Politikern und Kirchenvertretern war Sinns Vergleich ebenfalls auf scharfe Kritik gestoßen. Sogar die Bundesregierung hatte den Ökonomen zu einer Erklärung aufgefordert. Der Vergleich sei "vor der deutschen Geschichte nicht zulässig und falsch", sagte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm.

"Angesichts solcher Äußerungen hat man den Eindruck, Herr Sinn ist nicht bei Sinnen", sagte der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Sebastian Edathy. Es sei ein starkes Stück, dass Sinn Antisemitismus mit berechtigter Kritik an manchen Bankenvertretern verwechsele.

Grünen-Parlamentsgeschäftsführer Volker Beck nannte sie eine "absolute Geschmacklosigkeit". Sinns Vergleich sei "in dieser Assoziationskette eine totale Entgleisung", sagte Beck. Ähnlich äußerte sich Fraktionschef Fritz Kuhn: "Was der Herr Sinn da gesagt hat, war einfach Unsinn."

Die Linken-Politikerin Petra Pau warf Sinn vor, er habe nichts begriffen. Bestenfalls habe er versucht, den Verantwortlichen für die aktuelle Krise eine Opferrolle zuzuschreiben. "Schlimmstenfalls verhöhnt er die Opfer des Holocausts", kritisierte sie.

Landesbischöfin Käßmann: "Völlig unverständlich"

Auch die Hannoversche Landesbischöfin Margot Käßmann wies den Vergleich entschieden zurück. "Die Juden waren die Opfer, bei den Banken wird zu Recht nach Verantwortlichen gefragt — es ist unverantwortlich da irgendeinen Vergleich zu ziehen", sagte die evangelische Theologin.

Ihr sei "völlig unverständlich, wie jemand die menschenverachtende und zerstörerische nationalsozialistische Ideologie des Antijudaismus, die Millionen Menschen ermordet hat, in eine Verbindung mit der Frage nach den Verantwortlichen in der aktuellen Bankenkrise bringen kann".

(ap)
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