Diplomatie Genscher: Westen muss auf Putin zugehen

München · In Anbetracht der sich verschärfenden Kämpfe in der Ukraine hat der frühere Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) zu einem Neuanfang in den Beziehungen zu Moskau aufgerufen.

Genscher - ein Lebenslauf in Daten
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Foto: ddp

Die "alte Politik der Konfrontation" sei unzeitgemäß, sagte Genscher in einem Gespräch mit dem Magazin der "Süddeutschen Zeitung". Die westlichen Sanktionen gegen Russland hätten nicht die Wirkung gezeigt, die sich die Initiatoren erhofft hätten.

"Wir leben in einer globalisierten Welt und brauchen die Kraft aller, um die Probleme um uns herum zu lösen", mahnte Genscher. Er habe den russischen Präsidenten Wladimir Putin als "durchaus pragmatisch" erlebt. Es sei deshalb am Westen, auf das wirtschaftlich und politisch geschwächte Russland zuzugehen. "Wenn jemand schwächer wird, muss man ihm die Hand geben, das wird er nicht vergessen. Wenn man die Hand entzieht, wird er auch das nicht vergessen."

Genscher, der von 1974 bis 1992 Außenminister war, warb für einen intensiveren Dialog. Putin habe eine nüchterne Sprache, "das mag es unserer Bundeskanzlerin erleichtern, mit ihm auch schwierige Gespräche zu führen". Kanzlerin Angela Merkel (CDU) könne Putin "im direkten Gespräch näherkommen als andere Staats- und Regierungschefs".

Dort wo Ost und West zusammenarbeiteten, seien Erfolge möglich, sagte Genscher dem "SZ-Magazin". Das habe vor Kurzem das Atomabkommen mit Iran gezeigt. "Die Russen hätten das locker blockieren können, wenn sie gewollt hätten. Haben sie aber nicht." Genscher zeigte sich deshalb überzeugt: "Wenn beide Seiten es wollen, kann man." Dies bedeute nicht, dass der Westen Russlands völkerrechtswidrige Annexion der Halbinsel Krim akzeptieren müsse. "Aber wenn man auf die andere Seite Einfluss nehmen will, muss man mit ihr reden. Und zwar ohne Voraussetzungen."

Merkel und Frankreichs Staatschef François Hollande beraten am Montag in Berlin mit dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko über den Ukraine-Konflikt.Frankreich und Deutschland bemühen sich seit Monaten um eine Beilegung des seit April 2014 andauernden Konflikts in der Ostukraine. Im Februar unterzeichneten die ukrainische Regierung und die prorussischen Rebellen in der weißrussischen Hauptstadt Minsk unter Vermittlung von Merkel und Hollande sowie in Anwesenheit Putins ein Friedensabkommen. Dieses sieht insbesondere eine Waffenruhe vor, die seitdem aber immer wieder gebrochen wird.

(AFP)
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