GSG 9 -Razzia "Gruppe Freital" unter Terrorverdacht

Düsseldorf · Die Rädelsführer waren schon länger in Haft, am Dienstagmorgen schlug die GSG9 im sächsischen Freital ein weiteres Mal zu: Vier Männer und eine Frau wurden festgenommen. Die Gruppe solle systematisch Anschläge geplant und begangen haben. Was bisher bekannt ist.

"Wie in Hoyerswerda" - Protest gegen Flüchtlinge in Freital
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Foto: dpa, abu;skh

Die Spezialeinheiten der Bundespolizei durchsuchten nach Angaben der Bundesanwaltschaft mehrere Wohnungen und weitere Räumlichkeiten in Sachsen. Drei weitere mutmaßliche Mitglieder der Gruppe sitzen bereits in Untersuchungshaft. Bei ihnen soll es sich um die Anführer handeln. Möglicherweise lieferten sie die Hinweise, die zu den heutigen Festnahmen führten.

Bisher ist von acht Personen die Rede. Sie stehen im Verdacht, eine rechtsextreme Terrorvereinigung gebildet zu haben, die Anschläge plante beziehungsweise schon verübte. Nach Angaben der Bundesanwaltschaft handelt es sich zum einen um drei deutsche Männer, die bereits in Untersuchungshaft waren: Timo S. (27), Patrick F. (24) und Philipp W. (29). Die beiden Erstgenannten bezeichnet die Bundesanwaltschaft als Rädelsführer.

Festgenommen wurden am Dienstagmorgen fünf weitere Personen, vier Männer und eine Frau: Justin S., Rico K., Maria K., Sebastian W. und Mike S. Die "Gruppe Freital" besteht nach bisherigen Erkenntnissen seit Juli 2015. Im Juni war in der sächsischen Stadt erstmals massiver Protest gegen eine Flüchtlingsunterkunft losgebrochen. Die Polizei sah sich gezwungen, Flüchtlinge vor den Protestierenden zu schützen.

Offenbar gehören zur "Gruppe Freital" noch mehr Mitglieder. Die Bundesanwaltschaft spricht in ihrer Mitteilung von weiteren Gleichgesinnten. Ob sich die Verdächtigen selbst den Namen "Gruppe Freital" gaben oder die Ermittler, ist unklar.

Die GSG9 ist die Antiterroreinheit der deutschen Bundespolizei. Dass sie zum Einsatz kam, zeigt, dass die Bundesanwaltschaft die Verdächtigen für gefährlich hält. An dem Einsatz waren nach offiziellen Angaben mehr als 200 Beamte des Bundeskriminalamtes, der Bundespolizei sowie der sächsischen Polizei beteiligt.

Die Bundesanwaltschaft bezieht sich auf den Paragraphen 129 a im Strafgesetzbuch. Er bezieht sich auf die "Bildung terroristischer Vereinigungen". Dafür drohen Freiheitsstrafen zwischen ein und zehn Jahren.

Den drei Männern in U-Haft wirft die Bundesanwaltschaft die Gründung und Organisation der Gruppe vor. Darauf stehen mindestens drei Jahre Haft.

Spektakuläre Einsätze der GSG 9
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Foto: dpa, Henning Kaiser

Die am Dienstag festgenommenen Justin S., Rico K., Maria K. und Sebastian W. werden dringend verdächtigt, einen oder mehrere Mordversuche begangen zu haben. Außerdem ist von gefährlicher Körperverletzung, zwei Sprengstoffanschlägen und Sachbeschädigung die Rede. Ferner sollen sie weitere Anschläge geplant haben.

Etwas weniger schwer sind die Vorwürfe gegen Mike S. Ihm wird neben der Mitgliedschaft in der Gruppe gefährliche Körperverletzung, Vorbereitung einer Explosion und Sachbeschädigung zur Last gelegt.

Die Gruppe Freital soll drei Sprengstoffanschläge verübt haben, zwei davon auf Flüchtlingsunterkünfte in Freital. Der erste Fall stammt aus dem September, der andere aus dem November 2015. Der dritte Angriff erfolgte auf ein linksalternatives Wohnprojekt in Dresden.

  • Freital, September 2015. Patrick F. Steht im Verdacht, in der Nacht vom 19. auf den 20. September 2015 einen Anschlag auf eine Flüchtlingsunterkunft in Freital verübt zu haben. Außerdem soll er nach aktuellem Ermittlungsstand einen Sprengkörper am Küchenfenster gezündet haben, der die Fensterscheibe vollständig zerstörte. Dass die Bewohner unverletzt blieben, war reiner Zufall, weil sich gerade niemand in der Küche aufhielt. In derselben Nacht wurde auch ein Anschlag auf das Büro der Linkspartei verübt.
  • Dresden, Oktober 2015. Angriff auf das Wohnprojekt "Mangelwirtschaft" in Dresden. Beteiligt waren in der Nacht vom 18. auf den 19. Oktober 2015 angeblich Mike S., Timo S., Justin S., Rico K., Maria K. und abermals Patrick F. Außerdem sollen noch weitere Personen dabei gewesen sein. Nach den Erkenntnissen der Ermittler warfen sie Sprengsätze auf das Haus, vereinzelt auch auf erleuchtete Fenster. Weiter heißt es in der Mitteilung der Bundesanwaltschaft: Einer der Sprengkörper explodierte in der Küche des Hauses. Dort schlug zudem ein Pflasterstein ein.
  • Freital, Oktober/November 2015. Knapp sechs Wochen nach dem ersten Anschlag folgte ein Angriff auf eine weitere Flüchtlingsunterkunft in Freital. Er ereignet sich in der Nacht vom 31. Oktober auf den 1. November 2015. Diesmal sollen laut Bundesanwaltschaft bis auf Mike S. alle Verdächtigen beteiligt gewesen sein, die jetzt in Polizeigewahrsam sind. Dabei wurden Sprengkörper an drei Fensterscheiben gezündet. Ein Bewohner erlitt Schnittwunden im Gesicht, weil das Fenster zersplitterte. Die übrigen Bewohner brachten sich daraufhin im Flur in Sicherheit.

In welchem Umfang der Gruppe weitere Anschläge zuzurechnen seien, müssten die weiteren Ermittlungen zeigen, teilte die Bundesanwaltschaft mit. Polizei und Staatsanwaltschaft trauten ihr aber offensichtlich weitere Taten zu. Entsprechend äußerte sich auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU).

"Mit den heutigen Maßnahmen ist den Sicherheitsbehörden ein entscheidender Schlag gegen eine regionale rechtsterroristische Struktur gelungen", sagte der Minister in Berlin. Durch den Zugriff seien weitere mögliche Anschläge der Gruppe gegen Asylunterkünfte und politische Gegner verhindert worden. "Dies zeigt, dass der Staat konsequent und frühzeitig gegen rechtsterroristische Strukturen und Straftäter vorgeht."

Über handfestes Beweismaterial gegen die Verdächtigen hat die Bundesanwaltschaft bislang keine Angaben gemacht. Jedoch sollen die Ermittler bei der Razzia in Freital eine dreistellige Anzahl von Sprengkörpern gefunden haben. Dies berichtet "Spiegel Online". Demnach handelte es sich um sogenannte "Polenböller" der Typen "La Bomba" und "Viper".

Experten warnten in den vergangenen Jahren eindringlich vor der Verwendung solcher in Deutschland nicht zugelassenen Sprengkörper. Sie besitzen ein Mehrfaches an Sprengkraft und sind in der Lage, einem beim Zünden die Finger oder gar die Hand abzureißen. Videos auf Youtube zeigen, wie eine "La Bomba" eine Dose oder auch dicke Bücher mühelos in Stücke reißt.

Entsprechende Böller hatte laut "Spiegel" auch die als Neonazitruppe eingestufte Gruppierung "Oldschool Society" für Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte verwenden wollen. Gegen mutmaßliche Mitglieder dieser Gruppe erhob die Bundesanwaltschaft bereits im Januar Anklage.

Wie geht es weiter?

Die am Dienstag Festgenommenen sollen bis spätestens Mittwoch dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs vorgeführt werden. Er soll die Haftbefehle eröffnen und über den Vollzug der Untersuchungshaft entscheiden.

Schon wieder Freital

Freital ist im Zusammenhang mit Übergriffen gegen Flüchtlinge und Rechtsextremismus längst kein unbeschriebenes Blatt mehr. Im Juni 2015 hatte der Ort mit fremdenfeindlichen Aufmärschen gegen eine Flüchtlingsunterkunft bundesweit für Aufsehen gesorgt.

Dabei kam es auch zu Angriffen auf Demonstranten, die sich für die Flüchtlinge in Freital einsetzten. Im Juli wurde zudem ein Sprengstoffanschlag auf das Auto des Linken-Stadtrats Michael Richter verübt.

(pst/AFP/dpa)
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