SPD plädiert für Rechtsanspruch Große Nachfrage nach Ganztagsschulen

Berlin · 70 Prozent der Eltern in Deutschland würden ihr Kind gerne auf eine Ganztagsschule schicken. Noch nicht einmal die Hälfte der Wünsche kann erfüllt werden. Nun debattiert die Politik über einen Rechtsanspruch.

Für viele Familien ist der Start der Grundschule schon heute eine Klippe in Sachen Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Ferien, Hitzefrei und ausgefallene Schulstunden wegen erkrankter Lehrer machen berufstätigen Eltern das Leben schwer. Nach einer Studie der Bertelsmann-Stiftung wünschen sich 70 Prozent der Eltern eine Ganztagsschule für ihre Kinder. Nur die Hälfte der Nachfrage kann befriedigt werden. Wenn in fünf Jahren die Kinder eingeschult werden, die seit dem 1. August einen Rechtsanspruch auf U3-Betreuung (unter drei Jahren) haben, könnte die Nachfrage nochmals ansteigen.

Die Politik debattiert mittlerweile die Frage nach einem Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschüler. Die Länder sind eher zurückhaltend, weil sie die Kosten fürchten. Auf Bundesebene sieht dies anders aus: "Die SPD will einen Rechtsanspruch auf ein Angebot in Ganztagsschulen einführen", sagte SPD-Vize-Chefin Manuela Schwesig. "Wir werden in den nächsten vier Jahren dafür ein neues Ganztagsschulprogramm in Höhe von acht Milliarden Euro auflegen", kündigte sie an. "Alle, die wollen, sollen eine gute Ganztagsschule besuchen können, egal wo und in welcher Schulform."

FDP warnt vor "wirkungsloser Ganztagskäseglocke"

Auch die CDU steht dem aufgeschlossen gegenüber. Unionsfraktionschef Volker Kauder sagte: "Eine breite Betreuungssituation für Kinder ist das erklärte Ziel der Union, und für einen solchen Rechtsanspruch gibt es gute Gründe." Kauder erklärte allerdings auch, dass die acht Milliarden Euro, die für den Ausbau der Ganztagsschulen notwendig seien, "derzeit im Bundeshaushalt" nicht vorhanden seien. Er verwies darauf, dass der Ausbau der Ganztagsschulen zuerst ein Auftrag für Länder und Kommunen sei. "Über Hilfen kann man vielleicht sprechen."

NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) sieht Nordrhein-Westfalen in Sachen Ganztagsschule gut aufgestellt. Sie versicherte, NRW ruhe sich nicht auf seinem "überdurchschnittlichen Platz aus". Vielmehr setze die Landesregierung den Ganztagsausbau in allen Schulformen "bedarfsgerecht" weiter fort. "Insofern stellt sich die Frage nach einem Rechtsanspruch nicht."

Auch die Liberalen sind für qualitativ hochwertige und sinnvolle Ganztagsangebote. Der bildungspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion der FDP, Patrick Meinhardt, warnte allerdings vor einer "wirkungslosen Ganztagskäseglocke über Deutschland". Die Angebote müssten nach dem Prinzip gestaltet werden, "dass die Schulen vor Ort am besten wissen, was sie brauchen".

International übliche Schulform

Unabhängig von der schwierigen Frage der Finanzierung neuer Ganztagsschulen entsteht in Deutschland wie insgesamt in der Schullandschaft gerade ein Flickenteppich. Es gibt gebundene Ganztagsschulen, in denen auch der Nachmittagsunterricht verpflichtend ist. In NRW werden offene Ganztagsschulen eingerichtet, bei denen die Eltern entscheiden können, ob ihre Kinder das volle Angebot wahrnehmen sollen. Vor allem im Osten gibt es vielfach Horte, die im Anschluss an die Halbtagsschule ein Betreuungsangebot machen.

Die Politik reagiert damit auch auf die unterschiedlichen Wünsche der Eltern. 38 Prozent der Mütter und Väter wollen der Bertelsmann-Studie zufolge ihre Kinder im offenen Ganztagsbetrieb unterrichten lassen. Nur 17 Prozent der Schüler besuchen eine solche Schulform.

Die gebundene Ganztagsschule wiederum favorisieren 32 Prozent der Eltern. Nur 14 Prozent der Jungen und Mädchen haben einen Platz an einer solchen Schule. Aus Sicht der Bildungsforscher ist die verpflichtende Ganztagsschule aber die beste Möglichkeit, auch für Kinder aus bildungsfernen Haushalten Chancengerechtigkeit herzustellen. International ist diese Schulform üblich.

(qua)
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