Flüchtlinge und Militäreinsatz Große Koalition sucht Antworten auf den Terror

Düsseldorf · Die Terroranschläge sind für Asylkritiker ein gefundenes Fressen – und das nicht nur am rechten Rand. Die CSU macht Druck auf Kanzlerin Merkel. Die muss sich gleichzeitig jedoch noch einer ganz anderen Frage stellen: Würde Deutschland mit Frankreich in den Krieg ziehen?

Die Terroranschläge sind für Asylkritiker ein gefundenes Fressen — und das nicht nur am rechten Rand. Die CSU macht Druck auf Kanzlerin Merkel. Die muss sich gleichzeitig jedoch noch einer ganz anderen Frage stellen: Würde Deutschland mit Frankreich in den Krieg ziehen?

Noch ist unklar, wie viele Täter für die Anschläge in Paris verantwortlich sind. Noch ist unklar, wieso sie ungehindert ein Blutbad anrichten konnten. Noch ist unklar, wie all das passieren konnte. Und doch steht für die bayerische CSU fest: Mit der deutschen Asylpolitik kann es so nicht weitergehen.

Die CSU fordert schärfere Kontrollen an der Grenze

Paris: Massenpanik am Platz der Republik
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Massenpanik am Platz der Republik

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Während die französiche Polizei noch mit Hochdruck nach den Schuldigen fahndet, entbrennt in der deutschen Regierung bereits der Richtungsstreit — und zwar über alle Parteigrenzen hinweg. Da sind zum einen die bayerischen Scharfmacher, die den Druck auf Kanzlerin Angela Merkel (CDU) erhöhen. Am Montag will die CSU eine Resolution zu den Terroranschlägen beschließen. Worum es geht, ist klar: CSU-Chef Horst Seehofer fordert unter anderem eine Ausweitung der Mitte September wieder eingeführten Kontrollen an der österreichischen Grenze. Paris ändert alles, hatte auch Seehofers Kronprinz, der bayerische Finanzminister Markus Söder, bereits getwittert: "Wir dürfen keine illegale und unkontrollierte Zuwanderung zulassen."

Unterstützung bekommen die Bayern dabei vom Nachbarland Sachsen, während aus NRW Gegenwind kommt. "Die Tat in Paris ausgerechnet mit dem Asylschutz für diese IS-Opfer und der Zuwanderungsdebatte in Verbindung zu bringen, ist unverantwortlich", sagte der CDU-Fraktionsvorsitzende Armin Laschet unserer Redaktion. Der SPD-Innenexperten Burkhard Lischka fordert zwar eine schärfere Überwachung der Islamisten-Szene in Deutschland, sagte aber auch: "Wer den Flüchtlingen indirekt eine Mitschuld an den Terroranschlägen von Paris gibt, blendet aus, dass die Menschen vor der Barbarei des IS zu uns geflohen sind."

Müssen deutsche Soldaten in Syrien kämpfen?

Terrorwelle erschüttert Paris
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Foto: dpa, yv ks

Schon jetzt ist klar, dass die Terroranschläge von Paris die Diskussionen in Deutschland kaum versachlichen werden. Parallel zu den dumpfen Pöbeleien von AfD und "Pegida"22 spitzt sich auch der Ton der Regierungsparteien zu. Noch hält Angela Merkel an ihrer Linie in der Asylpolitik fest, doch gleichzeitig kommen schon die nächsten drängenden Fragen: Wenn es sich wirklich um Europas "9/11" handelt, wie so mancher bereits behauptet, wie wird Europa dann reagieren? Könnte sogar ein Einsatz in Syrien Thema werden? Immerhin hat Frankreichs Präsident François Hollande bereits vom Krieg gegen den IS gesprochen, während US-Präsident Barack Obama ankündigte, den Einsatz gegen die Terrororganisation zu verdoppeln.

So weit wollte Angela Merkel am Sonntag beim Auftakt zum G20-Treffen im türkischen Antalya noch nicht gehen, sie sprach lieber von einem "Signal, dass wir stärker sind als jede Form von Terrorismus". Doch natürlich weiß auch die Kanzlerin, dass sie im Zweifel liefern muss. Die unter Ex-Außenminister Guido Westerwelle praktizierte Politik der militärischen Zurückhaltung, die im "Nein" zum Einsatz in Libyen mündete, wird sie jedenfalls kaum fortsetzen können. Zu groß war der außenpolitische Ansehensverlust — auch wenn sich der frühere FDP-Parteivorsitzende durch so manche der Folgen des Einsatzes nachträglich bestätigt fühlt.

Gabriel will Diplomatie statt Waffengewalt

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So gedenkt die Region der Opfer in Paris

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Und doch droht auch bei der Frage nach der angemessenen Reaktion auf die Anschläge neuer Krach. SPD-Chef und Vizekanzler Sigmar Gabriel machte jedenfalls schon mal klar, dass eine Ausweitung des militärischen Engagements in Syrien auch unerwünschte Folgen haben könnte: "Wir haben ja gesehen, dass alles militärische Engagement der letzten Jahre und Jahrzehnte im Nahen Osten gerade zur Erweiterung der Gewalt und nicht zur Eindämmung geführt hat", sagte Gabriel am Sonntagabend im ZDF: "Wir müssen die Stellvertreterkriege in Syrien beenden, um gemeinsam gegen den IS vorzugehen. Und dazu braucht man jetzt erstmal einmal die Mittel der Diplomatie und nicht mehr Waffen."

Doch kann sich Deutschland einem stärkeren militärischen Engagement entziehen, wenn sich Nato-Partner Frankreich auf einen Bündnisfall beruft? Während CDU-Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen fordert, an der Seite Frankreichs "mit Besonnenheit" über weitere Maßnahmen zu beraten, denkt ihr Parteifreund Roderich Kiesewetter in der "Welt" bereits über mögliche Optionen nach. Er will jedenfalls dafür streiten, "dass wir auch in Syrien unsere militärischen Fähigkeiten einsetzen. Wir könnten unsere Verbündeten mit der Entsendung unserer Aufklärungs-Tornados unterstützen."

Es kommt darauf an, die richtigen Antworten zu finden

Flüchtlingspolitik und Terrorismusbekämpfung sind untrennbar miteinander verbunden. Denn natürlich bedingt das eine das andere — und das macht die kommenden Debatten so brisant. Für Deutschland geht es dabei nicht nur darum, als vertrauenswürdiger Bündnispartner wahrgenommen zu werden. Es geht auch darum, das freundliche Gesicht, dass man bislang gegenüber Flüchtlingen gezeigt hat, nicht gegen die hässliche Fratze des Erfüllgungsgehilfen möglicher französischer Rachepläne einzutauschen.

Denn je mehr die Situation im Nahen Osten eskaliert, je mehr die Region destabilisiert wird, umso mehr Menschen werden vor den dortigen Zuständen flüchten — um sich und das Leben ihrer Familien zu retten. Es kommt also darauf an, die richtigen Antworten zu finden. Jene, die für Frieden sorgen, für langfristige Stabilität. Ob das gelingt? Sonntagabend begannen die ersten Angriffe der französischen Luftwaffe auf die IS-Hochburg Rakka in Syrien.

(frin)
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