Generationswechsel Schulz will SPD-Vorsitz an Nahles abgeben

Berlin · Sollte die SPD-Basis für die große Koalition stimmen, will Schulz als Außenminister in Merkels Kabinett eintreten und den Parteivorsitz an Fraktionschefin Nahles übergeben. Sie wäre die erste Frau an der Spitze der sozialdemokratischen Partei - und hat schon große Pläne für 2021.

 SPD-Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles und SPD-Chef Martin Schulz.

SPD-Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles und SPD-Chef Martin Schulz.

Foto: dpa, wk gfh

Martin Schulz begründete seinen Rückzug als Parteichef mit der Neuausrichtung der SPD. Er könne der Erwartung "nicht in dem Umfang gerecht werden, wie es die Partei braucht", sagte Schulz am Mittwochabend nach einer SPD-Vorstandssitzung. Die Aufgabe sei für ihn "unter den obwaltenden Umständen kaum noch zu leisten".

Wenn die SPD nach dem Mitgliederentscheid in die Regierung geht, werde er sich vom Parteivorsitz zurückziehen und Fraktionschefin Andrea Nahles als seine Nachfolgerin vorzuschlagen, sagte Schulz weiter. Ein außerordentlicher Parteitag solle dann darüber abstimmen. Für die Zwischenzeit werde er den Parteivorstand bitten, Nahles kommissarisch mit der Aufgabe zu beauftragen.

Nahles kündigte an, dass sie mit der SPD bei der nächsten Bundestagswahl 2021 wieder stärkste Partei werden wolle. "Wir können das." Voraussetzung dafür sei, dass die SPD wie in den Koalitionsverhandlungen als Team agiere. Die SPD war bei der Bundestagswahl Ende September bei nur noch 20,5 Prozent und damit weit hinter der Union gelandet.

Nahles dankte dem Noch-SPD-Chef Martin Schulz dafür, dass er mit seinem angekündigten Rückzug vom Parteivorsitz "freundschaftlich und in großem Einvernehmen" den Generationswechsel möglich mache. Auf die Frage, was sie besser könne als Schulz, sagte sie: "Stricken." Umgekehrt sagte Schulz: "Es ist sichtbar, dass Frau Nahles jünger und weiblicher ist als ich."

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Es gehe ihm um die langfristige Entwicklung der SPD, sagte Schulz. Verantwortliche Politiker müssten irgendwann in sich gehen und überlegen, ob sie noch an der richtigen Stelle arbeiteten. Nahles sei als Fraktionschefin und Parteivorsitzende nicht wie er als Außenminister der Regierungslogik unterworfen, sondern könne "Hammer und Amboss" zugleich sein. Sie könne einen Schlag ausführen, ihn aber auch auffangen.

Schulz sagte außerdem, dass er keinen Anspruch auf den Posten des Vizekanzlers erhebe. Der Posten erfordere eine starke Präsenz in Berlin, während es Aufgabe des Außenministers sei, "außen zu sein". Als Vizekanzler ist Olaf Scholz im Gespräch.

Vom Hoffnungsträger zum Wahlverlierer

Mehr als 90 Unterhändler von CDU, CSU und SPD hatten am Mittwoch dem ausgehandelten Koalitionsvertrag in Berlin zugestimmt. Die SPD wird ihre Mitglieder in den nächsten Wochen entscheiden lassen, ob es zu einer neuen großen Koalition kommt. Schulz spricht sich dafür aus und zeigte sich optimistisch, dass die Mitglieder den Koalitionsvertrag und den Eintritt der Partei in eine neue große Koalition zustimmen. Der Parteivorstand habe am Mittwoch bereits mit breiter Mehrheit beschlossen, diesen Vertrag den Mitgliedern zur Annahme zu empfehlen. Dieser trage eine sozialdemokratische Handschrift. Die CDU wird nach Angaben von Kanzlerin Angela Merkel auf einem Parteitag über den Vertrag abstimmen.

Martin Schulz, der frühere Präsident des Europaparlaments, war zunächst als Hoffnungsträger gefeiert und im März 2017 mit 100 Prozent zum SPD-Vorsitzenden gewählt worden. Anschließend ging es aber nach vielen Fehlern und einer intern stark kritisierten Wahlkampagne bergab. Die Sozialdemokraten erzielten bei der Bundestagswahl mit 20,5 Prozent das schlechteste Ergebnis in der Geschichte der Bundesrepublik.

Der 62-jährige Schulz schloss danach eine erneute große Koalition und ein Ministeramt für sich in einer Regierung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) aus. Er vollzog aber nach dem Scheitern der Jamaika-Verhandlungen von Union, FDP und Grünen eine Kehrtwende. Beim SPD-Parteitag im Januar, der nach Ende der Sondierungen über den Eintritt der Sozialdemokraten in Koalitionsverhandlungen entschied, galt die Rede von Nahles als einer der Gründe dafür, dass die Delegierten überhaupt mehrheitlich mit Ja stimmten.

(wer)
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