Poker um Finanzhilfen Griechenland spaltet die Union

Berlin · Der wochenlange Poker um neue Finanzhilfen verunsichert immer mehr Unionsabgeordnete: Eine wachsende Zahl der Mandatsträger will einem dritten Hilfspaket nicht mehr zustimmen. Der Koalitionspartner SPD schürt die Nervosität.

Griechenland spaltet die Union - Poker um Finanzhilfen
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Die Unsicherheit über den Ausgang des Griechenland-Dramas und mögliche neue Milliardenlasten für deutsche Steuerzahler wird für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zu einem politischen Risiko: In der Unionsfraktion wächst die Zahl derer, die der CDU-Vorsitzenden bei der Griechenland-Rettung nicht mehr blind folgen möchten.

Die Zahl der Mandatsträger von CDU und CSU, die im Bundestag gegen ein drittes Hilfspaket votieren würden, wenn es denn wie erwartet auf den Tisch käme, wird in Fraktionskreisen mit 50 bis 100 angegeben. Selbst der Abschluss des Ende Juni auslaufenden zweiten Hilfspakets, bei dem es "nur" um die Auszahlung von 7,2 Milliarden Euro an Hilfskrediten geht, ist in der Union umstrittener denn je: Auch hier wird mit mehr Nein-Stimmen gerechnet als bei der letzten Griechenland-Abstimmung Ende Februar. Schon damals hatte die Union mit 29 Abweichlern mehr als je zuvor gezählt.

Die Mehrheit im Bundestag wäre zwar nicht gefährdet, denn SPD und Grüne haben ihre Reihen geschlossen: Sie wollen Athen nicht fallenlassen. Doch würde Merkel die Unterstützung von bis zu einem Drittel der Unionsabgeordneten verlieren, wäre dies ein allererstes Zeichen für den schwindenden Einfluss der Parteivorsitzenden. "Die Union ist zutiefst gespalten", sagte Grünen-Finanzpolitiker Gerhard Schick. "An dieser Zerrissenheit in der Union trägt die Kanzlerin selbst Schuld: Sie sorgt seit Monaten nicht für Klarheit in der Griechenland-Politik."

Mehrere Unionsabgeordnete hatten in den vergangenen Tagen persönliche Erklärungen abgegeben, in denen sie ihre kritische Haltung zu neuen Griechenland-Hilfen kundtaten, darunter Peter Ramsauer (CSU), Chef des Wirtschaftsausschusses im Bundestag. Auch der Chef des Parlamentskreises Mittelstand, Christian von Stetten. Wolfgang Bosbach (CDU), Chef des Innenausschusses, der Berliner CDU-Politiker Frank Steffel und andere erklärten, sie hätten Vertrauen in die griechische Regierung verloren und könnten neuen Hilfen für Athen nicht mehr zustimmen.

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SPD-Fraktionsvize Carsten Schneider schürte am Mittwoch die ohnehin hohe Nervosität beim Koalitionspartner, indem er Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) mit dessen griechischem Amtskollegen Giannis Varoufakis verglich. Zwischen Merkel und Schäuble gebe es "fast so ein Verhältnis wie zwischen Herrn Tsipras und Herrn Varoufakis", sagte Schneider im Deutschlandfunk. Wie dieser sei Schäuble nicht mehr Herr der Verhandlungen, denn Merkel und Tsipras hätten sie zur Chefsache gemacht. "Das führt natürlich dazu, dass viele Kollegen, die sich bisher am Finanzminister orientiert haben, sagen: Bin ich damit noch einverstanden?", legte Schneider später im ZDF noch einen Satz drauf.

"Festzustellen ist, dass die Unionsfraktion gespalten ist und auch die Regierung", sagte Schneider. Viele in der Union befürworteten eher Schäubles härteren Kurs. Der Minister hatte den Verbleib Griechenlands in der Euro-Zone anders als Merkel in den vergangenen Wochen nicht mehr als festes Ziel vorgegeben. Unter Merkels Verhandlungsführung befürchten nun viele in der Union, sie werde gegenüber Athen zu sehr nachgeben, bestätigten auch Unionskreise.

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"Die Äußerungen von Carsten Schneider sind ein Vertrauensbruch innerhalb der Koalition", erzürnte sich der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Eckhardt Rehberg. "Sie sind auch unanständig gegenüber Wolfgang Schäuble, einem der angesehensten Politiker in Deutschland. Kollege Schneider sollte sich überlegen, ob er Schäuble mit genügend Respekt begegnet."

Schäuble sei weiterhin "ohne Wenn und Aber der Chefverhandler der Bundesregierung bei Griechenland. Eine Entmachtung hat nicht stattgefunden. Schäuble mit Varoufakis zu vergleichen ist inakzeptabel", sagte Rehberg. Über eine Veränderung an den Bedingungen des laufenden zweiten Hilfspakets, über die gerade in Brüssel verhandelt wird, müsse der gesamte Bundestag abstimmen. Der Bundestag könne "jederzeit im Juni einen Beschluss herbeiführen. Wir haben auch früher schon wegen Griechenland Sondersitzungen anberaumt".

(mar)
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