Chef der Linken Gysi geht zum zweiten Mal

Berlin · Zweimal zehn Jahre war Gregor Gysi Chef der Abgeordneten von PDS, Linkspartei und gesamtdeutscher Linken im Bundestag. Jetzt heißt es: Ab auf die Hinterbank. Ob er dort stillhält und die anderen machen lässt, wird man sehen.

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Das ist Gregor Gysi

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Foto: dpa/Martin Schutt

Fast auf den Tag genau vor 15 Jahren wurde Gregor Gysi schon einmal als Fraktionsvorsitzender im Bundestag verabschiedet. Die Linke hieß damals noch PDS, aber sonst war vieles schon so wie heute. "Gysi ist Kult und jetzt geht Kult", sagte der damalige FDP-Generalsekretär Guido Westerwelle in seiner Laudatio auf den Kollegen. "Jetzt schauen die Leute direkt auf die Partei. Das geht in die Hose."

An diesem Dienstag legt Gysi ein zweites Mal seinen Chefposten in der Fraktion nieder. Wieder hat er eine zehnjährige Amtszeit hinter sich. Und würde bei der großen Abschiedsfeier am Mittwochabend unter der Bundestagskuppel erneut Westerwelle reden, könnte er auf sein Manuskript aus dem Jahr 2000 zurückgreifen. Gysi ist heute noch kultiger als damals, und ob die inzwischen in drei Lager gespaltene Partei ohne ihn funktioniert, wird besonders bei der politischen Konkurrenz bezweifelt.

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Foto: afp, kat/apr

Der 67-Jährige hat die Linke in den vergangenen 25 Jahren so stark geprägt, wie kein anderer. Zwar gab es da auch einen Lothar Bisky und einen Oskar Lafontaine, die zwischendurch vielleicht sogar mal wichtiger waren als er. Aber unter dem Strich ist die Linke von heute vor allem die Partei von Gregor Gysi.

Der gebürtige Berliner war der letzte Parteivorsitzende der SED und der erste der PDS. Er war 1990 dafür verantwortlich, dass die Sozialistische Einheitspartei der DDR nicht aufgelöst, sondern reformiert wurde.

Gysi führte die PDS in den Bundestag und dort bis zur Fraktionsstärke. Nur 2002, nach seinem ersten Abgang, blieb der Wahlerfolg aus. Das einzige Mal kam die Partei nicht als Fraktion oder Gruppe in den Bundestag, sondern nur mit zwei Einzelkämpfern.

Gysi wurde in seiner Bundestagspause Berliner Wirtschaftssenator, trat aber nach nur wenigen Monaten wegen einer Bonusmeilen-Affäre zurück. Für drei Jahre stieg er ganz aus der Politik aus, bis der frühere SPD-Chef und Kanzlerkandidat Oskar Lafontaine ihn zurückrief, um eine gesamtdeutsche Linke zu gründen.

Als Politik-Junkie sieht er sich trotzdem nicht. "Ich bin zu 90 Prozent Politiker, zu sechs Prozent Anwalt, zu vier Prozent Publizist und Moderator", hat er einmal gesagt. "Jeder Politiker sollte sich auch nebenher mit etwas beschäftigen, das ganz anders ist." Sonst sehe man irgendwann aus wie eine Drucksache.

Jetzt wird Gysi etwas, das er in den letzten 25 Jahren nie war: ein Hinterbänkler. Vielleicht wird das sein bisher schwerster Job, weil er darauf achten muss, dass er seinen Nachfolgern nicht zu sehr reinredet. Er ist sicher, dass er das kann: "Ich will mich nicht dazu verleiten lassen, die Fraktion in irgendeiner Weise weiter zu führen.
Das geht nicht", sagt er.

Ob er tatsächlich still hält, wird auch davon abhängen, wie das neue Führungsmodell funktioniert, das er selbst erfunden hat. Mit Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch lösen ihn zwei Flügelkämpfer ab, die bisher für die innere Spaltung der Partei standen. Jetzt sollen sie integrieren.

Seinen Nachfolgern hinterlässt Gysi eine Partei, die vor 25 Jahren als Außenseiterin in die deutsche Parteienlandschaft gestartet ist und inzwischen längst zum Establishment zählt. Sie war schon an etlichen Landesregierungen beteiligt, stellt einen Ministerpräsidenten und wird von SPD und Grünen als möglicher Regierungspartner angesehen.

"Ich habe meinen Anteil an den Chancen, die die Partei und die Fraktion jetzt hat. Die Frage ist, ob die nächste Generation sie nutzt", sagt Gysi. Als er auf dem Göttinger Parteitag im Juni seinen Abschied ankündigte, machte er ganz klar, wo für ihn die Reise hingehen sollte. "Wir können und sollten auch auf Bundesebene regieren wollen, und zwar selbstbewusst, mit Kompromissen, aber ohne falsche Zugeständnisse."

Ein Rückkehr in die erste Reihe strebt der 67-Jährige aber auch nicht für den Fall an, dass die Linke es in eine Bundesregierung schafft. Das sagt er jedenfalls heute. Aber was passiert, wenn ihn jemand so überzeugend und nachdrücklich um ein Comeback bittet, wie Oskar Lafontaine vor zehn Jahren?

(dpa)
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