Sicherheit in Nordrhein-Westfalen "Gefahr eines Anschlags ist sehr hoch"

Düsseldorf (RP). In Nordrhein-Westfalen herrsche längst ein hoher Sicherheitsstandard, versichern die Behörden. Gleichwohl wird zu Wachsamkeit geraten. Auffallend starke Polizeipräsenz ist derzeit in Düsseldorf bemerkbar, wo am 14. Mai der Eurovision Song Contest (ESC) ausgetragen wird. Einen Tag später feiern die Fans in Dortmund den Meistertitel des BVB.

April 2011: Mutmaßliche Terroristen in Düsseldorf festgenommen
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April 2011: Mutmaßliche Terroristen in Düsseldorf festgenommen

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Mit Zurückhaltung haben die Sicherheitsbehörden in Nordrhein-Westfalen gestern auf die Nachricht vom Tod des Al-Qaida-Anführers Osama bin Laden reagiert. Erst am Freitag waren in Düsseldorf und Bochum drei mutmaßliche Al-Qaida-Terroristen festgenommen worden. Sie sollen in Deutschland einen blutigen Anschlag — möglicherweise mit einer Splitterbombe — geplant haben.

Trotz der Festnahmen gebe es keinen Grund zur Entwarnung, heißt es übereinstimmend. "Wir können uns jetzt nicht zurücklehnen, nur weil dies Geschehnis eingetreten ist", sagt NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD). "Wir müssen weiterhin wachsam bleiben, wenn wir Anschläge in Deutschland verhindern wollen." Die Gefahr eines Anschlags sei nach wie vor sehr hoch.

Der Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), Jörg Ziercke, sprach zwar am Wochenende von bis zu vier weiteren Mitgliedern der Düsseldorfer Terrorgruppe. Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe, die die Ermittlungen leitet, stellte gestern aber klar, dass bislang nur gegen die drei inzwischen verhafteten Männer ein konkreter Tatverdacht vorliege. Im Zuge der weiteren Ermittlungen werde aber deren "Umfeld abgeklärt". Das bedeutet, dass die Behörden den neu gewonnenen Erkenntnissen über Kontakte der Männer nachgehen.

Macht der Tod bin Ladens zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen nötig, weil spontane Racheaktionen nicht ausgeschlossen werden können? Wolfang Beus, Polizeiexperte im Düsseldorfer Innenministerium, winkt ab. In NRW befänden sich die Sicherheitsvorkehrungen schon "seit langem auf hohem Niveau". Was das im Einzelnen bedeutet, darüber darf er nicht reden. Aber so viel steht fest: Für "sensible" Gebäude gibt es besondere Schutzvorkehrungen. Dazu zählen vor allem US-amerikanische Einrichtungen und Synagogen. Auch wenn nicht überall Wachpersonal zu sehen sei, bedeute dies nicht, dass diese Gebäude nicht geschützt würden, versichert Beus.

In Düsseldorf haben die rund 2500 Polizeibeamten wegen des Eurovision Song Contests (ESC) schon vor einer Woche Verstärkung bekommen. Nur, wer sich schon beizeiten einen Urlaubsantrag hat genehmigen lassen, darf jetzt zu Hause bleiben. Ansonsten gilt für alle Urlaubssperre bis zum ESC-Finale am 14. Mai. In der Innenstadt ist die verstärkte Präsenz der Polizei unübersehbar. Fahrzeuge sind an zentralen Plätzen postiert, mehr Streifen zu Fuß unterwegs. Wie viele Beamte insgesamt im Einsatz sind, darüber schweigt die Polizei — aus "taktischen" Gründen, heißt es.

Vor diesem Hintergrund sind auch die jüngsten Ereignisse in der Terroristenszene — am Freitag die Festnahme der Al-Qaida-Verdächtigen, die in einer Wohnung im Düsseldorfer Stadtteil Bilk versucht haben sollen, Sprengstoff herzustellen, gestern dann der Tod von bin Laden — bei der Düsseldorfer Polizei kein Grund zu hektischer Betriebsamkeit. "Wir laufen ohnehin auf sehr hohem Niveau und haben die Lage problemlos angepasst", so der Polizeisprecher. Schon zur Frühschicht war demzufolge gestern der Schutz US-amerikanischer Einrichtungen verstärkt worden, "in direkter Absprache mit dem Generalkonsulat". Da war der Tod des Terror-Führers gerade erst seit zwei Stunden bekannt.

Auch in Dortmund müssen sich die Stadtväter mit dem Al-Qaida-Terror befassen. Bei Großveranstaltungen lässt sich dieser Aspekt nicht mehr ausklammern. Am 15. Mai werden in Dortmund rund eine halbe Million Menschen erwartet, die die siebte Meisterschaft des BVB ausgelassen feiern wollen. Das Sicherheitskonzept für den Meisterkorso durch die Stadt und die anschließende Feier vor der Westfalenhalle wird derzeit noch ausgearbeitet, sagt ein Stadt-Sprecher. Am Freitag wollen Borussia Dortmund und Oberbürgermeister Ullrich Sierau (SPD) die Planungen vorstellen.

Nach dem Tod von bin Laden gelte es, wachsam zu sein, mahnt auch der innenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Düsseldorfer Landtag, Horst Engel, der selbst Polizeibeamter ist. Das gelte vor allem für "weiche Ziele" — Orte, an denen sich viele Menschen aufhalten. Der Terror werde auch nach dem Tod bin Ladens weitergehen, sagt Engel voraus. Al Qaida brauche keinen "Chef". Der Kampf gegen die Werte des angeblich so dekadenten Westens und die Parole "Tod den Andersgläubigen" seien das einigende Band der rund um den Globus verteilten "Kleinzellen, Wirrköpfe, Konvertiten und Gefährder". Zum Glück stehe die Sicherheitsarchitektur hierzulande auf stabilem Fundament, sagt Engel mit Blick auf die jüngsten Festnahmen in Düsseldorf und Bochum.

Dass die Behörden am Freitag vergangener Woche richtig gehandelt haben, indem sie zugriffen, steht auch für Klaus Jansen, den Vorsitzenden des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), außer Frage: "Mit dem Wissen, dass die Gruppierung einen Anschlag innerhalb einer öffentlichen Großveranstaltung in Nordrhein-Westfalen durchführen will, war es zu diesem Zeitpunkt die einzig richtige taktische Entscheidung, die Tatverdächtigen festzunehmen, um einem möglichen Anschlag mit hohem Personen- und Sachschaden zuvorzukommen."

(RP)
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