G20-Gipfel in Hamburg Das Ende der Harmonie

Dieser Gipfel ist einer der schwierigsten für Angela Merkel. Keiner der G20 soll düpiert werden, aber zu viel Konzilianz ist auch gefährlich.

 Der Auftakt des G20-Treffens wurde von schweren Krawallen überschattet.

Der Auftakt des G20-Treffens wurde von schweren Krawallen überschattet.

Foto: afp

Ein Prinzip von Angela Merkels Außenpolitik ist es, den Standpunkt ihres Gegenübers genau zu studieren, zu wägen und nach Punkten zu suchen, wo sie ihm entgegenkommen kann. Ihre Geduld dabei ist legendär. Am Vorabend des G20-Gipfels in Hamburg sieht es aber danach aus, als seien Merkel ihre Standpunkte in Fragen des Weltklimas und des Freihandels wichtiger als Harmonie.

Diese Linie zeichnet sich seit ihrer Regierungserklärung vor einer Woche ab, in der sie ungewohnt klar Position bezog. "Wer glaubt", sagte Merkel, "die Probleme dieser Welt mit Isolationismus und Protektionismus lösen zu können, der unterliegt einem gewaltigen Irrtum." Diese Aussage war auf Donald Trump gemünzt, dessen Unterhändler bislang keiner Formulierung für einen freien, fairen, regelbasierten Welthandel zustimmen wollten. Merkels Leute haben bereits Vorschlag um Vorschlag geschickt. Das Weiße Haus lässt sich nicht bewegen. Merkel selbst sprach im Vorfeld von G20 von der "Quadratur des Kreises".

Ausgerechnet Xi könnte Merkels Verbündeter werden

Die harten Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten, die diesen Gipfel in Hamburg begleiten, wirken wie ein Symbol, dass dieses Treffen eines der schwierigsten in Merkels Amtszeit wird. Die Kanzlerin steht auch innenpolitisch unter Druck. Der US-Präsident ist in Deutschland sehr unpopulär. Zu viel Entgegenkommen könnte Merkel im Wahlkampf schaden. Gleiches gilt im Verhältnis zu Putin, Erdogan und dem chinesischen Staatschef. Dass ausgerechnet der Chinese Xi bei diesem Gipfel Merkels Verbündeter werden könnte, zeigt, wie schwierig der Kreis der Gesprächspartner ist.

Am Abend vor dem offiziellen Start des Gipfels wollte Merkel mit ihren beiden kompliziertesten Gästen zusammentreffen. Am frühen Abend saß sie mit Trump im Hotel "Atlantic" zusammen. Die Themen: Freihandel und Klima. Tagsüber war der US-Präsident in Polen, wo er von Anhängern der rechtskonservativen und europakritischen PiS-Partei jubelnd empfangen worden war. Trump umschmeichelte die Polen, die sich in Europa mehr und mehr isolieren. Der Auftritt wirkte wie ein Versuch, einen neuen Keil in die EU zu treiben und gegenüber Russland, das die Polen als Bedrohung sehen, die Muskeln spielen zu lassen.

Merkel und Erdogan - ein zerrüttetes Verhältnis

Anti-G20-Proteste in Hamburg
6 Bilder

Anti-G20-Proteste in Hamburg

6 Bilder

Anschließend stand das Treffen mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in Merkels Kalender. Auch mit der Türkei gab es Klimafragen zu besprechen - aber nicht ökologischer Art. Vielmehr ist das deutsch-türkische Verhältnis so zerrüttet, dass schon die Verabredung zum bilateralen Treffen eine Nachricht ist. Erdogan hatte vor seiner Ankunft in Hamburg Stimmung über die Wochenzeitung "Die Zeit" gemacht. Deutschland begehe Selbstmord, befand der Präsident wegen der Tatsache, dass die Bundesregierung ihn nicht öffentlich auftreten lässt. Auch bei Erdogan war Merkel zuletzt stets hart geblieben. Durch das türkisch-europäische Flüchtlingsabkommen gibt es aber gegenseitige Abhängigkeiten.

Morgen, wenn der Gipfel in Hamburg endet, wollen die wichtigsten 20 Industrie- und Schwellenländer ein gemeinsames Papier mit ihren Zielen für das kommende Jahr unterschreiben. Mehr als ein Dutzend Seiten soll das Papier nicht umfassen. Es soll Aussagen enthalten zur Finanzmarktregulierung, zu globalen Steuern, zur Digitalisierung im Finanzwesen und zur internationalen Finanzarchitektur. Bei Klimaschutz und Freihandel droht, dass man sich nur darauf einigen kann, sich nicht zu einigen. Eine solche Aussage dürfte der Kanzlerin lieber sein, als dass einer der Teilnehmer isoliert den Gipfel verlässt.

Einigungen gelten indes beim Kampf gegen Fluchtursachen und bei kleineren Themen als wahrscheinlich. Dabei geht es um Teilhabe, Frauenförderung, die Verhinderung von Finanztransaktionen zur Unterstützung des Terrors und die Vermüllung der Meere. Merkel trifft sich vor dem Gipfel auch mit Vertretern der Weltbank und der US-Präsidententochter Ivanka Trump. Von diesen Treffen könnte der Impuls ausgehen, den schon vor dem Gipfel geplanten Fonds für Unternehmerinnen in Entwicklungs- und Schwellenländern an den Start zu bringen.

Auch die Bekämpfung des internationalen Terrorismus und seiner Finanzierung stößt bei den wichtigsten Staatenlenkern der Welt auf Konsens. Eine internationale Arbeitsgruppe erarbeitet aktuell Maßnahmen, um solche Finanzströme aufzudecken und abzustellen, ohne den internationalen Geldverkehr zu sehr zu stören.

In Zeiten, da die Welt "in Unruhe" ist, wie es Merkel ausdrückt, stehen neben der offiziellen Agenda des Gipfels auch weltpolitische Konflikte wie die Ukraine-Krise, die Aggression Nordkoreas und die neuen Spannungen am Golf zur Beratung an. Ein wichtiges Treffen wird die Dreierrunde zwischen Merkel, dem neuen französischen Präsidenten Emmanuel Macron und Russlands Machthaber Wladimir Putin sein, in der es um den Ukraine-Konflikt geht. Macron soll in das sogenannte Normandie-Format eingebunden werden - jenen Prozess der Friedens- und Waffenstillstandsbemühungen, zu dem auch der ukrainische Präsident Poroschenko gehört.

Gegenüber Nordkorea dürften die großen Mächte den Konsens suchen, obwohl Trump die chinesische Staatsführung im Vorfeld für die Raketenversuche des kommunistischen Staates mitverantwortlich macht. Die härtesten Auseinandersetzungen werden in der Klimafrage erwartet. In dieser Frage will US-Präsident Trump neu verhandeln, während die 19 anderen Staaten strikt am Abkommen von Paris festhalten wollen.

(kes / qua)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort