G20-Gipfel Hamburg kann auch friedlich

Die Welt schaut auf die Krawalle in Hamburg. Doch am Samstag sind auch Zehntausende Menschen auf zwei großen Demos friedlich durch die Hansestadt gezogen. Dabei kritisierten sie ganz unterschiedliche Punkte an dem G20-Treffen. Doch eines eint sie: das Gefühl von Ungerechtigkeit.

 Menschen tanzen am Samstag vor dem Millerntorstadion in Hamburg unter fliegenden Schaumstoffziegelsteinen.

Menschen tanzen am Samstag vor dem Millerntorstadion in Hamburg unter fliegenden Schaumstoffziegelsteinen.

Foto: dpa, sina schuldt

Es reicht. Als Alexandra die Krawalle der vergangenen Hamburger Nacht mitbekommt, greift sie noch am späten Abend zu Stift und Papier. "Keine Gewalt" malt die 45-Jährige auf ihr Blatt, darüber ein rotes Verbotsschild mit einem schwarzen Männchen darin, das einen Molotowcocktail wirft. Damit steht sie nun mitten in den laut Polizei 50.000 Menschen der Demonstration "G20 — not welcome: Grenzenlose Solidariät" und spricht mit ihrer Botschaft vielen aus dem Herzen. Nachdem in der Nacht von Freitag auf Samstag große Teile des Schanzenviertels regelrecht verwüstet worden waren, hoffen Zehntausende Demoteilnehmer nun auf einen friedlichen Marsch durch die Stadt.

Doch schon bevor die Demo von ihrem Sammelplatz an den Deichtorhallen startet, formiert sich ein Block mit schwarz gekleideten Menschen. Als sich ihre Gruppe in Bewegung setzt und dem Zug anschließt, wird eine erste, braune Rauchbombe gezündet. "Ganz Hamburg hasst die Polizei", rufen sie, und auch "No justice, no peace, fight the police". Doch die Polizei lässt sich dieses Mal nicht aus der Ruhe bringen. Einsatzkräfte mit Helmen begleiten die Gruppe vom Straßenrand aus. Eine zweite auffällige Gruppe wird ebenfalls eskortiert — alle anderen Demoteilnehmer, so scheint es, beachtet die Polizei eher wenig.

Viel bunter, wenig gewalttätiger Protest am Samstag

Denn deren Protest ist vor allem eines: bunt und friedlich. Das G20-Treffen bietet dabei ganz unterschiedlichen Menschen ein Motiv, auf die Straße zu gehen. Linke wollen gleich den Kapitalismus abschaffen, Grüne den Klimawandel stoppen, Frauen demonstrieren gegen Trump, und Kurden, die in einer großen Gruppe mitmarschieren, gehen vor allem gegen den türkischen Präsidenten Erdogan auf die Straße. Was fast alle eint: Das Gefühl von Ungerechtigkeit. Und es zeigte sich am Vorabend deutlicher denn je: Während "die da" am Freitagabend ein exklusives Konzert in der Elbphilharmonie hören konnten und danach "fürstlich" speisten, wurde in Teilen der Stadt randaliert — das macht viele wütend.

Dass es nun friedlich bleibt, dafür sorgen auch die Pappnasen Rot-Schwarz aus Köln. Mit 15 Leuten sind sie aus der Domstadt nach Hamburg gekommen, "um den Neoliberalismus ins Museum zu tragen — dahin, wo er hingehört", wie Rolf Beierling erklärt. Der 60-jährige Polit-Karnevalist ist in einer Art kirchlicher Robe als "Geldscheinheiliger Bankratius" verkleidet. Mit Lametta und Kostümen bringt die Gruppe einen Hauch Karneval nach Hamburg. Warum sie extra aus NRW angereist sind? "Der selbsternannte G20-Club beschließt in seinem Reichendenken Dinge zum Nachteil vieler armer Länder und Menschen", sagt Beierling. Dagegen müsse man was tun.

"Die Kinder sollen sehen, dass es auch ohne Gewalt geht"

Und so gehen fast zeitgleich zur größten G20-Demo auch Tausende Menschen unter dem Motto "Hamburg zeigt Haltung" auf die Straße. Vor allem Familien sind zu dieser Demo gekommen. "Wir sind bei dieser Demo, weil hier definitiv keine Gewalt stattfindet", erklärt Mutter Sonja, die mit den 8- und 10-jährigen Söhnen gekommen ist. "Die Kinder sollen sehen, dass man für oder gegen etwas sein kann, aber ohne Gewalt", sagt sie.

Bis auf kleine Rangeleien gibt es am Ende bis zum frühen Abend bei beiden Demonstrationen keine Zwischenfälle. Doch Alexandra mit dem Gewalt-Verboten-Schild erzählt, wie mehrere Demonstranten sie auf die Botschaft angesprochen haben. "Warum ist da die Polizei nicht drauf?", habe einer gefragt. "Was ein Scheiß", fand ein anderer. Und so weiß auch sie, dass der Tag in Hamburg wahrscheinlich noch nicht vorbei ist.

(mre)
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