Flüchtlingskrise Merkel nach Eklat beim CSU-Parteitag gestärkt

Berlin · Hinter der Kanzlerin schließen sich nun wieder die Reihen der CDU. Doch das verschafft ihr in der Flüchtlingskrise nur eine Atempause.

Parteitag: Kühler Empfang für Angela Merkel bei der CSU
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Kühler Empfang für Angela Merkel bei der CSU

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Foto: afp, CS/dg

Es war Angela Merkel anzusehen, wie sehr sie sich über Horst Seehofer geärgert hat. Das verriet ihre Mimik, während sie sich am vergangenen Freitag auf dem CSU-Parteitag in München minutenlang auf offener Bühne wie ein Schulmädchen von Seehofer maßregeln lassen musste, weil sie eine Obergrenze für Flüchtlinge ablehnt.

Das war ein Foul von Seehofer, das sie nicht vergessen wird. Nach diesem Vorfall wird die Hassfreundschaft zwischen den beiden wohl bestehen bleiben. Für Seehofer könnte das schlimmere Folgen haben als für Merkel, denn sie ist die Mächtigere. In München sitzt dem bayerischen Ministerpräsidenten sein Finanzminister Markus Söder mehr denn je im Nacken. In Berlin hat Merkel noch keinen ähnlich gefährlichen Kontrahenten.

Der Vorfall kommt der innerparteilich arg unter Druck stehenden CDU-Vorsitzenden kurzfristig zugute. Viele Parteifreunde, darunter die CDU-Ministerpräsidenten, reagierten empört darauf, wie Seehofer mit der Regierungschefin umgesprungen ist. Seehofers Verhalten sei überzogen und grauenhaft gewesen, hieß es. "Der CSU-Parteitag hat der Kanzlerin eher geholfen als geschadet", sagt Unionsfraktionsvize Michael Fuchs. "Beim kommenden CDU-Parteitag Mitte Dezember werden sich die Reihen hinter ihr nun erst recht schließen. Da gibt es in der CDU auch einen Korpsgeist."

Seehofers Vorgehen "macht es denen in der Union eher schwerer als leichter, die für eine rasche Begrenzung des Flüchtlingszuzugs werben", sagte ein führender CDU-Politiker. Allerdings verschafft der Vorfall Merkel auch nur eine Atempause. Zu groß ist in der Union mittlerweile die Nervosität, weil die Zahl der täglich nach Deutschland drängenden Flüchtlinge einfach nicht sinkt. Die Tagesmeldungen der Migrantenzahl werden im Kanzleramt und den Parteizentralen so beäugt, als ginge es um Wahlergebnisse. Da ist es unverständlich, dass die Regierung nicht im eigenen Interesse ihre Kommunikation verändert: Tatsächlich werden Flüchtlinge nämlich nach wie vor mehrfach registriert, so dass die Zahl der tatsächlich Ankommenden deutlich niedriger ist, als ständig bekannt wird.

Merkels größtes Problem ist, dass sich die tägliche Flüchtlingszahl mit ihren politischen Mitteln kurzfristig nicht reduzieren lässt. Sie will nun mit den übrigen EU-Staaten und der Türkei rasch Vereinbarungen über die Kontingentierung der Flüchtlinge für Europa verhandeln. Doch wer die Abläufe in der EU kennt, weiß, dass dies, wenn überhaupt, nicht in wenigen Wochen, sondern allenfalls in mehreren Monaten oder sogar erst nach Jahren zu erreichen wäre. Die geplante Kontingentierung ist für die Flüchtlinge zudem ein weiteres Signal, sich nun wirklich rasch nach Europa aufzumachen. Merkel läuft die Zeit davon, ganz unabhängig von Seehofers Brüskierung.

(mar)
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