Wohnsitzauflage Flüchtlinge sollen aufs Land

Berlin · Die Länder sollen anerkannte Asylbewerber per Wohnsitzauflage gleichmäßiger auf die Kommunen verteilen. Die Städte drücken aufs Tempo - auch weil die Zahl der Asyl-Entscheidungen steigt.

 Bisher konnten alle Flüchtlinge ihren Wohnort frei wählen.

Bisher konnten alle Flüchtlinge ihren Wohnort frei wählen.

Foto: dpa, mkx axs fux

Die Wohnsitzauflage für anerkannte Flüchtlinge soll nach dem Willen der Bundesregierung rückwirkend bereits ab 1. Januar 2016 möglich sein. Das sieht der Entwurf des Integrationsgesetzes vor, den das Bundeskabinett heute auf seiner Klausurtagung im brandenburgischen Meseberg beschließen soll. Demnach sollen die Länder ermächtigt werden, anerkannten Asylbewerbern für bis zu drei Jahre vorzuschreiben, wo sie wohnen sollen. Studenten und Lehrlinge werden dem Entwurf zufolge ausgenommen. Auch wenn ein enges Familienmitglied an einem anderen Ort mit einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung mindestens 712 Euro pro Monat verdient, soll die Auflage entfallen.

Menschen strömen oft in Ballungsräume

Bisher gibt es nur für Bewerber im laufenden Asylverfahren eine Residenzpflicht. Die Regierung will nun auch die freie Wahl des Wohnorts für anerkannte Asylbewerber und Flüchtlinge einschränken, um das Entstehen sozialer Brennpunkte zu verhindern. Denn Asylbewerber ziehen nach ihrer Anerkennung häufig in die Ballungsräume, in denen jedoch die Kapazitäten für Integrationsleistungen und Wohnraum begrenzt sind. Besonders betroffen davon ist Nordrhein-Westfalen. Schon 2014 lebten nach einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft 29 Prozent aller bundesweit anerkannten Flüchtlinge in NRW.

"Die Städte begrüßen sehr, dass mit dem Integrationsgesetz die von uns geforderte Wohnsitzauflage kommen wird, damit Flüchtlinge sich gerecht auf Städte und ländliche Gebiete verteilen", sagte Städtetagspräsidentin Eva Lohse (CDU) unserer Redaktion. "Um die Integration zu erleichtern, muss diese Möglichkeit, anerkannten Flüchtlingen einen Wohnsitz zuzuweisen, sehr rasch in die Praxis umgesetzt werden", forderte die Ludwigshafener Oberbürgermeisterin. "Die Städte appellieren an die Länder, die Wohnsitzauflage zu nutzen und möglichst schnell und ohne großen Verwaltungsaufwand zu verwirklichen." Denn in einigen Ländern ist die Wohnsitzauflage offenbar noch umstritten. So sind etwa SPD und Grüne in Nordrhein-Westfalen noch nicht einig, ob sie die Möglichkeit nutzen wollen.

"Kommunen überfordert"

Der Präsident des Deutschen Landkreistages, Reinhard Sager, verwies auf die wachsende Geschwindigkeit, mit der das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge derzeit über Asylanträge entscheidet. Das Amt drücke "spürbar auf die Tube". Die Zahl der anerkannten Flüchtlinge 2016 könnte bis zum Inkrafttreten des Gesetzes im September auf über 250.000 steigen. Bisher können sie alle ihren Wohnort frei wählen. "Das überfordert die gut 30 Kommunen, die bereits jetzt die Hauptanlaufpunkte der Flüchtlinge etwa in Nordrhein-Westfalen sind", warnte Sager. "Die Wohnsitzauflage sollte sowohl für anerkannte Asylbewerber als auch für Geduldete gelten", forderte Gemeindebunds-Geschäftsführer Gerd Landsberg.

In Nordrhein-Westfalen sei ein "Sog der Flüchtlinge Richtung Ballungsräume" feststellbar, sagte auch der Hauptgeschäftsführer des Landkreistages, Martin Klein. Mit der Wohnsitzauflage werde vermieden, dass einzelne Kommunen überlastet würden, sagte der Kommunalexperte der nordrhein-westfälischen CDU, André Kuper.

Das Integrationsgesetz sieht auch die Einführung von 100.000 gemeinnützigen Jobs sowie Sanktionen für Flüchtlinge vor, die Integrationsleistungen ablehnen. So soll eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis nach fünf Jahren nicht mehr automatisch erteilt werden, sondern von den Deutschkenntnissen abhängig gemacht werden.

(mar)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort