EU-Beitritt der Türkei FDP verlangt Machtwort der Kanzlerin

München/Istanbul (RPO). In der Diskussion über einen Beitritt der Türkei zur Europäischen Union verlangt die FDP ein Machtwort von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Die grundsätzliche Ablehnung des Beitritts durch zahlreiche Vertreter der CDU und CSU stehe nicht im Einklang mit dem Koalitionsvertrag, sagte der europapolitische Sprecher der FDP im Bundestag, Michael Link, in einem Interview.

Merkel besucht die Türkei
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"Wir würden uns wünschen, dass die Kanzlerin den Koalitionsvertrag auch in der eigenen Partei durchsetzt", sagte Link der "Süddeutschen Zeitung". Wie bei einem "Pawlowschen Reflex" werde mit dem Thema Türkei innenpolitisch Stimmung gemacht, sagte der FDP-Politiker. Das sei so, obwohl die Entscheidung über eine EU-Mitgliedschaft erst in vielen Jahren anstehe. "Die Kritiker der Beitrittsverhandlungen verkennen, dass die Türkei enorm an strategischer Bedeutung gewonnen hat", sagte Link. "Und sie verkennen, dass wir eigentlich schon längst eine privilegierte Partnerschaft mit der Türkei haben."

DIW: Aufnahme der Türkei "unvermeidlich"

Auch der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Klaus Zimmermann, wirbt für eine Mitgliedschaft der Türkei in der Europäischen Union. Zwar seien zunächst "noch viele gesellschaftspolitisch relevante Fragen zu klären", sagte Zimmermann am Mittwoch auf Anfrage. Aber letztlich sei eine Aufnahme der Türkei "unvermeidlich und wünschenswert".

Zimmermann fügte hinzu, die Türkei sei "geschichtlich, kulturell, demografisch und wirtschaftlich ein wichtiges und attraktives Partnerland für Deutschland". Das Angebot von Kanzlerin Merkel, schon bald mehr Mobilität für Unternehmer, Studenten und Künstler zu schaffen, sei sehr zu begrüßen. Es sei auch wichtig gewesen, "gerade jetzt der Türkei einen Besuch abzustatten und die Bedeutung von Sprachkenntnissen für die kulturelle und wirtschaftliche Integration von Migranten hervorzuheben".

Im Koalitionsvertrag hatten CDU, CSU und FDP die 2005 aufgenommenen Beitrittsverhandlungen als "Prozess mit offenem Ende, der keinen Automatismus begründet und dessen Ausgang sich nicht im Vorhinein garantieren lässt" bezeichnet.

Kritik der SPD

Die SPD übte scharfe Kritik an der Türkei-Politik von Kanzlerin Angela Merkel. SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte der "Berliner Zeitung", Merkel mache aus innenpolitischen Gründen "Ideologie statt Politik" gegenüber der Türkei: "Sie opfert die wirtschaftlichen Interessen Deutschlands in den deutsch-türkischen Beziehungen, nur um innenpolitisch vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen von antitürkischen Ressentiments profitieren zu können." Statt eine Debatte über den EU-Beitritt des Landes zu führen, solle die Kanzlerin konkrete Ziele wie eine Verdoppelung des Handelsvolumens binnen fünf Jahren setzen.

Erdogan hofft auf Merkel

Der türkische Ministerpräsident Tayyip Erdogan hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel am Dienstag um Hilfe gebeten, falls die Beitrittsverhandlungen mit der Europäischen Union in einer Sackgasse enden sollten. "Wir würden viel von Deutschland erwarten, wenn wir an den Punkt gelangen", sagte Erdogan er bei einem Treffen mit der Kanzlerin und Geschäftsleuten aus beiden Ländern.

Merkel entgegnete, die Türkei erfülle derzeit nicht alle Bedingungen für eine EU-Mitgliedschaft. "Wir haben deshalb vorgeschlagen, dass wir Schritt für Schritt die Annäherung an die EU deutlich machen. Deshalb sage ich auch, dass die Verhandlungen weiter geführt werden können." Merkel und die CDU favorisieren für das vornehmlich muslimisch geprägte Land eine "privilegierte Partnerschaft".

Die Beitrittsverhandlungen zwischen der Regierung in Ankara und der EU sind vor allem wegen der Fragen um Zypern ins Stocken geraten. Die türkischen Zyprioten hatten 1983 im Norden der Insel einen eigenen Staat ausgerufen, der nur von der Türkei anerkannt worden ist.

(DDP/RTR)
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