FDP Die liberale Ein-Mann-Partei

Berlin · Vor dem Dreikönigstreffen sieht FDP-Chef Christian Lindner die Welt voller Chancen und viel Platz für seine Politik.

Christian Lindners neue FDP im Jahr 2015
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Christian Lindners neue FDP

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Foto: dpa, Jan-Philipp Strobel

Wenn Guido Westerwelle in den Zeiten der FDP-Aufwärtsbewegung für liberale Dynamik stand, wofür soll dann erst Christian Lindner stehen? Westerwelle war mit 32 Generalsekretär, Lindner schon mit 30, Westerwelle mit 39 Parteichef, Lindner schon mit 34. Nach elf bitteren Jahren in der Opposition brachte Westerwelle die FDP wieder an die Macht. Und eine am Boden zerstörte Partei darf dank Lindner nach zwei Jahren hoffen, dass der Rauswurf aus dem Bundestag nur eine bittere Episode war.

Lange vor der Demütigung der Liberalen hat der junge Lindner am eigenen Leib erfahren, wie aus Erfolg ein Desaster werden kann. Der Anfangsboom seines Start-up-Unternehmens ließ den Studenten, Landtagsabgeordneten und Unternehmensgründer mit dem Porsche zur Uni fahren. Doch die Firma ging pleite. Als ihm das die SPD als Beleg für fehlende ökonomische Expertise vorhielt, nutzte Lindner die Attacke als Steilvorlage, um gründerfeindliche Staatsgläubigkeit vorzuführen - das Landtags-Video mit dem Plädoyer für die zweite Chance bekam Kultcharakter.

Mit diesem Vorstand will die FDP zurück in den Bundestag
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Mit diesem Vorstand will die FDP zurück in den Bundestag

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Foto: dpa, Kay Nietfeld

Wie im Persönlichen, so im Politischen: Aus der Niederlage von 2013 zog Lindner die Kraft, es allen zu zeigen. Er hätte Westerwelle mit vielen Tricks und Widerständen schon 2011 beerben können. Dann hätte er sich aber eine FDP ans Bein gebunden, deren Protagonisten traditionell den größten Lustgewinn aus dem Sägen an den Stühlen der Parteifreunde erzielten. Er verabschiedete sich mit einem vielsagenden "Auf Wiedersehen" als Generalsekretär in Berlin und baute seinen Einfluss von Düsseldorf aus neu auf.

Im Rückblick klingt seine Erläuterung, er habe Parteichef Rösler "Platz für eine neue Dynamik" lassen wollen, ziemlich schal. Ahnte er, dass der Kurs der mit ihren Steuerversprechen gescheiterten und zerstrittenen Liberalen in die Liquidation der seit 1949 ununterbrochen mitwirkenden Fraktion führen würde? Jedenfalls wusste er noch am Abend der Niederlage, dass es nun ans Aufräumen gehen und dass das eine Lindner-Mission sein würde.

Die Dreikönigstreffen, salopp "3K" genannt, bilden wichtige Wegmarken. "Bis 3K muss er liefern", raunten sich FDP-Granden im Herbst 2010 zu, als Westerwelles FDP bei den Umfragen im freien Fall war. Er lieferte nicht. Und gab im April den Kampf um den Vorsitz auf.

FDP-Chef Porträt: Das ist Christian Lindner
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Christian Lindner – der Überflieger

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Foto: dpa/Focke Strangmann

Lindner aber lieferte. Dreikönig 2014 gab er mehr nach innen gerichtet die Bestätigung, dass es nur mit ihm noch eine Chance gibt. 2015 lieferte er nach außen gerichtet die Erkenntnis, dass diese FDP vielleicht doch noch nicht abgeschrieben werden sollte. Prompt hat sie den Wiedereinzug in die Landesparlamente in Hamburg und Bremen geschafft. Nicht nur, weil sie attraktive Frauen anzubieten hatte, sondern auch, weil diese sich klar in den Dienst einer Person stellten. In der Manier der "Drei Engel für Charlie" posierten Spitzenkandidatinnen und Generalsekretärin als "Drei Engel für Lindner".

Er bestimmt. Aber er stimmt sich pausenlos ab, um die Liberalen als geschlossen zu präsentieren. Mit einer Journalistin verheiratet, weiß Lindner, wie Medien funktionieren, und so feilt er an jedem Begriff, an jeder Botschaft, um die FDP zu positionieren, wo Platz im Parteienspektrum ist: kritisch zum Flüchtlingskurs der Kanzlerin, aber nicht so, dass man sich dafür schämen müsste. Kritisch zur Griechenland-Rettung, aber nicht so, dass man sich vom Euro distanzierte. Das testet Lindner immer wieder aus. Auch vor kleineren Foren von Handwerkern, von Studenten, von FDP-Fremdelnden, die er zumindest neugierig machen kann. Und oft auch zu Neumitgliedern. Gerade die aus den untergehenden Piraten und nähertretenden Unternehmen mag er. Das zeigt ihm, dass die FDP als Bürgerrechts- und als Wirtschaftspartei gut aufgestellt zu sein scheint.

Schon sympathisiert selbst SPD-Vize Ralf Stegner mit rot-gelben Bündnissen. Lindner winkt ab. "Die SPD hätte in Hamburg die Gelegenheit zur Koalition mit uns gehabt", gibt er zu Protokoll. Dort wäre es inhaltlich gegangen. Woanders sieht er das nicht - jedenfalls solange sich SPD und Grüne in der Ablehnung der Schröder-Agenda einig seien.

Stattdessen sieht er neue Chancen für Schwarz-Gelb und macht sogar zwei Koalitionsaussagen: "Wir gehen eigenständig in die Wahlen, aber Schwarz-Gelb wäre eine Zukunftsoption für Mainz und Stuttgart, wenn die Union nach der Wahl anders als in Berlin zu marktwirtschaftlicher Politik bereit ist." Noch sei die AfD nicht drin, und er will sie draußen halten mit dem Hinweis, dass jeder AfD-Wähler zu linken Mehrheiten beitrage.

Und im Bund? Da steht und fällt die Mission Lindner mit dem Wiedereinzug in den Bundestag. Alles andere kommt später. Westerwelle war Vizekanzler mit 47. Lindner wird am Tag nach Dreikönig erst 37. Da bleibt viel Zeit. Lehren aus dem Scheitern von 2013 stehen jedoch schon fest: Anders als Westerwelle dürfte Lindner nicht in die Regierung eintreten, sondern als Partei- und Fraktionschef das FDP-Profil in der Hand behalten. Und er würde wohl auch nicht auf das Finanzressort für die FDP verzichten.

(may-)
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