Soziale Medien Durchbruch gegen Hass im Netz

Berlin · Union und SPD haben eine Einigung über das Löschen von hasserfüllten und hetzerischen Inhalten im Netz erzielt. Trotz Widerspruch aus der Fachwelt soll das Gesetz nächste Woche beschlossen werden.

 Facebook und andere Internetkonzerne sollen rechtswidrige Inhalte schneller löschen (Symbolbild).

Facebook und andere Internetkonzerne sollen rechtswidrige Inhalte schneller löschen (Symbolbild).

Foto: dpa

Die Bundesregierung will gegen Bedrohung, Beleidigung, Volksverhetzung und andere strafrelevante Inhalte in sozialen Netzwerken konsequenter Vorgehen. Gestern einigten sich die Fachpolitiker auf einen Gesetzentwurf, der die Betreiber der Plattformen von Facebook und Co. in die Pflicht nimmt. "Die Löschpraxis der Plattformbetreiber ist noch immer unzureichend", erklärte Justizminister Heiko Maas (SPD). "Unsere Erfahrungen haben ganz klar gezeigt: Ohne politischen Druck bewegen sich die sozialen Netzwerke leider nicht."

Ziel der Neuregelung ist es, die Plattformbetreiber dazu zu bringen, offensichtlich rechtswidrige Inhalte innerhalb von 24 Stunden zu löschen. Für kompliziertere Fälle war ursprünglich eine Frist von sieben Tagen vorgesehen, die nun mit dem unbestimmten Begriff "zügig" gelockert wurde. Plattformbetreiber, die nicht aktiv gegen Hass im Netz vorgehen, sollen mit einem Bußgeld von bis zu 50 Millionen Euro belegt werden können.

Die Kritiker warfen der Koalition vor, dass das Gesetz die Meinungsfreiheit einschränken werde, da die Plattformbetreiber aus Angst vor hohen Strafen auch kritische Aussagen löschen könnten, die von der Meinungsfreiheit gedeckt sind. "Wir tragen diesen Bedenken nun unter anderem dadurch Rechnung, dass die Anbieter über Löschungen in rechtlich schwierigen Fällen nicht immer selbst entscheiden müssen", sagte Unionsfraktionsvize Stephan Harbarth. Für die Entscheidungen soll ähnlich wie beim Jugendschutz eine Institution geschaffen werden, die über komplizierte Fälle urteilt. Die Stelle soll "anerkannte Beschwerdestelle" heißen und aus unabhängigen Prüfern bestehen. "Die Unternehmen können selbst entscheiden, ob sie mit der Beschwerdestelle arbeiten", sagte CDU-Netzpolitiker Thomas Jarzombek. Sollten sie dies nicht tun, seien sie selbst verantwortlich.

Für Polizei und Staatsanwaltschaften soll das Vorgehen gegen Hass im Netz leichter werden. Dafür müssen die Unternehmen einen Zuständigen benennen, der die deutschen Behörden bei den Ermittlungen unterstützen muss - zum Beispiel beim Auffinden anonymer Verfasser von Hass-Kommentaren. Die Fragen der Behörden müssen innerhalb von 48 Stunden beantwortet werden.

Mit Kritik reagierte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Informationswirtschaft (Bitkom), Bernhard Rohleder auf die Einigung: "Ob es der Politik auf den letzten Metern gelingt, das bereits im Ansatz verkorkste Gesetz so abzuändern, dass es verfassungsmäßig und europarechtskonform sein kann, ist mehr als fraglich", sagte Rohleder unserer Redaktion. "Wir plädieren eindringlich dafür, die Unternehmen nicht mit einer extrem kurzen Frist unter Entscheidungsdruck zu setzen", betonte der Bitkom-Chef. Kritik kam auch von der Vorsitzenden des Rechtsausschusses im Bundestag, Renate Künast (Grüne), die das Gesetz als "handwerklich schlecht" bezeichnete.

Der Entwurf soll in der kommenden Woche - der letzten Sitzungswoche in dieser Wahlperiode - im Bundestag beschlossen werden. Er steht unter dem Vorbehalt, dass die Fraktionschefs ihm zustimmen. Der Vorbehalt ist aber nicht inhaltlicher Natur. Vielmehr geht es darum, auf welche Gesetze sich die Koalition insgesamt noch einigen kann.

Mass hofft, mit dem Gesetz auch eine europäische Lösung anzuschieben. "Das Gesetz wird international stark beobachtet. Deutschland nimmt eine Vorreiterrolle ein", betonte der Minister.

(RP)
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