Umfassender Integrationsansatz gefordert Experte verteidigt Sarrazin

Berlin (RP). Der Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln, Heinz Buschkowsky, ein anerkannter Integrationsexperte, hat die umstrittenen Äußerungen des früheren SPD-Senators und jetzigen Bundesbank-Vorstandsmitglieds Thilo Sarrazin über Migranten verteidigt.

 Der Neuköllner Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky hatte die Debatte um das Betreuungsgeld angestoßen.

Der Neuköllner Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky hatte die Debatte um das Betreuungsgeld angestoßen.

Foto: ddp

Einige Formulierungen seien nicht akzeptabel gewesen und würden lediglich eine "hysterische Debatte der Ideologen" befeuern, betonte Buschkowsky im Gespräch mit unserer Redaktion. "Aber im Kern hat Sarrazin Recht." Ein Großteil der Migranten habe zu wenig Bildung, viele Einwanderer hätten sich von dem sozialen Alltag der Deutschen abgekapselt, so Buschkowsky. "Integration ist das zentrale Thema der kommenden Jahre. Es wird Zeit, dass die Politik und die Gesellschaft das endlich akzeptieren."

Neukölln gilt als das größte Sozialamt Europas. Die rund 300.000 Einwohner stammen aus 160 Nationen. Jeder Dritte ist auf finanzielle Hilfe vom Staat angewiesen. Zwei Drittel der Jugendlichen, die soziale Transfers erhalten, haben einen Migrationshintergrund. Sarrazin hatte in seinem umstrittenen Interview besonders türkische und arabische Zuwanderer in Berlin kritisiert, die sich nicht intergrieren wollten und "ständig neue Kopftuchmädchen" produzierten.

Buschkowsky forderte einen umfassenden Integrationsansatz. "Wir haben Milliarden für die Banken übrig, aber die Integration ist uns nicht einmal eine Diskussion wert", sagt er. So müssten die Integrationsbehörden stärker mit den Migrantenverbänden in den Stadtteilen zusammenarbeiten. Lehrer sollten in Problemstadtteilen stärker von Sozialarbeitern und Psychologen unterstützt werden, und die Familienpolitik müsse komplett umgekrempelt werden.

"Wir finanzieren Eltern, nicht Kinder", kritisierte Buschkowsky. Statt einer Erhöhung des Kindergelds um zehn Euro hätte man lieber eine kostenlose Vorschulerziehung finanzieren sollen. Mehr Geld müsse in die Bildungsinfrastruktur fließen. "Mit dem Kindergeld kaufen sich Eltern auch den Pauschalurlaub in der Karibik."

Außerdem sollte es eine Kindergartenpflicht geben und Einwanderer-Eltern, die ihre Kinder nicht zur Schule schicken, mit dem Entzug des Kindergelds gedroht werden. "Wenn man denen kein Geld mehr gibt, sind die Kinder ganz schnell wieder in der Schule."

Derweil forderten der Paritätische Wohlfahrtsverband und die Vorsitzende des Beirats der Anti-Diskriminierungsstelle des Bundes, Barbara John, Sarrazin zum Rücktritt auf. Der Ex-Finanzsenator von Berlin will sich bisher nicht äußern. Einen Rücktritt lehnt er ab. Die Staatsanwaltschaft Berlin prüft eine Anzeige wegen "Volksverhetzung" gegen Sarrazin. "Eine erste Strafanzeige ist eingegangen", sagte ein Justizsprecher gestern. Verschiedene Politiker der SPD hatten ein Parteiausschlussverfahren gegen Sarrazin gefordert.

(RP)
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