Streit um "Schmähgedicht" Auswärtiges Amt zweifelt an Verfahren gegen Böhmermann

Berlin · Wird der ZDF-Moderator Jan Böhmermann wegen eines "Schmähgedichts" über den türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan strafrechtlich verfolgt? Das Auswärtige Amt in Berlin bewertet das zumindest kritisch.

 Jan Böhmermann beim Vortrag seines Erdogan-"Schmähgedichts" im ZDF.

Jan Böhmermann beim Vortrag seines Erdogan-"Schmähgedichts" im ZDF.

Foto: Screenshot ZDF

"Wir sind skeptisch, ob das Strafrecht der richtige Weg sein kann", verlautete am Dienstag aus dem Umfeld von Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD). Die Türkei verlangt, dass Böhmermann strafrechtlich verfolgt wird. Die Bundesregierung prüft deshalb derzeit, ob sie die Staatsanwaltschaft ermächtigt, Böhmermann wegen Beleidigung eines Staatsoberhaupts zu verfolgen. "Von einer Hängepartie hat niemand etwas", hieß es aus dem Außenministerium.

Regierungssprecher Steffen Seibert hatte am Montag gesagt, die Prüfung werde ein paar Tage, aber nicht Wochen dauern. Erdogan hat zudem in Mainz, dem Sitz des ZDF, als Privatperson einen Strafantrag wegen Beleidigung gestellt.

Medienrechtler: "Einen Fall in dieser Zuspitzung noch nicht erlebt"

SPD-Vize Ralf Stegner forderte auf Twitter: "Finger weg von unserer Freiheit der Meinungsäußerung, Presse, Kunst und Kultur! Gilt für Potentaten anderswo, aber auch für Bundeskanzlerin!" CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt mahnte zur Mäßigung. "Ich glaube, dass wir das Ganze nicht überhöhen sollten. Das soll sich nicht zu einer Staatsaffäre ausweiten. Wir haben in unserem Land Meinungs- und Pressefreiheit", sagte sie am Dienstag in Berlin.

Nach Einschätzung des Hamburger Medienrechtlers Stefan Engels hat der Fall das Zeug, durch alle Instanzen bis vors Bundesverfassungsgericht zu gehen. Am Ende müsse das höchste deutsche Gericht womöglich Grenzen völlig neu definieren, sagte Engels. "Ich habe einen Fall in dieser Zuspitzung noch nicht erlebt." Das Spannende daran sei, dass Böhmermann Erdogan mit seinem "Schmähgedicht" nach eigener Aussage gar nicht schmähen, sondern lediglich ein Beispiel dafür geben wollte, wie eine Schmähung aussehen würde. Das müsse bei der Bewertung berücksichtigt werden.

Böhmermanns ZDF-Kollege Oliver Welke, Moderator der satirischen "heute-show", attackierte die Kanzlerin. Zu einem "Fall Böhmermann" sei die Sache erst geworden, als sich Angela Merkel (CDU) dazu habe zitieren lassen, sagte Welke der "Bild"-Zeitung (Dienstag). "Ein großer Fehler, der ihr hoffentlich leidtut." Merkel hatte über ihren Regierungssprecher mitteilen lassen, dass sie Böhmermanns Schmähgedicht "bewusst verletzend" finde.

"In dem Fall hat sich ausschließlich die Kanzlerin schlecht verhalten", betonte Welke. "Man kann nicht zuerst nichts sagen zum Einbestellen des deutschen Botschafters in Ankara nach dem Fall "extra 3". Und sich dann quasi als oberste deutsche Fernsehkritikerin zu Böhmermann äußern - das geht gar nicht!" Erdogans Protest an der NDR-Satiresendung "extra 3" war der Auslöser für Böhmermanns Schmähgedicht.

(hebu/das/dpa)
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