Bundesumweltminister Röttgen im Interview Energiesparen stärker belohnen

Düsseldorf (RP). Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) über die Dramatik des bevorstehenden Klimagipfels in Kopenhagen, die Bedingungen an die Energiekonzerne für verlängerte Laufzeiten bei Atomkraftwerken und sein persönliches Engagement für das Energiesparen.

 Norbert Röttgen glaubt: "Deutschlands beste Jahre kommen noch".

Norbert Röttgen glaubt: "Deutschlands beste Jahre kommen noch".

Foto: ddp

Der Klimagipfel steht vor dem Scheitern. Ist unser Planet in Gefahr?

Röttgen In Kopenhagen wird es eine verbindliche politische Entscheidung geben, wie wir das Ziel, die Erd-Erwärmung auf zwei Grad Celsius zu begrenzen, erreichen können: Mit welchen konkreten Emissionsminderungen in den Industrie- und Entwicklungsländern, mit welchen finanziellen Zusagen zur Unterstützung der Entwicklungsländer und mit welchem Überprüfungssystem. Diese Entscheidung muss dann noch rechtlich umgesetzt werden, aber die Würfel müssen in Kopenhagen fallen.

Schließen Sie ein Scheitern aus?

Röttgen Das ist keine Option. Denn es geht nicht um das Scheitern einer Konferenz. Es geht darum, dass ein Scheitern katastrophale Folgen für die Menschheit hätte.

Können Sie das mal näher schildern?

Röttgen Wenn wir nicht schnell und energisch genug umsteuern, wird es zu gravierenden Veränderungen des Weltklimas kommen. Nehmen Sie Asien. Wenn die Gletscher im Himalaya schmelzen, fehlt Wasser für eine Milliarde Menschen. Zudem werden ganze Inselstaaten ertrinken. Wegen der Wüstenbildung in Afrika könnten sich Hunderte Millionen Menschen dort auf die Flucht machen. Mit einem Wort: Es geht um die Rettung von Menschenleben und um die Verhinderung von Naturkatastrophen und von Flüchtlingsdramen.

Deutschland hat auf dem Papier ehrgeizige Reduktionsziele. Werden Sie die auch einhalten, wenn die energieintensiven Branchen wie Kupfer- und Stahlindustrie aus Deutschland auszuwandern drohen?

Röttgen Ich wehre mich ausdrücklich gegen einen Gegensatz von Klimaschutz und Wirtschaftskraft. Klimaschutz ist ein entscheidender Impulsgeber für die Modernisierung unserer Wirtschaft. Deutschlands klares Bekenntnis zum Klimaschutz erhöht unsere Chancen im internationalen Wettbewerb, wir sind Technologieführer bei Erneuerbaren Energien und im Bereich der Energieeffizienz. Wichtig ist allerdings, dass der Vertrag zum Klimaschutz gleiche Wettbewerbsbedingungen schafft.

Die Verbraucher zahlen Studien zufolge bis 2020 knapp 12 Milliarden Euro für die Förderung erneuerbarer Energien. Ist das noch zeitgemäß?

Röttgen Absolut. Das sind wichtige und richtige Investitionen. Punktuelle Überförderungen werden korrigiert.

Also Subventionsabbau?

Röttgen Nicht Abbau, sondern mehr Effizienz. Wir müssen die Frage beantworten, ob die Mittel zielgerecht eingesetzt werden. Um eine Überförderung der Solartechnik zu vermeiden, wird es bei veränderten Marktentwicklungen auch eine Anpassung der Förderhöhe geben müssen.

Die Gesamtsumme bleibt?

Röttgen Aussagekräftiger ist doch der Anteil, den ein durchschnittlicher Vier-Personen-Haushalt im kommenden Jahr für die Förderung der alternativen Energien zusätzlich ausgeben wird. Das sind 5,95 pro Monat. Das sollte uns der Weg in eine saubere, unabhängige Energieversorgung wert sein.

Der Staat beansprucht doch schon rund 40 Prozent des Strompreises. Und jetzt wollen die Energieversorger wieder ihre Preise erhöhen.

Röttgen Das können die Konzerne nicht auf die alternativen Energien schieben. Die Rohölpreise sind gesunken, es gibt auch Energieversorger, die diese Entwicklung an ihre Kunden weitergeben und die Preise senken. Das ist doch auffällig. Es kann also nicht an den allgemeinen Marktbedingungen liegen. Die Verbraucher können vergleichen.

Sie wollen die Verbraucher bei der Energienutzung zu Sparsamkeit animieren. Mit staatlichen Anreizen?

Röttgen Wir sollten in der Energiepolitik nicht nur auf die Angebotsseite schauen. Auch auf der Nachfrageseite, also beim Verbraucher, liegen enorme Potentiale. Ich wehre mich allerdings dagegen, die Menschen zu bevormunden. Aufklärung oder auch Anreize sind der bessere Weg.

Abwrackprämie für Kühlschränke?

Röttgen Nein. Aber es gibt ein beachtliches Effizienzpotenzial bei der Energienutzung, Experten schätzen es auf rund sieben Milliarden Euro pro Jahr. Wir werden überall, ob im Privathaushalt oder bei Unternehmen, den sparsamen Umgang mit Energie stärker belohnen und Verbraucher besser informieren müssen.

Sie wollen die Laufzeiten der Atomkraftwerke verlängern. Um wie viel?

Röttgen Wir werden bis Oktober ein energiepolitisches Gesamtkonzept erstellen. Ziel dieses Konzeptes ist, den Weg ins Zeitalter der Erneuerbaren Energien konkret zu beschreiben. Darin wird auch die Nutzung der Kernenergie enthalten sein, aber als Brückentechnologie. Wenn es Laufzeitverlängerungen geben sollte, sollen die zusätzlichen Gewinne zu einem wesentlichen Teil in die Erforschung Erneuerbarer Energien fließen.

Werden 2010 Meiler abgeschaltet?

Röttgen Auch diese Frage werden wir im energiepolitischen Konzept beantworten, das von Wirtschaftsminister Rainer Brüderle und mir gemeinsam erarbeitet wird.

Der Atomausstieg gilt?

Röttgen Kernenergie ist eine Brückentechnologie und dient als solche der Überführung in die regenerative Energieversorgung.

Gibt es einen Neuanlauf beim Umweltgesetzbuch?

Röttgen Ich glaube, wir müssen anspruchsvoller sein. Klima- und Ressourcenschutz kann ein eigenes Rechtsgebiet werden. Das würde nicht zuletzt der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit dienen.

Sind Sie klimafreundlich unterwegs?

Röttgen Ich bemühe mich darum, unter anderem mit einem Hybrid-Auto als Dienstwagen.

Michael Bröcker und Martin Kessler führten das Gespräch.

(felt)
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