Bundestag stimmt für Griechenland-Hilfen Eine schlechte Wette, die immer noch die bessere ist

Meinung | Berlin · Was vor einigen Wochen von vielen Koalitionspolitikern noch als undenkbar beschrieben wurde, ist jetzt Realität geworden: Der Bundestag hat mit überwältigender Mehrheit für ein drittes Griechenland-Hilfspaket gestimmt. Die Zahl der Nein-Sager in der Union war mit 63 höher als erwartet. Für Merkel, Schäuble und Kauder ist das ein Denkzettel, mehr aber nicht.

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Foto: dpa/Gregor Fischer

Am Vortag in der Probeabstimmung in der Unionsfraktion hatten 56 Parlamentarier mit Nein gestimmt. Die Parteiführung hat sich offenbar vergeblich bemüht, die Zahl der Abweichler noch zu verringern. Sie wäre noch höher gewesen, wenn auch jene Unionsabgeordnete anwesend gewesen wären, die es vorgezogen haben, lieber im Urlaub zu bleiben.

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SPD und Grüne verhielten sich staatstragend und stimmten überwiegend mit Ja. Vor allem SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann wirkte in der Debatte so auf einer Linie mit der Union, als wolle er bei Wolfgang Schäuble als Finanz-Staatssekretär anfangen.

Es ist dies eine weitere Wette der breiten Bundestagsmehrheit auf eine bessere Zukunft in Griechenland. Zweifel, dass diese Wette aufgeht, sind zwar angebracht, denn Griechenland hat nach zwei Rettungsprogrammen und vielen Reformzusagen, die es nicht in die Tat umgesetzt hat, viel Vertrauen zerstört. Trotzdem ist diese schlechte Wette immer noch die bessere. Verglichen mit der einzigen Alternative, dem ungeordneten Staatsbankrott plus Euro-Austritt plus Euro-Turbulenzen, ist dies der richtige Weg.

Würde Griechenland fallengelassen, würden sich dort die humanitären Probleme nochmals potenzieren. Gewalt und Chaos in einem Land, das geopolitisch für die westliche Welt vor den Toren der islamischen Staaten enorm wichtig ist, wären absehbar. Schon jetzt ist Griechenland kaum in der Lage, die Flüchtlinge menschenwürdig zu versorgen, die in Massen an seinen Küsten anlanden.

Der Bundestag hat für dieses neue Hilfspaket gestimmt, obwohl offen ist, ob sich der Internationale Währungsfonds daran mit Geld und Expertise beteiligen wird. Der IWF wird dies nur tun, wenn es im Oktober zu einer Vereinbarung über Schuldenerleichterungen für Griechenland kommt. Die Bundeskanzlerin hat das dem IWF indirekt bereits zugesagt. Auch dieser Schritt wird richtig sein. Denn Griechenland mit seiner schwachen Wirtschaft ist nicht in der Lage, die nun nochmals gestiegenen Schulden mit eigener Kraft zu tragen.

Umso wichtiger ist, dass die jetzt zusätzlich gekaufte Zeit von weiteren drei Jahren endlich so genutzt wird, dass Griechenland wieder Wirtschaftswachstum erzielt. Die Geldgeber müssen jetzt wirklich alles daran setzen, dass dies gelingt. Nur so ließe sich überhaupt eine Perspektive dafür entwickeln, dass Griechenland an die Kapitalmärkte zurückkehrt und geliehenes Geld ablösen kann. Andere Krisenländer wie Portugal oder Zypern haben dies geschafft. Dass es nicht auch Griechenland schaffen könnte, ist wissenschaftlich nicht bewiesen.

(mar)
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