Kommunalwahl am 25. Mai Ein Lob auf die Kommunalpolitik

Düsseldorf · Sie hat wenig zu tun mit Glanz und Gloria, dafür mehr mit Nähe, den Problemen vor der Haustür. Die meisten Kommunalpolitiker arbeiten viel und bekommen dafür wenig. Dabei liegt im Kommunalen der Kern der Demokratie.

 Am 25. Mai dürfen die Bürger an der Kommunalwahl teilnehmen.

Am 25. Mai dürfen die Bürger an der Kommunalwahl teilnehmen.

Foto: dpa, Julian Stratenschulte

Wer ein lustiges Zitat über Kommunalpolitik sucht, wird nicht fündig. Wilhelm Busch spottet gallig über Honoratioren ("Ohne ihn war nichts zu machen, keine Stunde hatt er frei. /Gestern, als sie ihn begruben, war er, richtig, auch dabei"); Goethe nervt mit einem Schürzen-Spruch Frankfurter Hausfrauen ("Ein jeder kehre vor seiner Tür, / Und rein ist jedes Stadtquartier"); und auch Eugen Roth ist nur gewaltsam als Theoretiker für kommunale Lebensqualität zu vereinnahmen: "Vom Ernst des Lebens halb verschont / ist der schon, der in München wohnt."

Die Wahrheit ist: Kommunalpolitik ist nicht lustig.

Sie ist ernst, weil es um den engsten Kreis der Heimat geht. Sie hat Würde, weil darin die Demokratie dem Bürger tief vertraut. Sie hat Größe, weil in ihr die vielleicht wichtigste Errungenschaft Europas webt und lebt: dass der Staat kein übermächtiges Ich ist, sondern eine Bürgerschaft guten Willens und heiliger Rechte.

Man muss Kommunalpolitiker nicht zu stillen Helden der Basis glorifizieren, aber der selbstgefällige Gestus von Hohn und Spott über vermeintliches Provinztheater, den man zuweilen antrifft, ist grundfalsch. Kommunalpolitiker sind Ehrenamtler in sehr konkretem Sinn: Meist bleibt es bei der Ehre, auch wenn es Fälle geben mag, in denen das intime Wissen über kommunale Planungen hilfreich ist bei privatwirtschaftlichen Entscheidungen. Aber das ist die Ausnahme. Die Masse der Kommunalpolitiker arbeitet viel und bekommt dafür wenig.

Das berühmteste Wort zum Thema Kommunalpolitik stammt aus dem Rheinland: Kölscher Klüngel. Das Wort lebt; es riecht nach Schweiß und Kneipe, es hat Schwielen an den Händen, und es ist nicht unsympathisch. In all dem steckt viel Wahres über Politik in der Kommune: Sie ist nicht so eisig wie das Getriebe der Macht in Berlin; sie ist wärmer, manchmal muffiger, weniger elegant, nachbarschaftlicher, mit mehr Pullover und weniger Schlips.

Das alles ist nicht nur gefühlt so, es ist auch in der Gemeindeordnung angelegt. Der Geist dieser Ordnung reicht spürbar zurück in eine Zeit, als Ratsmitglieder noch Stadtväter hießen. Macht und Familiarität gehen in der Kommunalpolitik eine interessante Mischung ein. Sie wird am ehesten in der Rolle des Bürgermeisters fassbar: Er soll Verwaltungschef und zugleich oberster politischer Repräsentant der Bürgerschaft sein. Er ist Ehrenmitglied der Prinzengarde, oberster Eröffner von neuen Altenheimen, Schirmherr aller Benefizkonzerte - und er leitet die Sitzungen des Rates, der ihn kontrollieren soll.

Die Doppelspitze wurde abgeschafft

NRW hat im Jahr 1999 die sogenannte Doppelspitze (bestehend aus ehrenamtlichem Bürgermeister und hauptamtlichem Verwaltungschef) abgeschafft und die beiden Ämter miteinander verschmolzen. Die Hoffnung lautete: Die Personalunion sollte alles Handeln effektiver machen; sie setzte auf Nähe, auf Verständigung, darauf, dass Verantwortliche einer Stadt auch Stadtväter und -mütter sind. Richtig aufgegangen ist diese Hoffnung nicht. Kommunalpolitik unterliegt eben auch den Regeln der Politik: Geht es um Macht, geht es nicht mehr väterlich oder mütterlich zu.

Damit ist auch einer der schwierigsten Punkte kommunaler Politik gemeint: das Gegenüber von Rat und Verwaltung. In der Theorie bestimmt der Rat die Geschicke einer Kommune; die Verwaltung ist ausführendes Organ. In der Praxis fühlen sich Kommunalpolitiker oft ohnmächtig gegenüber der Verwaltung. Dort sitzen die Juristen, die Gesetzeskundigen, die Technokraten, die den Apparat der Vorschriften bedienen können. Eine geschickt agierende Verwaltung kann einen Rat an der Nase durch alle Rathausgänge führen, ohne dass der es merkt. Was geht, was geht nicht - der Rat ist auf Auskünfte aus der Verwaltung angewiesen. Gerade bei der so eminent wichtigen Haushaltspolitik sieht der Rat nur, was die Verwaltung ihm zeigt: Wie arm, wie reich, wie notleidend ist denn nun eine Stadt?

Ohne Vertrauen geht es am Ende doch nicht: Kämmerer müssen immer auch Didaktiker sein, quasi gute Lehrer, die das Getriebe eines Etats glaubwürdig erklären können. Der abgedroschene Spruch "Wissen ist Macht" gilt für solche Beratungen scharf und schneidend. Nur ein Rat, der sich gut informiert fühlt, wird Hässliches wie Steuererhöhungen beschließen.

Die Machtstellung der Verwaltung verschärft sich auch dadurch, dass die föderalen Verästelungen - wer welches Gesetz erlässt und die Folgen bezahlt - immer komplizierter werden. Dies auch deshalb, weil Bund und Land dazu neigen, den Kommunen schamlos immer neue Lasten aufzubürden, ohne für die Finanzierung zu sorgen.

Daran hängt sehr Grundsätzliches: das Prinzip der Ehrenamtlichkeit und die demokratische Substanz der Selbstverwaltung. Ein Rat, der gefesselt ist von Pflichtaufgaben, ist genauso machtlos wie ein Rat, der den Wust von Gesetzen nicht mehr überblickt. Nur wenn die Realität einer Kommune auch für engagierte Laien zu verstehen ist, ist Selbstverwaltung real und nicht illusionär.

So ist es übrigens kein Zückerchen für Ratsfraktionen, wenn sie professionell ausgestattete Büros mit hauptamtlichen Fraktionsgeschäftsführern haben: Die Laienpolitiker sollen professionell begleitet und gestützt werden.

Ziel muss es sein, den Rat tun zu lassen, wozu er von uns, den Wählern, ermächtigt ist. In Paragraf 40 der NRW-Gemeindeordnung heißt es dazu kurz und knapp: "Die Verwaltung der Gemeinde wird ausschließlich durch den Willen der Bürgerschaft bestimmt." Unsere Ratsmitglieder sind Ausdruck dieses Willens. Darum sind die Kommunalwahlen so wichtig - und kräftige Herzschläge der Demokratie.

(RP)
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