Justizvollzugsanstalten Ditib schickt weniger Imame in Gefängnisse

Berlin · Die Zahl der muslimischen Prediger, die in deutschen Gefängnissen wirken, ist bundesweit drastisch gesunken. Das liegt vor allem an NRW, wo die Geistlichen einen Sicherheitscheck durchlaufen müssen.

 Muslime beten in einer Ditib-Moschee. Der Verband zieht schickt immer weniger Seelsorger und Vorbeter in die Justizvollzugsanstalten (Symbolbild).

Muslime beten in einer Ditib-Moschee. Der Verband zieht schickt immer weniger Seelsorger und Vorbeter in die Justizvollzugsanstalten (Symbolbild).

Foto: Daniel Naupold

In den deutschen Justizvollzugsanstalten sind derzeit rund 110 Imame zur Betreuung muslimischer Gefangener im Einsatz. Das hat eine Umfrage unserer Redaktion unter allen 16 Bundesländern ergeben. Die meisten Prediger sind der Erhebung zufolge in Nordrhein-Westfalens Gefängnissen tätig: 25 Imame betreuen dort die Insassen.

Allerdings war diese Zahl noch vor drei Jahren deutlich höher. Damals waren allein in NRW rund 120 Imame in den Gefängnissen im Einsatz. Der Grund für den deutlichen Rückgang ist ein Konflikt mit der Ditib, dem umstrittenen Dachverband türkischer Muslime in Deutschland. Traditionell stellten sie die große Mehrheit der Imame für das Angebot von Freitagsgebeten im Gefängnis.

Seit September 2016 müssen diese Imame eine Sicherheitsüberprüfung durchlaufen. Dazu zählt unter anderem eine Abfrage bei der örtlichen Polizeidienststelle und bei den Nachrichtendiensten. Seit Februar 2017 dürfen die Imame die Gefängnisse nur noch betreten, wenn sie an der Überprüfung mitgewirkt haben. Dies lehnen aber die meisten von den türkischen Generalkonsulaten beziehungsweise der Ditib entsandten Imame ab. Die Organisation Ditib ist direkt der türkischen Religionsbehörde in Ankara unterstellt.

Die Regelung war unter der rot-grünen NRW-Regierung vom damaligen Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) eingeführt worden. Sein Nachfolger hält daran fest. "Ohne Sicherheitsüberprüfung kommt bei uns niemand mehr ins Gefängnis. Keiner bekommt einen Vertrauensvorschuss, auch Ditib nicht", sagte Peter Biesenbach (CDU) unserer Redaktion. Er betonte: "Wir freuen uns über jeden, der religiöse Seelsorge anbieten will. Aber wir behandeln alle gleich."

Von den 25 Imamen, die noch in NRW-Gefängnissen tätig sind, kommen nur noch fünf von der Ditib beziehungsweise über die Generalkonsulate. Die übrigen 20 sind von freien muslimischen Gemeinden entsandt. Der Einsatz der Ditib-Imame war in NRW in die Diskussion geraten, nachdem es auch andere Konflikte mit dem Dachverband gegeben hatte. Nach dem Putschversuch in der Türkei 2016 war vor allem die organisatorische Anbindung der Ditib an die türkische Regierung zum Streitpunkt geworden. In fast allen Bundesländern müssen die Imame inzwischen eine Sicherheitsüberprüfung durch die ansässigen Behörden durchlaufen.

Die Zahl der muslimischen Seelsorger und Prediger ist nach Angaben der Länder dennoch weitgehend konstant. In Baden-Württemberg sind mit 24 ähnlich viele Imame tätig wie in NRW. In Bayern sind 34 Imame und Seelsorger im Einsatz, 17 von ihnen sind Imame der Ditib.

Keine Vorbeter oder andere Seelsorger finden sich in Ostdeutschland. In Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen arbeiten keine Imame an Gefängnissen. Nach Angaben der Länder besteht kein Bedarf an islamischen Predigern. Im Einzelfall würden die Gefangenen muslimischen Glaubens von christlichen Seelsorgern mitbetreut. Auch in Schleswig-Holstein wird kein Imam mehr in den Haftanstalten eingesetzt. Dafür kümmern sich andere Seelsorger um die Betreuung der muslimischen Gefangenen.

Was die Prediger und Seelsorger in den Gefängnissen für die Insassen tun, unterscheidet sich von Land zu Land: Mancherorts sind die Imame nur für das Freitagsgebet zuständig, andernorts kümmern sie sich um die Seelsorge, bieten Religionsunterricht an oder organisieren die wichtigsten muslimischen Feste mit den Insassen. Oft werden sie noch von weiteren muslimischen Seelsorgern unterstützt.

(lai, qua)
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