Islamverband Ditib — Erdogans Helfer in Deutschland

Düsseldorf · Mit mehr als 900 Moscheegemeinden ist die Ditib der größte Islamverband der Bundesrepublik. Doch seine Nähe zum türkischen Staat bringt ihn immer wieder in die Kritik. Derweil hat sich der Sicherheitsexperte der NRW-CDU, Gregor Golland, dazu ausgesprochen, die für Sonntag geplante Großdemo von Erdogan-Anhängern in Köln zu verbieten.

 Die Ditib hat ihren Sitz im Kölner Stadtteil Ehrenfeld, wo die neue Zentralmoschee entsteht.

Die Ditib hat ihren Sitz im Kölner Stadtteil Ehrenfeld, wo die neue Zentralmoschee entsteht.

Foto: dpa, Oliver Berg

Zu der Demonstration am Sonntag werden zahlreiche Erdogan-Unterstützer erwartet. Wie groß dessen Einfluss auf die in Deutschland lebenden Türken hat, ließ sein Auftritt 2008 in Köln erahnen. Mehr als 20.000 Muslime kamen damals in die Köln-Arena. Viele Tausend warteten draußen, weil sie keinen Platz mehr im Innern bekommen hatten. Erdogan hielt eine Rede, die nachhallte. Der damalige Ministerpräsident der Türkei forderte seine Anhänger auf, deutsch zu leben, aber nicht deutsch zu werden.

Niemand könne von ihnen erwarten, sich einer Assimilation zu unterwerfen, denn diese sei ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Dann fiel diese Aussage: "Manche Gemeinschaften sind in der Lage, auch wenn sie nur aus einer Handvoll Menschen bestehen, basierend auf ihrem intensiv betriebenen Lobbyismus, die Politik eines jeden Landes, in dem sie sich befinden, zu beeinflussen. Sie können Druck ausüben, um Beschlüsse der Parlamente der jeweiligen Länder zu erwirken. Warum sollten wir nicht Lobbyismus betreiben, um unsere Interessen zu schützen?"

Heute ist Erdogan Präsident der Türkei und mächtiger denn je. Manche sagen, er sei Diktator. Und den Einfluss auf die deutsche Politik, den Erdogan in Köln beschwor, erlangt er vor allem durch den größten deutschen Islamverband: die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion, kurz Ditib ("Diyanet Isleri Türk Islam Birligi"), sagen Kritiker des Verbands. "Ditib geht es darum, Einfluss auf die deutsche Politik zu nehmen und sich als Partner des deutschen Staats anzubieten. Das sichert Zugang zu Gremien und Einfluss auf den bekenntnisorientierten Religionsunterricht", sagt Susanne Schröter, Ethnologin und Islamexpertin an der Goethe-Universität Frankfurt.

Doch wer ist die Ditib überhaupt? Und ist ihre Macht wirklich so groß?

Es war der damalige Bundesinnenminister Friedrich Zimmermann (CSU, 1982-1989), der mit dem türkischen Staat eine Vereinbarung getroffen hatte, die es der Türkei erlaubte, den in Deutschland angesiedelten Islam zu organisieren. Die Bundesregierung erhoffte sich dadurch, rechts- und linksradikale sowie kurdisch-nationalistische Gruppen zurückdrängen zu können.

1984 entstand so die Ditib. Anfangs verwaltete der Verband nur 230 Moscheegemeinden. 2002 waren es 770, heute sind es mehr als 900. Daran gemessen ist Ditib der größte Islamverband Deutschlands. Schließt sich eine Gemeinde der Ditib an, muss sie einer Mustersatzung zustimmen. In dieser erkennt die Gemeinde die Ditib als beratende Institution an und stimmt einer Überwachung der Tätigkeiten sowie der Finanzen zu. Im Auflösungsfall der Gemeinde fällt das Gemeindevermögen dem Dachverband zu.

In ihren Anfangsjahren bot die Ditib den deutschen Muslimen kleinere Dienste wie Beratungen an. Mittlerweile hat sie den Anspruch, in allen Bereichen des muslimischen Lebens tätig zu sein. So ist die Ditib einer der größten Organisatoren für die Wallfahrt nach Mekka. Sie beaufsichtigt die in den Moscheen predigenden Imame, sie bietet Koranschulungen an, betreibt Moschee-eigene Bestattungsunternehmen und regelt etwa in Hessen den islamischen Religionsunterricht. In Nordrhein-Westfalen sitzt Ditib im Beirat, der über die Unterrichtsinhalte oder die Lehrer entscheidet. In Form von Spenden leistet die Ditib den Gemeinden Unterstützung, etwa für den Bau von Moscheen.

Seit seiner Gründung untersteht der Verband einer mächtigen türkischen Behörde: der Diyanet, dem "Präsidium für Religionsangelegenheiten". Es wurde 1924 gegründet. In der Türkei besitzt die Diyanet das Monopol auf "öffentliche Religion". Sie regelt die Aufsicht über die Moscheen im Land, stellt Religionsbedienstete ein, verfasst Vorlagen für Freitagspredigten (die auch in Deutschland gehalten werden) und veröffentlicht religiöse Literatur. Der Mitarbeiterapparat ist mittlerweile auf 100.000 angewachsen. Präsident ist seit 2010 der Theologe Mehmet Görmez. Er hat Ministerrang. Innerhalb der Ditib besitzt der Chef der Diyanet Mitspracherecht — als Mitglied des Beirats, der den Vorstand kontrolliert.

Die strittigste Aufgabe der Behörde ist die Entsendung der Imame. Ditib ist der einzige deutsche Islamverband, der seine Imame vom türkischen Staat bezieht. Derzeit halten sich hierzulande 970 dieser Vorbeter auf. Während ihres meist fünfjährigen Aufenthalts bleiben die Imame der Diyanet unterstellt und werden auch von ihr entlohnt, was die Gemeinden enorm entlastet, ihnen aber nur wenig Einfluss auf die Entsendung einräumt. "Selbst wenn die Ditib es wolle, sie könnte sich von der Türkei nicht losreißen. Ohne die immensen Finanzspritzen seitens der Diyanet könnte der Verband nicht existieren", sagt ein Islamwissenschaftler aus NRW.

Diyanet ist dem türkischen Ministerpräsidentenamt unterstellt. Doch Ministerpräsident Binali Yildirim fehlt es an Macht. "Herr Yildirim ist nicht mehr als eine Marionette", sagt Susanne Schröter. Eine Marionette Erdogans. Ditibs Nähe zum türkischen Staat würde wohl nicht so kritisch beäugt werden, hätte der Islam in der Türkei nicht eine bedenkliche Wandlung vollzogen. "Der türkische Staatsislam hat sich von einer moderaten zu einer radikalisierenden Religion verändert. Dafür ist nicht zuletzt die AKP unter Führung Erdogans verantwortlich", meint Schröter. Und Grünen-Chef Cem Özdemir sagt: "In der türkischen Religionsbehörde Diyanet wurden in der vergangenen Woche knapp 500 Mitarbeiter suspendiert. Das zeigt, wie auch in religiösen Fragen alle und alles auf die ideologische Linie Erdogans konzentriert wird. Die Ditib als deutscher Ableger der Diyanet ist davon unmittelbar betroffen."

Auf die Nähe zum Regime Erdogans angesprochen, schreibt Ditib-Generalsekretär Bekir Alboga: "Die Selbstbestimmungs- und Selbstverwaltungsrechte der Religionsgemeinschaften, also auch die der Ditib, sind grundgesetzlich geschützt. Jede Religionsgemeinschaft verleiht ihre geistlichen Ämter ohne die Mitwirkung von Politik oder öffentlicher Meinung. Dies ändern zu wollen, käme einem Verfassungsbruch gleich." Während eines Iftar-Festes (Fastenbrechen) in Köln vor einigen Wochen habe Ditib-Chef Nevzat Yasar Asikoglu die Armenien-Resolution des Bundestags verurteilt und beteuert, es gebe keinerlei Einfluss aus der Türkei auf den Ditib-Bundesverband, erzählt ein Teilnehmer der Veranstaltung. Es ist zumindest wunderlich, wenn solche Worte aus dem Mund eines Mannes kommen, der als Chef der Ditib formal auch türkischer Botschaftsrat ist.

Während in vielen Ditib-Moscheegemeinden gute und wichtige religiöse Arbeit geleistet werde, sei der Dachverband ein politischer Verein, der "unmittelbar von der türkischen Regierung gesteuert wird", sagt Cem Özdemir: "Die Ditib-Funktionäre müssen sich unmissverständlich und transparent von der Einflussnahme der Türkei befreien. Die religiösen Belange müssen endlich ins Zentrum ihrer Arbeit gestellt werden."

(jaco)
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