Partei debattiert ohne Westerwelle Die FDP will den Sozialstaat umkrempeln

Berlin (RPO). FDP-Chef Guido Westerwelle weilt in Lateinamerika und ist weit weg als seine Partei am Mittwoch ihr sozialpolitisches Konzept vorstellt. Er, der die Debatte mit seiner Kritik am Sozialstaat nach dem Karlsruher "Hartz IV"-Urteil angestoßen hat, kümmert sich in Brasilien gerade um die Pflege der politischen und wirtschaftlichen Beziehungen. In Berlin stellt FDP-Generalsekretär Christian Lindner derweil die Pläne seiner Partei zur Sozialpolitik vor.

Pro&Contra: So spaltete Westerwelle Deutschland
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Foto: AP

Nach der Agenda 2010 fordern die Liberalen nun einen zweiten Anlauf zum Umbau der Sozialsysteme. Ihre Kritik: Die rot-grünen Reformen seien im Ansatz richtig, insgesamt aber "inkonsequent, unvollständig und mitunter widersprüchlich" geblieben. "Wir wenden heute mehr als ein Drittel unserer Wirtschaftsleistung für unseren Sozialstaat auf", betont Lindner und stellt zugleich die Wirkung dieser Aufwendungen in Frage. Stellvertretend für Westerwelle fordert er mehr "Treffsicherheit und Effizienz".

"Keine Leistung ohne Gegenleistung"

Die FDP schlägt in ihrem Thesenpapier unter anderem bessere Hinzuverdienstmöglichkeiten für "Hartz IV"-Empfänger vor und bringt zugleich eine pauschale Abrechnung von Unterkunftskosten ins Gespräch, die "allerdings regionale Unterschiede im Wohnungsmarkt berücksichtigen muss". Sachleistungen für Kinder von "Hartz IV"-Empfängern werden nicht ausgeschlossen. Deutlich heißt es in dem Papier aber auch: "Keine Leistung ohne Gegenleistung".

Die Reaktion der Opposition lässt nicht lange auf sich warten: Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD, Hubertus Heil, bezeichnet das Papier als "soziales Rouge auf den kalten wirtschaftsradikalen Wangen der FDP". Grünen-Fraktionschefin Renate Künast zeigt sich ungerührt: Das Positionspapier enthalte Punkte, mit denen "Leute von Verstand sich schon lange Zeit beschäftigt haben".

Der sozialpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Heinrich Kolb, betont auf der Veranstaltung, dass es sich bei dem Papier ausdrücklich um eine "Einladung zur Diskussion" handle und nicht um eine "abschließende Wahrheit". Konsequenterweise hat die FDP eine bunte Mischung von Diskussionsteilnehmern im Thomas-Dehler-Haus versammelt, zu denen auch der ehemalige Wirtschaftsminister Wolfgang Clement und der streitbare Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln, Heinz Buschkowsky (SPD), gehören.

Schon einmal hatte der frühere SPD-Politiker Clement Westerwelle in der Sozialstaatsdebatte den Rücken gestärkt. Im Bundestagswahlkampf hatte Clement zudem indirekt für die Liberalen geworben und die FDP als einzige Fortschrittspartei in Deutschland bezeichnet. Clement war aber auch zwischen 2002 und 2005 Wirtschaftsminister und ist somit für die "Hartz"-Gesetze mitverantwortlich.

Clement verteídigt die Rot-Grünen Reformen

Im Thomas-Dehler-Haus der FDP verteidigt er daher auch die rot-grünen Reformen. Die Politik des Forderns und Förderns sei richtig gewesen. Einig ist er sich mit den Liberalen jedoch in der Analyse: Wo die FDP in ihrem Papier fehlende Balance beklagt, attestiert Clement eine "Schieflage". "Wir investieren heute in Deutschland genügend Mittel - allerdings nicht immer an den richtigen Stellen", sagt er und spricht sich für mehr Investitionen in Bildung aus.

Auch SPD-Mann Buschkowsky kritisiert eine falsche Mittelverwendung: "Deutschland gibt mit drei Prozent des Bruttosozialprodukts das meiste Geld aller OECD-Staaten für die Familienförderung aus, bei der Nachhaltigkeit belegen wir den drittletzten Platz." Mit seinem Lösungsvorschlag dürfte die Partei, die gerne die gerade beschlossene Erhöhung des Kindergeldes lobt, allerdings nicht glücklich sein: Buschkowsky bringt eine Halbierung des Kindergeldes in Gespräch. Seine Begründung: Damit ließen sich 17 bis 18 Milliarden Euro pro Jahr einsparen, die beispielsweise in Bildung investiert werden könnten.

(DDP/felt)
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