Autonomes Fahren Die Ethik des Autopiloten

Berlin · Eine Kommission hat erstmals Regeln für autonome Fahrzeuge formuliert. Das Hauptproblem ist: Wem soll das Auto im Notfall ausweichen – und wem nicht?

 Der Rechtswissenschaftler Dirk Heckmann (l), der Jurist Udo di Fabio (2.v.l.) und der Physiker Armin Grunwald (r) überreichen den Bericht der Ethik-Kommission an Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt.

Der Rechtswissenschaftler Dirk Heckmann (l), der Jurist Udo di Fabio (2.v.l.) und der Physiker Armin Grunwald (r) überreichen den Bericht der Ethik-Kommission an Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt.

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Eine Kommission hat erstmals Regeln für autonome Fahrzeuge formuliert. Das Hauptproblem ist: Wem soll das Auto im Notfall ausweichen — und wem nicht?

Wie soll ein Auto reagieren, das selbstständig fährt und in ein Dilemma gerät: Eine Gruppe Kinder und eine alte Dame versperren unvermittelt die Fahrbahn, der Bremsweg ist zu lang, ein Zusammenstoß mit Personen unvermeidlich. Kindern oder alter Dame — wem soll das Auto ausweichen, wem nicht?

Dies war eine der heikelsten Fragen zum automatisierten Fahren, die sich die 14 Mitglieder einer Ethikkommission im Verkehrsministerium in den vergangenen Monaten stellen mussten. Die Juristen, Ingenieure und Vertreter von Volkswagen, Daimler und dem ADAC sowie ein Philosoph, ein Theologe und ein Verbraucherschützer formulierten als Ergebnis ihrer Debatten 20 Thesen, die als Leitplanken für künftige Gesetze dienen könnten.

Oberstes Gebot: Autos sollten sich in Zukunft nur dann selbstständig bewegen dürfen, wenn das die Sicherheit auf den Straßen erhöhe. Zu diesem Schluss kamen die Experten um den ehemaligen Verfassungsrichter Udo di Fabio, der sich aber schon festlegte: Er sei überzeugt, dass man - dank neuer Technik - "in 20 Jahren keine 3000 Tote im Straßenverkehr mehr haben" werde.

Bis allerdings vollständig autonom fahrende Autos serienreif sind, die also überhaupt keinen Fahrer mehr benötigen und ihre Insassen nach Belieben chauffieren, um danach allein nach Hause zurückzukehren, dürften noch viele Jahre vergehen.

Fahrzeuge mit entsprechenden Vorstufen wie dem hochautomatisierten Fahren könnten hingegen schon in etwa fünf Jahren beim Händler stehen, wie Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) prognostizierte. Solche Autos, die zum Beispiel als Testwagen auf der Autobahn 9 unterwegs sind, nehmen dem Fahrer in bestimmten Situationen auf Knopfdruck nahezu alle Aufgaben ab — weit mehr als die bereits verfügbaren Assistenten zum Einparken, Spurhalten und Notbremsen. Dann könnte man bequem Zeitung lesen oder am Laptop arbeiten.

Das nächste Level wäre erreicht, wenn sich Autos im Stadtverkehr oder auf der Autobahn vollautomatisiert bewegen, der Fahrer aber je nach Belieben das Steuer jederzeit übernehmen könnte. Die Königsdisziplin wäre schließlich ein autonomes Fahrzeug, vielleicht sogar ganz ohne Lenkrad.

Autonomes Fahren - der Weg zum Autopiloten ist noch weit
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Di Fabio betonte jedoch, dass sich die ethischen Fragen auch jetzt schon stellten - zumal die technische Entwicklung durchaus Sprünge vollziehe und nicht unbedingt linear ablaufe.

Im Kern dieser Überlegungen steht die Software des Autos, gewissermaßen dessen Betriebssystem. Es muss programmiert werden, damit sich das Auto an die Straßenverkehrsregeln hält, vorausschauend fährt und weder die Insassen noch andere Verkehrsteilnehmer oder beispielsweise Tiere gefährdet. Dafür haben di Fabio und die anderen Kommissionsmitglieder Grundsätze formuliert. Demnach muss der gesamte Betrieb des Autos auf Unfallvermeidung ausgerichtet sein. Lässt sich ein Zusammenprall aber nicht vermeiden, muss das Auto immer einen Sach- oder Tierschaden vorziehen, wenn sich dadurch ein Personenschaden vermeiden lässt. So weit, so eingängig.

Uneins blieben die Experten aber in der Frage nach der Dilemma-Situation, wenn ein Personenschaden unvermeidbar ist. Dann dürfen mögliche Opfer nicht nach Alter, Geschlecht und anderen persönlichen Merkmalen unterschieden werden, sagte di Fabio. Jedes Menschenleben zähle gleich viel. Keine Auto-Software dürfe Hierarchien für die augenblickliche Abwägung im Notfall enthalten, so der Jurist. Allerdings steht in den Leitsätzen - wegen Uneinigkeit - nun auch: "Eine allgemeine Programmierung auf eine Minderung der Zahl von Personenschäden kann vertretbar sein."

Eine ähnliche Debatte hatte es zum Luftsicherheitsgesetz gegeben, als es um die Frage ging, ob ein von Terroristen gekapertes Passagierflugzeug abgeschossen werden darf, um eine weitaus größere Zahl von Opfern am Boden zu verhindern. Damals sagte das Bundesverfassungsgericht klar Nein, eben weil niemals ein Menschenleben gegen ein anderes aufgewogen werden dürfe.

Wichtig ist zudem der Kontext: Gerät ein Autofahrer in das beschriebene Dilemma und entscheidet er sich dafür, den Kindern statt der alten Dame auszuweichen, würde ihm wohl kein Strafrichter Probleme bereiten - sofern er keine Schuld an der eigentlichen Unfallursache trägt. Eine festgelegte Programmierung hingegen, so sehen es Experten der Kommission, dürfe es auch deswegen nicht geben, weil der jeweilige Kontext nicht vorhersehbar sei.

Per Smartphone-App - so lassen sich Autos fernsteuern
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Für weitere Diskussion sorgte auch die Frage, wer bei eigentlich bei einem Unfall haftet? Klar: Der Fahrer, wenn er am Steuer ist. Ab dem Moment, in dem das Auto übernimmt, soll jedoch der Auto- oder Softwarehersteller haften. Diese kommen auch bei der Datensouveränität ins Spiel. Justizminister Heiko Maas (SPD) sagte unserer Redaktion: "Der Kunde muss ganz bewusst entscheiden können, welche Daten er preisgibt und was mit seinen Daten passiert. Er darf nicht zum reinen Objekt der Technik werden." Dem Fahrer müsse es möglich sein, die Datenübermittlung zu erkennen, zu kontrollieren und zu stoppen. Dann gehöre dem automatisierten Fahren die Zukunft, so Maas.

(jd)
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