Debatte über steigende Heizkosten DGB: Sarrazins Äußerungen "menschenverachtend"

Frankfurt (RPO). Das Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Annelie Buntenbach, hat die Äußerungen des Berliner Finanzsenators Thilo Sarrazin in der Energiedebatte scharf kritisiert. "Das ist menschenverachtend und nicht mehr hinnehmbar", sagte Buntenbach gegenüber unserer Redaktion. Sarrazin hatte zum Energiesparen empfohlen, die Zimmertemperatur zu drosseln und einen "dicken Pullover" anzuziehen.

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Foto: ddp

"Dieser Mann scheint unbelehrbar zu sein oder es darauf anzulegen, aus seinem Amt entfernt zu werden", sagte Annelie Buntenbach (DGB) und forderte Berlins Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) indirekt auf, den Finanzsenator zu entlassen. "Wowereit und die SPD müssen Sarrazin endlich erfolgreich stoppen." Der Finanzsenator verletze und verhöhne in einer Tour die Schwächsten der Gesellschaft, so Buntenbach. "Herr Sarrazin hat seine Wange so lange hingehalten — jetzt darf ihn die Watsche nicht mehr verfehlen."

Der Berliner SPD-Senator Sarrazin hatte in einem Interview mit unserer Redaktion neue Schärfe in die Debatte gebracht. Sarrazin setzt statt auf staatliche Hilfen auf warme Pullover. "Wenn die Energiekosten so hoch sind wie die Mieten, werden sich die Menschen überlegen, ob sie mit einem dicken Pullover nicht auch bei 15 oder 16 Grad Zimmertemperatur vernünftig leben können", so der Senator, der bereits in der Vergangenheit mit markigen Aussagen auf sich aufmerksam gemacht hatte. Politiker von Linke, CDU und Grünen kritiesierten die Äußerungen des Senators.

Die Linke reagiert empört auf die Empfehlung von Berlins Finanzsenator Thilo Sarrazin. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Linken, Ulrich Maurer, warf Sarrazin soziale Kälte vor und betonte: "Gegen soviel soziale Kälte helfen auch keine Pullover." Maurer unterstellte dem Senator, er habe nur in die Schlagzeilen habe kommen. Maurer schlug vor, Sarrazins Büro ins Kühlhaus zu verlegen. Dort könne er dann im Pullover versuchen, wieder einen kühlen Kopf zu bekommen.

Auch der Präsident des Deutschen Mieterbundes (DMB), Franz-Georg Rips, sowie der Bundesvorsitzende der Arbeiterwohlfahrt (AWO), Wilhelm Schmidt, warnten in einer gemeinsamen Erklärung: "Insbesondere einkommensschwache Haushalte trifft die Preisexplosion bei Öl, Gas und Strom mit voller Wucht. Sie müssen dringend unterstützt werden." Rips plädierte für eine Erhöhung der Hartz-IV-Regelsätze um 50 Euro. Gemeinsam mit Schmidt forderte er die Bundesregierung auf, zu prüfen, ob für einkommenschwächere Haushalte ein Heizkostenzuschuss gezahlt werden kann, wie etwa im Jahr 2001.

Die Kritik von Politikern der Linken, der CDU und den Grünen wies der Senator zurück. Jedes Wort sei "wohl abgewogen" gewesen, sagte Sarrazin am Dienstag.

Gegen steigende Energiepreise könne der Staat gar nichts ausrichten. Insofern werde vielen Menschen in einigen Jahren nichts anderes übrigbleiben, als die Heizung herunterzudrehen. Aus Ärger über die Preise habe er dies selbst schon im vergangenen Winter gemacht. Deshalb habe er jetzt im Gegensatz zu früheren Jahren noch einen stattlichen Rest Öl im Tank, betonte Sarrazin.

Im Frühjahr hatte der umstrittene Politiker mit einem Ernährungsplan für Hartz-Empfänger für Aufsehen gesorgt. Sozialtarife lehnt er grundsätzlich ab. Damit befindet Sarrazin auf einer Wellenlänge mit führenden Politikern der Großen Koalition.

Sozialverbände erneuern dennoch ihre Forderung nach staatlichen Beihilfen. Der Deutsche Mieterbund und die Arbeiterwohlfahrt (AWO) forderten am Dienstag spürbare Entlastungen für einkommensschwache Haushalte, die die Preisexplosion bei Öl, Gas und Strom "mit voller Wucht" treffe. Die Verbände sprachen sich vor allem für eine Erhöhung der Hartz-IV-Regelsätze um 50 Euro und die Prüfung eines Heizkostenzuschusses aus.

(ap)
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