Sinkende Umfragewerte Angela Merkel fährt einen riskanten Kurs

Meinung | Berlin · Bundeskanzlerin Angela Merkel hat einer neuen Umfrage zufolge spürbar an Zustimmung in der Bevölkerung verloren. Dies ist nicht sehr verwunderlich. Denn Merkel macht sich in der Flüchtlingsfrage stärker angreifbar als nötig ist.

 Nur noch gut ein Drittel der Befragten ist mit der Flüchtlingspolitik der Kanzlerin einverstanden.

Nur noch gut ein Drittel der Befragten ist mit der Flüchtlingspolitik der Kanzlerin einverstanden.

Foto: ap

Es läuft derzeit nicht rund für die Kanzlerin. Ihr protestantisches Beharren in der Flüchtlingsfrage auf den simplen Satz "Wir schaffen das" hat ihr in der Bevölkerung viel Sympathie gekostet. Nur noch 47 Prozent sind nach dem neuesten Deutschlandtrend von ARD und dem Meinungsforschungsinstitut infratest-Dimap mit ihrer Amtsführung zufrieden. Ihr Erz-Rivale Horst Seehofer, der normalerweise nicht gerade die Sympathien der Wähler auf sich zieht, ist bis auf 44 Prozent in der Zufriedensheitsskala an sie herangerückt. Das war so nur noch im Februar 2016, auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise, als in den ersten drei Monaten fast 200.000 Migranten illegal die Grenzen überschritten.

Noch so ein Massenansturm geht nicht

Die Menschen anerkennen zwar ihren humanitären Einsatz für die Flüchtlinge, aber zugleich wachsen die Sorgen, ob mit den vielen Bürgerkriegsopfern nicht auch viele Kriminelle, Terror-Kämpfer und Islamisten ins Land gekommen sind, von den kulturellen Schwierigkeiten mit den Zuwanderern ganz zu schweigen. Es scheint, dass mit der Zahl von 1,2 Millionen Flüchtlingen, die Deutschland seit Anfang 2015 großzügig aufgenommen hat und auch integrieren will, eine Grenze erreicht ist. Eine Kanzlerin, die das so nicht anerkennen will, schafft nicht gerade Vertrauen. Es geht dabei nicht darum, Opfer einfach ihrem Schicksal zu überlassen. Einen Massenansturm wie im Jahr 2015 wird Deutschland nicht noch einmal verkraften. Und dass die Kanzlerin das nicht andeutet, wird ihr von vielen übel genommen.

Zum Zweiten hat Merkel auch keinen Plan B, wenn der Flüchtlingsdeal mit der Türkei nicht klappen sollte. Nach dem Putsch und dem brutalen und offenbar lang vorbereiteten Gegenschlag des türkischen Präsidenten Erdogan ist das Vertrauen in diesen Bündnis- und Vertragspartner bei Null angelangt. Amnesty International berichtet von Misshandlungen und unfairen Verfahren. Die Intellektuellen des Landes sind entsetzt. Und in Deutschland greifen Erdogan-Anhänger Andersdenkende mit Gewalt an. Damit zieht der türkische Machthaber Merkel ein Stück weit mit in den demoskopischen Abgrund. Und man darf schon fragen, ob sich die Kanzlerin in ihrer Flüchtlingspolitik zu sehr vom türkischen Autokraten Erdogan abhängig gemacht hat.

Merkel steckt in einem Dilemma

Und es kommt noch ein zynisches Argument hinzu. Dass Deutschland sich auch bei einer Kündigung des Flüchtlingsabkommens durch die Türkei recht sicher fühlen kann, liegt an der Schließung der Balkan-Route durch Länder wie Mazedonien unter Federführung Österreichs. Selbst wenn die Zahl an Flüchtlingen, die den Weg von der Türkei zu den griechischen Inseln wählen, wieder deutlich anschwillt, ist Deutschland erst einmal nicht betroffen. Die Hauptlast hätte Griechenland zu tragen. Das empfinden viele als wenig solidarische Politik.

Trotz reicht nicht

Merkels Flüchtlingspolitik steckt also im Dilemma. Sie hält weiter an ihrem humanitären Weg fest. Darin zeigt sie Festigkeit und Unerschütterlichkeit. Eine Eigenschaft, die sonst bei Politikern wenig anzutreffen ist. Es fehlt ihr aber die Flexibilität, diesen Anspruch so zu formulieren, dass nicht alle nach Deutschland kommen können, die mühselig und beladen sind. Sie muss aber auf alle Fälle verhindern, dass Menschen als Wirtschaftsflüchtlinge hier einreisen. So groß die Not dieser Menschen in ihren jeweiligen Heimatländern auch ist: Zunächst sollten die Vorrang haben, die durch Bürgerkriege direkt bedroht sind und nirgends sonst Schutz finden.

Es wird Merkel deshalb nichts anderes übrig bleiben, als die Menschen, die in Not zu uns kommen, zunächst in den sogenannten Hot Spots unterzubringen und dort ihre Einreiseberechtigung zu prüfen. Ob sie dann ihr trotziges "Wir schaffen das" ständig als Mantra der Willkommenskultur einsetzen sollte, ist eher zweifelhaft. Sie macht sich damit stärker angreifbar als nötig ist.

(kes)
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