Deutsch-türkisches Verhältnis Empörung über Erdogans Nazi-Vergleich

Düsseldorf · Der türkische Präsident brüskiert die Bundesregierung. Der Streit um Auftrittsverbote für türkische Politiker eskaliert.

 Erdogan bei seinem Auftritt am Sonntag in Istanbul.

Erdogan bei seinem Auftritt am Sonntag in Istanbul.

Foto: afp, OZN

Im Streit um Auftritte türkischer Regierungspolitiker in Deutschland hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan den Ton deutlich verschärft: "Deutschland, du hast in keinster Weise ein Verhältnis zur Demokratie und du solltest wissen, dass deine derzeitigen Handlungen nichts anderes sind als das, was in der Nazi-Zeit getan wurde", sagte Erdogan am Sonntag in Istanbul. Damit brüskiert Erdogan die Bundesregierung, die sich zuletzt um Mäßigung bemüht hatte, und legt es auf eine Eskalation der Auseinandersetzung an. Im Kern geht es um die Frage, ob Politikern aus Ankara in Deutschland Werbeauftritte für jenes Referendum erlaubt werden, das Erdogan noch mehr Macht verleihen würde.

Noch kurz vor Erdogans neuerlichen Angriffen hatte Bundesaußenminister Sigmar Gabriel davor gewarnt, aus politischen Meinungsverschiedenheiten Hass und Unverständnis entstehen zu lassen. Kanzlerin Angela Merkel hatte am Samstag mit dem türkischen Regierungschef Binali Yildirim telefoniert. Der sprach danach von einem guten und produktiven Meinungsaustausch und kündigte einen anderen künftigen Umgang miteinander an.

"Ihr erteilt uns Lektionen in Demokratie, aber lasst unsere Minister keine Reden halten", sagte Erdogan gestern stattdessen und fügte hinzu: "Wir werden über Deutschlands Verhalten auf der internationalen Bühne sprechen und sie vor den Augen der Welt beschämen. Wir wollen die Nazi-Welt nicht mehr sehen. Nicht ihre faschistischen Taten. Wir dachten, dass diese Ära vorbei wäre, aber offenbar ist sie es nicht."

Scharfe Reaktion aus der Union

Während die Bundesregierung Vorwürfe Erdogans nicht kommentierte, sagte Unions-Fraktionschef Volker Kauder: "Das ist ein unglaublicher, nicht akzeptabler Vorgang, dass der Präsident eines Nato-Mitglieds sich so über ein anderes Mitglied äußert - und vor allem einer, der mit dem Rechtsstaat ja erhebliche Probleme hat." CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer bezeichnete Erdogan in der "Passauer Neuen Presse" als "Despoten vom Bosporus". Der Nazi-Vergleich bezeichne einen Tiefpunkt der deutsch-türkischen Beziehungen und verlange nach einer Entschuldigung.

Erdogan hatte am Freitagabend bereits empörte Reaktionen in Deutschland ausgelöst, als er den "Welt"-Journalisten Deniz Yücel, der in der Türkei seit gut zwei Wochen festgehalten wird, als einen deutschen Agenten bezeichnete. Der türkische Außenminister Mevlut Cavusoglu will noch in dieser Woche mit Gabriel über die Spannungen sprechen.

Der türkische Wirtschaftsminister Nihat Zeybekci trat unterdessen gestern erst in Leverkusen und später in Köln auf, wo er für das Referendum warb. "Ich habe ein Geschenk für euch: den Gruß von Erdogan, dem Mann des Volkes", begann der Minister seine Rede. Als er Deutschland als ein befreundetes Land bezeichnete, reagierte das Publikum mit lautem Gelächter. Zeybekci verwies auf einen türkischen Dichter: "Wir müssen uns an Yunus Emre halten: wir wollen Freunde gewinnen." Die Vorgehendweise gegen mutmaßliche Sympathisanten des Putschversuchs vom 15. Juli rechtfertigte Zeybekci mit dem Verweis auf die Hunderttausende Entlassungen nach dem Fall der Mauer in Deutschland. Auch damals, so Zeybekci, hätte man den Beamtenapparat neu aufgestellt und die Beamten aus dem Dienst entfernt.

(jd)
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