Interview mit Ministerin Leutheusser-Schnarrenberger "Datendiebstahl soll strafbar sein"

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) spricht im Interview mit unserer Redaktion über ein Gesetz gegen Datenhehlerei, die Blockadehaltung der Opposition zum geplanten Steuerabkommen mit der Schweiz, den Umbau der Sicherheitsbehörden und die Kampagne der Regierung gegen Islamisten.

Wie geht das mit der Selbstanzeige?
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Foto: AP

Können Sie als Bayerin die CSU verstehen?

Leutheusser-Schnarrenberger Die CSU versucht, ihre Positionen unmissverständlich zu besetzen und sich abzugrenzen. Das klappt aber nicht mehr so wie in den 80er und 90er Jahren. Das Ziel, die absolute Mehrheit zu erreichen, wird mit der Polarisierung nicht gelingen.

Sie kritisieren den Ankauf von Steuer-CDs. Können Sie dagegen juristisch etwas unternehmen?

Leutheusser-Schnarrenberger Der Ankauf bewegt sich in einem hochproblematischen Graubereich, nicht nur ethisch-moralisch, sondern auch juristisch. Die Rechtslage ist da für mich auch nicht immer einleuchtend. Wer seinem Arbeitgeber den CD-Rohling entwendet, auf dem er dann die Daten speichert, macht sich wegen des Diebstahls des Rohlings selbst unzweifelhaft strafbar. Das gilt grundsätzlich ebenso unzweifelhaft für denjenigen, der die CD erwirbt, aber eben nur wegen der Centbeträge für den Rohling, nicht für die Daten. Ob das so bleiben kann, sollten wir schon prüfen.

Sie planen ein Gesetz gegen Datenhehlerei?

Leutheusser-Schnarrenberger Ich unterstütze meinen hessischen Kollegen Jörg-Uwe Hahn, der eine Gesetzesinitiative gegen Datenhehlerei auf den Weg bringen will. Er plädiert für eine Strafbarkeit des Ankaufs und Erwerbs illegal erhobener Daten. Das ist auch unabhängig von Steuer-CDs heute ein wichtiges Thema, weil in unserer vernetzten Welt Daten wirtschaftlichen Wert repräsentieren und in dieser Hinsicht genauso geschützt werden müssen wie andere kommerziell verwertbare Güter.

Wer wird denn angeklagt, wenn eine Landesregierung Steuer-CDs kauft?

Leutheusser-Schnarrenberger Im Strafrecht gibt es immer nur eine Verantwortlichkeit von einzelnen Personen. Eine Schlagzeile, dass ich über eine Gesetzesänderung ein Strafverfahren gegen den nordrhein-westfälischen Finanzminister in Gang setzen will, bekommen Sie nicht — schon deshalb nicht, weil im Strafrecht bekanntlich das Rückwirkungsverbot gilt. Vielmehr soll für die Zukunft diskutiert werden, ob Regelungslücken im Umgang mit illegal erworbenen Daten bestehen.

Könnte man sich die Steuer-CDs dann noch schenken lassen?

Leutheusser-Schnarrenberger Das wird man im Gesetzgebungsverfahren erörtern müssen.

Bislang ist es der Bundesregierung wegen der Blockade der Opposition nicht gelungen, ein Steuerabkommen mit der Schweiz zu schließen. Was ist die Alternative?

Leutheusser-Schnarrenberger Es gibt keine Alternative. Solange wir kein Steuerabkommen haben, besteht auch keine Chance, von der Schweiz Informationen über Steuerbetrüger aus Deutschland zu bekommen. Mit dem Abkommen wollten wir eine legale Grundlage schaffen, um Steuerhinterziehung zu bekämpfen. Ich finde es unverantwortlich, dass SPD und Grüne das Steuerabkommen aus populistischen Gründen scheitern lassen.

Wer soll sich nach den Ermittlungspannen bei der rechtsterroristischen NSU um gewaltbereite Extremisten kümmern — der Verfassungsschutz vom Bund oder aus den Ländern?

Leutheusser-Schnarrenberger Wir haben aus gutem Grund Verfassungsschutzbehörden in Bund und Ländern. Grundsätzlich soll das auch so bleiben, weil man vor Ort näher am Geschehen ist. Die Zusammenarbeit muss aber verbessert werden. Es ist eine Selbstverständlichkeit, die Zusammenarbeit zu verbessern. Und es ist nur ein erster Schritt, dass mehr Informationen untereinander ausgetauscht werden sollen. Nicht jedes kleine Land muss über eine eigene Verfassungsschutzbehörde verfügen. Leider sind die Länder bislang nicht bereit, etwas an ihren Strukturen zu ändern.

Wie viele Verfassungsschutzämter auf Landesebene sind notwendig?

Leutheusser-Schnarrenberger Es gibt in den Ländern Verfassungsschutzbehörden, die sind Teil eines Innenministeriums oder eines Innensenats und nur mit wenigen Leuten besetzt. Sie haben oft nur sehr begrenzte Möglichkeiten. Die Verfassungsschutzbehörden dieser Länder, zum Beispiel im Norden Deutschlands, sollten sich im Interesse ihrer Arbeit zusammenschließen. Gemeinsam werden sie effizienter.

Was muss auf Bundesebene geschehen?

Leutheusser-Schnarrenberger Wir müssen die parlamentarische Kontrolle des Verfassungsschutzes verbessern. Wir brauchen einen gesetzlichen Rahmen für den Einsatz von V-Leuten. Es wäre sinnvoll, wenn wir eine grundlegende Reform des Verfassungsschutzes machen könnten.

Wie kann das Parlament den Verfassungsschutz besser kontrollieren?

Leutheusser-Schnarrenberger Bislang kann das Parlament immer nur um Aufklärung bitten, wenn etwas passiert ist oder es über Missstände aus den Medien erfährt. Es geht darum, dass die parlamentarischen Kontrollgremien ohne Anlass und permanent den Verfassungsschutz zu seiner Arbeit befragen können.

Sollte es einen erneuten Anlauf zum NPD-Verbot geben?

Leutheusser-Schnarrenberger Die Innenminister sammeln Material zur NPD. Wir sollten uns aber nur in ein erneutes Verbotsverfahren begeben, wenn wir sicher sind, dass wir am Ende Erfolg haben werden. Ich kann im Moment nicht beurteilen, ob die Innenminister bis Ende des Jahres dafür genug verwertbares Material zusammentragen werden.

Was halten Sie von der Kampagne des Innenministers gegen Islamisten?

Leutheusser-Schnarrenberger Mit der Kampagne soll die neu eingerichtete Beratungsstelle im Kampf gegen den Islamismus des Bundes bekannt gemacht werden. Die Anlaufstelle ist nützlich. Von Seiten der Muslime wird die Kampagne als einseitige Stigmatisierung wahrgenommen.

Wegen der Aufmachung der Plakate?

Leutheusser-Schnarrenberger Es war sicher nicht die Absicht des Innenministeriums, Menschen vor den Kopf zu stoßen. Vielmehr will man möglichst viele Menschen ansprechen, um gewaltbereiten religiösen Fanatikern das Handwerk zu legen. Angesichts der Kritik sollte man das Gespräch suchen. Am Ende sollte man ja gemeinsam etwas erreichen.

Eva Quadbeck fasste das Gespräch zusammen.

(qua)
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