Von Minderheitsregierung bis Neuwahlen Das wollen Google-Nutzer zum Jamaika-Aus wissen

Düsseldorf · Warum ist Jamaika gescheitert? Wie funktionieren Neuwahlen und was kosten sie? Fragen wie diese stellten sich Google-Nutzer kurz nach dem Abbruch der Sondierungsgespräche. Wir beantworten zehn der häufigsten Suchanfragen.

 Angela Merkel und Horst Seehofer kurz nach dem Aus der Jamaika-Sondierungen.

Angela Merkel und Horst Seehofer kurz nach dem Aus der Jamaika-Sondierungen.

Foto: dpa, hpl

Seit Sonntagnacht ist es klar: Die wochenlangen Sondierungen für eine mögliche Jamaika-Koalition sind gescheitert. Politik und Wähler stehen vor der Frage, wie es nun weitergeht. Neuwahlen? Eine Minderheitsregierung? Oder vielleicht doch noch eine große Koalition?

Google-Nutzer interessieren aber noch ganz andere Dinge im Zusammenhang mit dem Abbruch der Verhandlungen. Google hat zehn Fragen zusammengestellt, für die sich seit dem Aus von Jamaika noch mehr Menschen interessieren.

FDP-Chef Christian Lindner begründete den Abbruch der Verhandlungen mit fehlendem Vertrauen. Es sei den Gesprächspartnern nicht gelungen, eine Vertrauensbasis oder eine gemeinsame Linie für die Modernisierung des Landes zu finden. Die Kanzlerin dagegen hatte dagegen Fortschritte und gemeinsame Linie gesehen. Letztlich konnten sich CDU, CSU, FDP und Grüne in wichtigen Punkten nicht auf eine gemeinsame Linie verständigen. Zu den Knackpunkten zählten bis zum Schluss die Klima- und die Zuwanderungspolitik, aber auch das Thema Finanzen.

Für die FDP ist der Versuch, auf Bundesebene eine Jamaika-Koalition zu installieren, zu Ende. Doch der Bundespräsident, dem in diesen Tagen eine Schlüsselrolle zukommt, will da noch ein Wörtchen mitreden. Frank-Walter Steinmeier kündigte an, in den kommenden Tagen nicht nur Gespräche mit den an den Sondierungen beteiligten Parteivorsitzenden führen zu wollen. Er wolle auch mit den Parteien sprechen, bei denen programmatische Schnittmengen eine Regierungsbildung nicht ausschließen. In letztem Fall dürfte vor allem die SPD gemeint sein, die eine große Koalition als weitere Option nach wie vor ablehnt. Steinmeier aber sagt, Neuwahlen seien nicht der Ausweg. Am heutigen Dienstagnachmittag jedenfalls empfängt er FDP-Chef Christian Lindner zum Gespräch.

Wenn Neuwahlen angesetzt würden, dann wäre das nichts anderes als eine neue Bundestagswahl - aber natürlich unabhängig von den Ergebnissen der letzten Wahl im September. Spannend dürfte werden, wie sich der Abbruch der Jamaika-Verhandlungen und auch die Absage der SPD an eine große Koalition auf die Wahlergebnisse der jeweiligen Parteien auswirken würden.

Das Grundgesetz hat dafür hohe Hürden aufgebaut. So wäre eine Neuwahl erst nach einer Kanzlerwahl möglich. Grundsätzlich muss das Parlament aufgelöst werden, um überhaupt Wahlen durchführen zu können. Kanzlerin Angela Merkel kann dies aber nicht mehr tun, in dem sie die Vertrauensfrage stellt, weil sie nur noch geschäftsführend im Amt ist. Somit kommt Artikel 63 des Grundgesetzes ins Spiel - und damit die Kanzlerwahl. Der Bundespräsident schlägt dem Parlament dabei Merkel als Kandidatin vor (er könnte theoretisch aber auch andere Personen ins Spiel bringen). Das Parlament stimmt dann über die Personalie ab.

Im dritten Wahlgang würde Merkel sogar eine einfache Mehrheit reichen, um gewählt zu werden. Würde Merkel gewählt, dann wäre aber wieder der Bundespräsident am Zug. Denn er entscheidet, ob er eine Minderheitsregierung zulässt (indem Merkel erneut Kanzlerin wird) oder er löst das Parlament auf. Für diese Entscheidung hat er sieben Tage Zeit. Entscheidet er sich für das Auflösen des Parlaments, dann muss innerhalb von 60 Tagen neu gewählt werden.

Das lässt sich nicht genau beziffern, aber es dürfte ähnlich teuer werden wie die Bundestagswahl im September. Denn wieder müssten Wahlbenachrichtigungen gedruckt und verschickt werden, wieder würde es Wahlzettel und Helfer, die ein "Erfrischungsgeld" erhalten, brauchen. Noch sind die Kosten für die vergangene Wahl nicht bekannt, ein Sprecher des Innenministeriums geht aber davon aus, dass sie sich auf 92 Millionen Euro beziffern dürften. Die Wahl 2013 hat noch 77 Millionen gekostet. Ein Grund für die Erhöhung: gestiegene Portokosten.

Das ist eine Regierung ohne Mehrheit im Parlament. Eine Option, der Merkel kaum zugeneigt sein dürfte. Denn ohne Mehrheit lassen sich Gesetze schwieriger durchbringen. Die Minderheitsregierung müsste für Abstimmungen Verbündete beim politischen Gegner suchen, was gerade bei umstrittenen Themen schwierig werden dürfte. In anderen Ländern sind solche Regierungen durchaus üblich, im Bundestag kam das aber bisher nicht vor. Auf Länderebene dagegen schon - unter anderem 2010 die rot-grüne Minderheitsregierung unter Hannelore Kraft (SPD).

Aktuell sähe es so aus: Würden Union und FDP eine Minderheitsregierung eingehen, dann fehlten zur Mehrheit 29 Sitze, bei Union und Grünen würden 42 Sitze fehlen.

Das steht noch nicht fest, weil Neuwahlen noch keine beschlossene Sache sind. Erst will Bundespräsident Steinmeier in Gesprächen mit den Parteispitzen ausloten, wie es anders könnte. Fest steht nur: Sollte das Parlament aufgelöst werden, dann müsste innerhalb von 60 Tagen gewählt werden.

So bezeichnet man ein Regierungsbündnis aus CDU, CSU, FDP und Grünen. Hintergrund sind die Farben, mit denen die Parteien dargestellt werden: also schwarz für die Union, gelb für die FDP und grün für die Grünen. Diese Farben beinhaltet auch die Landesflagge von Jamaika. Und so wurde das Land zum Symbol für diese Koalitionsvariante.

Eine Urwahl findet dann statt, wenn zum Beispiel die Mitglieder einer Partei selbst über ihren Vorsitzenden abstimmen können. Üblicherweise ist dies nicht der Fall, sondern Delegierte stimmen auf einem Parteitag über die Vorsitzenden ab. Vermutlich suchten Google-Nutzer danach, weil Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner am Wochenende die Urwahl ins Gespräch brachte im Zusammenhang mit der Nachfolge von CSU-Chef Horst Seehofer, dessen Zukunft gerade in der Zeit der Jamaika-Sondierungen Diskussionsstoff war.

Sondieren bedeutet laut Duden erkunden oder erforschen. Und genauso verhält es sich bei den Sondierungsgesprächen. Die Parteien tasten sich quasi gegenseitig ab, schauen, wie die Stimmung untereinander ist, ob man miteinander arbeiten könnte und wie weit man in Positionen überhaupt auseinanderliegt. Das dient als Grundlage für die Koalitionsverhandlungen, in denen schließlich konkrete Ziele und Gesetzesvorhaben beschlossen und im Koalitionsvertrag festgehalten werden.

(das)
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