Armenier über Resolutionsdebatte "Das ist peinlich und chaotisch"

Düsseldorf · Keine Distanzierung, aber auch kein Bekenntnis – das Verhalten der Bundesregierung in Bezug auf die Armenien-Resolution enttäuscht die Vertreter der Armenier in Deutschland. Das sei peinlich und chaotisch, heißt es.

 Die Armenien-Resolution hatte die Spannungen zwischen Deutschland und der Türkei verschärft.

Die Armenien-Resolution hatte die Spannungen zwischen Deutschland und der Türkei verschärft.

Foto: dapd, Oliver Lang

Keine Distanzierung, aber auch kein Bekenntnis — das Verhalten der Bundesregierung in Bezug auf die Armenien-Resolution enttäuscht die Vertreter der Armenier in Deutschland. Das sei peinlich und chaotisch, heißt es.

 Regierungssprecher Steffen Seibert äußert sich am Freitag in der Bundespressekonfernz zur Armenien-Resolution.

Regierungssprecher Steffen Seibert äußert sich am Freitag in der Bundespressekonfernz zur Armenien-Resolution.

Foto: dpa, nie jhe

Auch wenn die Bundesregierung sich offiziell nicht von der Armenien-Resolution distanzieren möchte, für die armenischen Interessenverbände in Deutschland kommt das Dementi einer Distanzierung gleich. "Die Distanzierung von der Distanzierung. Das ist peinlich und chaotisch", sagt Samuel Lulukyan vom Zentralrat der Armenier. "Wie kann die Armenien-Resolution keine rechtliche Bindung haben? Das ist Spielerei mit Worten."

Lulukyan ist im Vorstand des Zentralrats der Armenier in Deutschland. "In der Resolution geht es um die deutsche Mitverantwortung am Völkermord der Armenier, es geht um die Geschichte, um das, was in den Schulbüchern steht, wie kann das keine rechtliche Wirkung haben", sagt er gegenüber unserer Redaktion. Es sei absurd, dass die Resolution des Bundestags keine Bedeutung für die Politik der Bundesregierung haben soll.

Regierungssprecher Steffen Seibert hatte sich am Freitag in der Bundespressekonferenz zur Armenien-Resolution des Bundestages geäußert. Die Bundesregierung distanziere sich nicht von der Resolution, aber sie habe keine rechtliche Bindung für die Bundesregierung.

Der Bundestag hatte anlässlich des 100-jährigen Gedenkens an den Völkermord der Armenier am 2. Juni 2016 einen Text verabschiedet. In dem Text, der von den Fraktionsvorsitzenden der Union, der SPD und der Grünen unterzeichnet ist, heißt es: "Der Bundestag bekennt sich zur besonderen historischen Verantwortung Deutschlands." Es gehe um die Mitverantwortung des Deutschen Reiches als Hauptbündnispartner des Osmanischen Reichs, betonte Lulukyan. Mehr als eine Million Menschen sind nach Berechnungen von Experten bei den Massakern ums Leben gekommen. Bei der Abstimmung im Bundestag waren weder die Bundeskanzlerin Angela Merkel noch Vizekanzler Sigmar Gabriel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (beide SPD) anwesend.

Das sei enttäuschend gewesen, sagte Lulukyan. Und nun das. "Das Verhalten der Regierung nun stärkt das Lager der Genozid-Leugner."

Der Vorsitzende der Deutsch-Armenischen Gesellschaft (DAG), Raffi Kantian, war ebenfalls überrascht vom Vorgehen der Bundesregierung. "Ich hätte mir gewünscht, dass nach einer Reihe von guten Entwicklungen die Bundesregierung wenigstens stillhält und die Resolution nicht beschädigt durch eine öffentliche Äußerung."

Er befürchtet nun, dass die Bundesländer weniger Anlass haben, das Thema "Armenischer Völkermord" im Schulunterricht zu besprechen. Der Bundestag hatte in der Resolution angeregt, dass in Bildungseinrichtungen über den Völkermord gesprochen werde. Bislang ist das Thema nur in Brandenburg Bestandteil des Unterrichts und das schon seit 2002, drei Jahre vor der ersten Resolution des Bundestags zum Armenischen Völkermord. Sachsen-Anhalt hat bereits ein Konzept erarbeitet, das aber noch nicht angewendet wird.

Auch auf Twitter äußerten sich Politiker wie Sahra Wagenknecht (Die Linke) zum Auftritt des Regierungssprechers.

Christian Lindner, der FDP-Fraktionsvorsitzende im Düsseldorfer Landtag, fand ebenfalls deutliche Worte auf Twitter.

(heif)
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