Wichtige Fragen und Antworten Das neue Schulsystem in NRW

Düsseldorf (RP). Rot-Grün und die CDU haben sich auf einen zwölfjährigen Schulfrieden für das Land geeinigt. Kern ist die Einführung einer neuen Schulform – der Sekundarschule. Sie ersetzt das rot-grüne Projekt Gemeinschaftsschule. Der Trend zum zweigliedrigen Schulsystem dürfte dennoch anhalten.

NRW-Politiker schließen Schulfrieden
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Düsseldorf (RP). Rot-Grün und die CDU haben sich auf einen zwölfjährigen Schulfrieden für das Land geeinigt. Kern ist die Einführung einer neuen Schulform — der Sekundarschule. Sie ersetzt das rot-grüne Projekt Gemeinschaftsschule. Der Trend zum zweigliedrigen Schulsystem dürfte dennoch anhalten.

Zwölf Jahre soll er halten, mindestens — der "Schulpolitische Konsens", den SPD, Grüne und CDU in NRW vorgelegt haben. Die drei Parteien haben sich auf eine große Lösung geeinigt, inklusive einer neuen Schulform und einer Verfassungsänderung. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Wer hat sich durchgesetzt?

Keiner — und alle ein bisschen. Rot-Grün hat eine Schule durchgesetzt, in der alle länger gemeinsam lernen: die "Sekundarschule". Der alte Name "Gemeinschaftsschule" dagegen ist gestrichen, ebenso der Plan, dass die neuen Schulen eine eigene Oberstufe anbieten. Die CDU hat eine grundsätzliche Garantie für ein gegliedertes Schulsystem erreicht — auch wenn Realschule und Gymnasium nicht explizit in der Verfassung erwähnt werden.

Was macht die neue Schulform "Sekundarschule" aus?

In der Sekundarschule gehen das rot-grüne Projekt Gemeinschaftsschule und das Konzept der von Schwarz-Gelb 2006 eingeführten Verbundschule auf, in der Haupt- und Realschulen zusammenarbeiten. Die mindestens dreizügige Sekundarschule umfasst die Schuljahre 5 bis 10, also die Sekundarstufe I. In Klasse 5 und 6 wird gemeinsam gelernt, danach kann, muss aber nicht differenziert werden. Jede Sekundarschule kooperiert mit der Oberstufe eines Gymnasiums, einer Gesamtschule oder eines Berufskollegs. "95 Prozent von dem, was die Gemeinschaftsschule vorsah, werden nun möglich", sagt Ernst Rösner vom Institut für Schulentwicklungsforschung an der Uni Dortmund.

Wird eine Schulform bevorzugt?

Das war im Vorfeld einer der großen Streitpunkte — die Gemeinschaftsschule sollte gegenüber den anderen Schularten deutlich bessergestellt werden. Für die Sekundarschule gelten nun eine Lehrer-Wochenarbeitszeit von 25,5 Stunden (wie am Gymnasium) und als Klassen-Richtgröße 25 Schüler. An Realschule, Gymnasium und Gesamtschule sind es derzeit noch 28. Der Wert soll aber auf 26 sinken.

Für wen ist die neue Schule attraktiv?

Für Kommunen, die wegen des allgemeinen Rückgangs der Schülerzahlen Gefahr laufen, keine eigene weiterführende Schule mehr anbieten zu können und die das Eltern-Interesse jetzt auf die Sekundarschule bündeln können — ähnlich wie schon zuvor bei der Gemeinschaftsschule. Damit ist die neue Schule auch für Eltern interessant, die ihre Kinder am Ort unterrichten lassen wollen, statt sie mit dem Bus in die nächste Stadt zum Gymnasium oder zur Gesamtschule zu schicken — und natürlich für solche Eltern, die sich vom längeren gemeinsamen Lernen Vorteile für ihr Kind versprechen.

Was wird aus den Gemeinschaftsschulen, die im Sommer starten sollen?

Sie genießen zunächst Bestandsschutz — zwölf gehen an den Start. Innerhalb der nächsten sechs Jahre (das ist die Laufzeit des Schulversuchs) müssen sie sich allerdings in das neue System integrieren und sich in eine Sekundar- oder Gesamtschule umwandeln.

Was wird aus dem geplanten Schulversuch, an bis zu 15 Schulen gemeinsames Lernen von Klasse 1 bis 10 anzubieten?

Der Versuch ist Teil des Konsenses und soll nach Angaben des Ministeriums ab 2013 angeboten werden.

Was ist mit Haupt- und Realschulen?

Die Hauptschule wird nicht abgeschafft, ihre Garantie in der Verfassung aber getilgt. Auch die Realschule bleibt, muss sich allerdings der Konkurrenz mit der Sekundarschule stellen. Die 25 Verbundschulen können erhalten bleiben.

Bekommt Nordrhein-Westfalen jetzt ein sechsgliedriges Schulsystem?

Mittelfristig ja — neunjähriges und achtjähriges Gymnasium, Gesamt-, Sekundar-, Real- und Hauptschule stehen nebeneinander, dazu kommen die Förderschulen. Aber: "Die Hauptschule wird verschwinden", prophezeit Bildungsforscher Rösner, weil sich die Eltern weiter von ihr abwendeten. Danach drohe der Realschule derselbe Prozess. Peter Silbernagel, Vorsitzender des Philologenverbands NRW, sagt: "Eine Realschule mit Profil und eigener Identität wird nicht so schnell aufgeben." Er bezweifle aber, "ob wir in zehn Jahren noch Hunderte Realschulen haben".

Also doch ein zweigliedriges System?

Gut möglich, dass der Kompromiss den Zug zur Zweigliedrigkeit (Gymnasium plus X) wegen des Drucks auf Haupt- und Realschule langfristig beschleunigt. Udo Beckmann vom Verband Bildung und Erziehung vermutet, dass das NRW-System "in die Zweigliedrigkeit mündet, allerdings nicht auf Befehl von oben". Rösner hält die Zweigliedrigkeit gar für den "Megatrend".

(RP)
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