CSU-Parteitag Merkel und Seehofer kämpfen gegen ein Trauma

Beim CSU-Parteitag in Nürnberg wird CDU-Chefin Angela Merkel nach zwei konfliktreichen Jahren zwischen den Schwesterparteien mit höflichem Applaus begrüßt. Dann inszeniert sie mit CSU-Chef Horst Seehofer etwas Originelles.

 Angela Merkel und Horst Seehofer am Freitag in Nürnberg.

Angela Merkel und Horst Seehofer am Freitag in Nürnberg.

Foto: dpa, shp soe

Es hat etwas von Psychotherapie, Abteilung Überwindung von Traumatisierungen. Beim CSU-Parteitag 2017 in Nürnberg stellen CSU-Chef Horst Seehofer und CDU-Chefin Angela Merkel die Szenerie vom CSU-Parteitag in München 2015 exakt nach: Er am Rednerpult nach ihrer Rede, sie mit verschränkten Armen daneben. Damals stellte er sie in den Senkel, ließ sie wie ein kleines Schulmädchen wirken, das sich eine Standpauke in Sachen Flüchtlingspolitik anhören musste. Das bewirkte Verletzungen bei der CDU und auch Verärgerung in der CSU. Jetzt grinsen sie beide, so als hätten sie bei ihrem vorbereitenden Vier-Augen-Gespräch in den Kulissen eine tolle Idee gehabt, um diese peinliche Phase zu überwinden.

CSU-Vize Angelika Niebler hat die Antragsberatungen der CSU zwar mit der Ankündigung vom Einzug der Kanzlerin und der Bemerkung unterbrochen, es sei eine "gute Tradition, dass die Parteivorsitzende der CDU zur CSU kommt". Doch dann wird schnell klar, dass es nach dem Tiefpunkt 2015 und der Pause 2016 noch nicht so ist wie früher, als der CSU-Chef regelmäßig befürchten musste, von Merkel die Show gestohlen zu bekommen. Vergleichsweise verhaltenes Klatschen, vereinzelte Pfiffe, dann wartet Merkel auch schon am Mikrofon.

Ihr erster Satz soll die Spannung nehmen: "Ob Sie es glauben oder nicht, ich freue mich richtig, wieder auf einem CSU-Parteitag zu sein." Das Echo ist nicht berauschend. Auch bei ihren nächsten Feststellungen. Dass es sich CDU und CSU in den letzten zwei Jahren nicht einfach gemacht hätten, dass sich das auch auf die Bundestagswahl ausgewirkt habe, dass beide Parteien immer dann stark gewesen seien, wenn sie sich einig gewesen seien. Höflicher Beifall auch zu Merkels Ankündigung, die Parteifreunde in ihrem Landtagswahlkampf in Bayern zu unterstützen.

Sie bietet Markus Söder, dem künftigen bayerischen Ministerpräsident eine gute Zusammenarbeit an, begrüßt den SPD-Beschluss, in Sondierungen mit der Union einzutreten. "Ich habe vor diesem Schritt großen Respekt, wenn ich den Weg sehe, den die Sozialdemokraten seit dem 24. September gegangen sind", stellt sie fest. Dann skizziert sie die Weichenstellungen für Deutschland, damit die Menschen darin in fünf und zehn Jahren in Wohlstand, Stabilität und Sicherheit leben könnten. Den AfD-Wählern werde die Union zeigen, dass sie auf Lösungen und nicht auf Scheinlösungen setze.

18 Minuten redet die Kanzlerin, als sie auf die unterschiedlichen Gegebenheiten in Deutschland zu sprechen kommt, auf die es unterschiedliche Antworten zu geben gelte, als es langanhaltenden Beifall gibt. Verwundert hält sie inne. "Gab es gerade ein Twitter-Signal, mal zu klatschen? Oder was ist passiert?", fragt sie. Offenbar gab es einen Ruck unter der Mehrheit der Delegierten, denn nun häuft sich der Applaus. So als Merkel im Zusammenhang mit den Herausforderungen der Pflege die "eigentlichen Helden unserer Gesellschaft, meistens Frauen" lobt.

Sie spricht die besondere Bedeutung der Kommunalpolitiker an, kündigt einen "Pakt für Justiz" an, damit wieder mehr Menschen einen funktionierenden Rechtsstaat erleben könnten. Wo immer nötig, werde die Union auch die Gesetze verschärfen - mit der Ansage an kriminelle Flüchtlinge: "Ihr habt keine Möglichkeit, Euch bei uns aufzuhalten."

"Ich freue mich, dass Du da bist"

Dann versucht sie es selbst mit Ironie, spricht den "lieben Horst" an und enthüllt, dass sie in der Vergangenheit mit Blick auf ihr spezielles Verhältnis die Platte aufgelegt habe: "Marmor, Stein und Eisen bricht, aber unsere Liebe nicht", und dass es "fast wieder so weit" gewesen sei. Ihre Schlussansage: Die "Schwächephase" hätten CDU und CSU nun hinter sich, nun komme die "Bereicherungsphase".

Nach einer knappen halben Stunde hält es die Kanzlerin für genug, unter langanhaltendem Beifall geht Seehofer zu ihr auf die Bühne und beginnt damit, die Szene von vor zwei Jahren nachzustellen. Feixend arbeiten sie ihre damalige Körpersprache ab. Seehofer greift Merkels ersten Satz auf und variiert ihn leicht: "Auch wenn Du es mir nicht glaubst, ich freue mich, dass Du da bist."

Seehofer betont Geschlossenheit

Auf einem kleinen Zettel hat er sich drei Stichworte notiert: Geschlossen. Erfolgreich. Einzigartig. CDU und CSU seien "geschlossen wie schon lange nicht mehr", stellt Seehofer fest und berichtet, dass beide Parteien in vierwöchigen Jamaika-Verhandlungen "total geschlossen" vorgegangen und alle Kernpunkt durchgesetzt hätten, wenn denn Jamaika gekommen wäre. Die Ergebnisse der Bundestagswahlen seien zwar "keine Freude" gewesen, aber vier Landtagswahlen hätten zu CDU-Regierungsbeteiligungen geführt, und auch nach der Bundestagswahl könne ohne die Union nicht regiert werden - "und auch nicht ohne die CSU", erklärt Seehofer. Und dann seien CDU und CSU auch "einzigartig", da sie allein handlungsfähig, regierungsfähig und auch regierungswillig seien. Schluss. Blumen. Applaus. Viele Delegierte stehen zum Beifall auf. Aber längst nicht alle.

Zuvor hat der Parteitag gegen die Empfehlung der Antragskommission ein weiteres Zeichen für noch mehr Harmonie zwischen den Schwesterparteien gesetzt: Künftig kann jedes CDU-Mitglied auch in die CSU eintreten. So wie es die CDU längst in ihrem Statut für die CSU zulässt. Volker Kauder hört es mit Freude, ist er doch traditionell als Ehrenmitglied Gast der CSU-Veranstaltungen. Ob er nun auch ordentliches Mitglied wird? "Ich lass mir meinen Status als Ehrenmitglied doch nicht nehmen", verrät er.

Am Samstag wird die CSU die personelle Neuaufstellung beschließen: Seehofer macht als CSU-Chef weiter, räumt im Frühjahr aber die Staatskanzlei, damit Markus Söder Ministerpräsident werden kann. Die CSU wird ihn in Nürnberg zum Spitzenkandidaten wählen. Sie waren nie die größten Freunde und gehen auch relativ ehrlich in Nürnberg damit um. Als erstes wird Seehofer beim Parteitag begrüßt. Er steht auf, Söder sitzt daneben und klatscht, während er konzentriert auf sein Handy schaut. Dann wird Söder begrüßt. Er steht auf, während Seehofer daneben sitzt. Und nicht klatscht.

(may)
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