FDP-Chef Lindner beim NRW-Parteitag "Erst die Haltung, dann der Dienstwagen"

Christian Lindner verteidigt den Abbruch der Jamaika-Verhandlungen, platziert einen Seitenhieb gegen Armin Laschet und trifft auf dem NRW-Parteitag auf großen Rückhalt. Im Anschluss wurde Joachim Stamp zu seinem Nachfolger als Chef der Landespartei gewählt.

 "Es hat eben nicht funktioniert": Christian Lindner.

"Es hat eben nicht funktioniert": Christian Lindner.

Foto: dpa, obe cul

Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner hat die Entscheidung zum Abbruch der Sondierungsgespräche in Berlin auf dem außerordentlichen Parteitag in Nordrhein-Westfalen verteidigt. "Erst muss die Haltung stimmen, dann die Dienstwagen", sagte Lindner vor rund 400 Delegierten in der Neusser Stadthalle. Die gemeinsamen Grundüberzeugungen von Union, Grünen und FDP hätten nicht ausgereicht, um über vier Jahre eine tragfähige Regierung zu stellen. Anders als einige behaupteten, habe es keine Annäherung in den Gesprächen gegeben, sondern man habe sich am Ende sogar deutlich voneinander entfernt.

Lindner gibt NRW-Amt auf

Die Delegierten empfingen den FDP-Chef mit stehendem Applaus. In seiner knapp dreiviertelstündigen Abschiedsrede vor den NRW-Delegierten ging Lindner noch einmal umfassend auf die Gründe für den Abbruch der Sondierungsgespräche ein: "Es fällt schwer, mich für einen einzelnen Punkt zu entscheiden - es hat eben nicht funktioniert." So habe es zwar beim Thema Flüchtlinge eine Annäherung gegeben, bei vielen, vielen anderen Kapiteln aber nicht — etwa bei der Deregulierung des Arbeitsmarkts, beim Solidaritätszuschlag oder beim Kooperationsverbot in der Bildungspolitik.

Beim Thema Energiepolitik platzierte Lindner einen deutlichen Seitenhieb gegen den NRW-Koalitionspartner CDU und Ministerpräsident Armin Laschet, der in Berlin mitverhandelt hatte. Obwohl die schon erzielten Kompromisse in der Energiepolitik in NRW zu Strukturbrüchen führen würden, hätte Laschet nach Angaben von Lindner zugestimmt. Laschet befinde sich in parteipolitischen Zwängen, "das machen wir niemandem zum Vorwurf". NRW dürfe aber nicht zur verlängerten Werkbank von Jamaika werden. "Die Zustimmung hätte uns auch unsere Glaubwürdigkeit in NRW genommen", sagte Lindner.

"Es ist besser, nicht zu regieren als falsch zu regieren"

Auch seine eigene Rolle in einer möglichen Jamaika-Koalition machte Lindner zum Thema: "Vielleicht wäre ich gern einmal Finanzminister geworden, aber ich wäre ein Finanzminister gewesen, der nach Brüssel fährt, ohne ein klares Mandat zu haben." Er hätte nichts bewirken können, so Lindner, weil es keine Einheitlichkeit in einer Jamaika-Koalition gegeben hätte. Der FDP-Chef wiederholte in seiner Rede, die häufig vom Beifall der Delegierten unterbrochen wurde, noch einmal den Satz, den er unmittelbar nach Abbruch der Gespräche verkündet hatte: "Es ist besser, nicht zu regieren als falsch zu regieren."

In der anschließenden Aussprache auf dem Parteitag waren nur ganz vereinzelt kritische Stimmen zu vernehmen. "Ich bin nicht sicher, ob nicht zu hoch gepokert wurde", sagte ein Parteikollege aus Vlotho. Schließlich wäre die FDP nur Juniorpartner in einer Jamaika-Koalition gewesen. Jetzt sitze die Partei im Bundestag in der Opposition neben der AfD. Eine Regierungsbeteiligung wäre doch eine spannende Herausforderung gewesen, sagte der Delegierte.

Stamp mit 92,8 Prozent zum neuen Parteichef gewählt

Lindner-Nachfolger Joachim Stamp ließ in seiner Bewerbungsrede auf dem Parteitag keinen Zweifel daran, dass die Entscheidung zum Abbruch der Jamaika-Gespräche auch aus seiner Sicht die richtige war: "Wir stehen - auch wenn der Wind von vorn kommt - gemeinsam hier", sagte er. Bei den Koalitionsverhandlungen in NRW habe die FDP bewiesen, dass es auch anders gehe. Dabei habe die FDP hier im Land keine Schwierigkeiten gescheut, auch nicht die Übernahme des anspruchsvollen Schulministeriums.

Stamp mühte sich, Lindners Kritik an Laschet die Schärfe zu nehmen. Zwar sei auch er über Äußerungen der NRW-CDU irritiert gewesen. "Aber das soll unsere Zusammenarbeit in NRW nicht belasten, denn die ist in der Sache gut." Um in der Koalition auf Augenhöhe mit Laschet verhandeln zu können, sei es wichtig, dass er als Vize-Ministerpräsident künftig auch den FDP-Vorsitz in NRW innehabe, warb er um die Stimmen der Delegierten.

Wichtiger Gradmesser für den Erfolg dieser Koalition sei die Kommunalwahl 2020. Zugleich mahnte Stamp, Parteiarbeit und Familie müssten künftig besser vereinbar werden, um die Partei attraktiver für Frauen zu machen. Wie er seine Rolle als künftiger Parteichef verstehen will, machte Stamp im Schluss-Satz seiner Rede deutlich: "Wir waren und wir sind keine One-Man-Show."

Die Delegierten wählten Stamp am Samstagmittag in Neuss mit 92,8 Prozent zu ihrem neuen Parteichef.

(kib)
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