Ceta und TTIP Guter Freihandel, böser Freihandel

Düsseldorf · SPD-Chef Gabriel und Präsident Hollande erklären die TTIP-Verhandlung mit den USA für gescheitert und loben das Ceta-Abkommen mit Kanada. Doch TTIP ist besser als sein Ruf.

Demonstration in Berlin gegen TTIP und Ceta
11 Bilder

Demonstration in Berlin gegen TTIP und Ceta

11 Bilder
Foto: dpa, fis tmk

Die deutsch-französische Achse steht - zumindest was die Position der Linken angeht. In seltener Einmütigkeit erklärten gestern SPD-Parteichef Sigmar Gabriel und Frankreichs Staatspräsident François Hollande die Verhandlungen mit den USA um das Freihandelsabkommen TTIP für gescheitert. Hollande sagte, die TTIP-Gespräche könnten nicht bis zum Jahresende abgeschlossen werden. "Die Verhandlung hat sich festgefahren."

Zuvor hatte Gabriel die Gespräche für gescheitert erklärt. "Ich glaube, dass die Amerikaner TTIP aktiv beendet haben - durch schlichte Nicht-Bereitschaft, auf die Europäer zuzugehen." In diesem Jahr sei keine Einigung mehr möglich, es sei denn, man wolle sich den Amerikanern unterwerfen. Zugleich lobte der Bundeswirtschaftsminister das Handelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Kanada: Bei Ceta handele es sich um ein gutes Abkommen und einen "Schutz für ein schlechtes TTIP". Guter Handel, böser Handel? Und was sind die Folgen für Wirtschaft und Verbraucher?

Was bringen Freihandelsabkommen? Ziel der Abkommen ist es, die Handelshemmnisse zwischen Regionen weiter abzubauen. Zu Handelshemmnissen zählen zum Beispiel Einfuhrzölle, Zulassungsverfahren, unterschiedliche Normen und Standards. Baut man diese Hürden ab, können vor allem kleine und mittelständische Unternehmen profitieren, die sich nicht Dutzende Experten leisten können. Durch TTIP und Ceta würden 50 Prozent des Weltsozialprodukts miteinander verbunden, ein Wirtschaftsraum für 800 Millionen entstünde. Die EU-Kommission geht davon aus, dass Europas Wirtschaft durch TTIP mittelfristig um 0,5 Prozent wächst. Das ist auf den ersten Blick nicht üppig, würde aber für jede vierköpfige Familie 445 Euro mehr im Jahr bedeuten. Zudem könnte eine neue Dynamik bei Forschung und Wachstum entstehen - ein Pfund im globalen Wettstreit mit Asien. Das Forschungsinstitut Ifo rechnet allein in Deutschland mit 110.000 neuen Jobs dank TTIP.

Was treibt Gabriel? Gabriel handelt bei seiner TTIP-Kritik nicht als Minister für die Wirtschaft, sondern als Chef einer Partei im Umfragetief. Mit der Ablehnung von TTIP versucht er, bei Umwelt- und Verbraucherschützern zu punkten, die viel Unheil bei TTIP wittern. Sie fürchten, dass durch das Abkommen Standards beim Umweltschutz, der Lebensmittelsicherheit und den Arbeitsbedingungen sinken. Der Verband der Maschinenbauer (VDMA) ist empört: "Als Wirtschaftsminister der Exportnation Deutschland steht Sigmar Gabriel in der Pflicht, sich ohne Wenn und Aber für den Freihandel einzusetzen", sagte VDMA-Chef Thilo Brodtmann. "Der Freihandel ist zu wichtig, um ihn nun parteipolitischen Interessen zu opfern."

Gefährdet TTIP den Verbraucherschutz? Kritiker fürchten, dass US-Unternehmen gentechnisch veränderte Produkte nach Europa einführen oder umstrittenen Produktions- und Konservierungsmethoden ("Chlorhühnchen") einsetzen werden. Diese Sorge ist unbegründet. Auch wenn man sich auf gemeinsame Standards in großen Fragen verpflichtet, bleiben die Staaten in anderen Fragen autonom. So liegt die Zulassung für Gen-Lebensmittel in der EU bei der European Food Safety Agency. Daran soll sich laut Bundesregierung auch mit TTIP nichts ändern, wie es in einem vom Bundestagsabgeordente Peter Beyer (CDU) formulierten Positionspapier für seine Fraktion heißt. "Produkte, die auf den europäischen Markt gelangen, müssen weiter europäischen Vorgaben entsprechen."

Im übrigen: Bei Fragen der Haftung kann es für deutsche Verbraucher nur besser werden. Deutsche Diesel-Fahrer würden sich freuen, wenn Volkswagen auch ihnen 5000 Dollar Entschädigung zahlen würde, wie es in den USA der Fall ist. Auch können Amerikanerinnen, die Ärger mit der Verhütungspille von Bayer haben, viel höhere Vergleichssummen erstreiten als in Deutschland.

Gefährdet TTIP den Arbeitsschutz? Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) hat acht Kernarbeitsnormen formuliert. Deutschland hat alle acht Normen ratifiziert, die USA dagegen nur einige. Nicht ratifiziert haben die USA zum Beispiel die Vereinigungsfreiheit und das Recht auf Kollektivverhandlungen. Dabei geht es um Bildung von Gewerkschaften und Führen von Tarifverhandlungen. Entsprechend sind die deutschen Gewerkschaften alarmiert. "TTIP, wie es jetzt verhandelt wird, wird nicht zum Erfolg führen, schon gar nicht bis Ende des Jahres", sagte der Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Reiner Hoffmann. Doch zum einen bleibt das Grundgesetz (auch Artikel 9 Vereinigungsfreiheit) durch TTIP unberührt. Zum anderen laufen die Verhandlungen noch - und Deutschland drängt darauf, dass die USA die übrigen ILO-Normen ratifiziert.

Warum gilt Ceta als gut und TTIP als schlecht? Gabriel macht TTIP auch deshalb schlecht, damit ihm seine Partei beim Parteikonvent am 19. September wenigstens beim Abkommen mit Kanada folgt. Klar ist, dass TTIP beim Thema Investitionsschutz tatsächlich Anlass zur Kritik bietet und Ceta hier eine bessere Regelung vorsieht. Beim Investorenschutz geht es darum, Unternehmen ein Klagerecht gegen Staaten einzuräumen, damit Firmen sich gegen willkürliche oder diskriminierende Maßnahmen schützen können. Bei Ceta werden solche Klagen vor öffentlichen Handelsgerichten verhandelt. Bei TTIP soll es nach dem Willen der Amerikaner dagegen eine Art private, nicht-öffentliche Schiedsgerichte geben. Hier kann sich die US-Anwaltsindustrie bei bester Bezahlung so richtig austoben. Solche Schiedsgerichte lehnen die Europäer ab, konnten sich bislang aber nicht durchsetzen.

Warum eskaliert der Streit? Obwohl TTIP ein sperriges Thema ist, gehen regelmäßig Zehntausende dagegen auf die Straße. Das Misstrauen ist groß, auch weil die Regierungen unnötig Geheimniskrämerei betrieben und Misstrauen schürten. Natürlich legt man bei Verhandlungen die Karten nicht frühzeitig auf den Tisch - doch es wäre auch die Aufgabe von Gabriel gewesen, die Bevölkerung über den Segen von TTIP aufzuklären. Zumal es auf US-Seite nur schwerer werden kann: Weder Hillary Clinton und erst recht nicht Donald Trump sind freihandelsliebend wie der scheidende US-Präsident Barack Obama. Schwere Zeiten für Freihändler.

(anh)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort