Umstrittener Gesetzentwurf der FDP CDU verlangt Werbeverbot für Sterbehelfer

Berlin · Nach Ansicht der Union hat Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) mit dem Gesetzentwurf zur Sterbehilfe nur eine "Teilerfüllung" der Koalitionsabsprache geliefert. "Nach unserem Verständnis gehört zu der Verabredung auch ein Werbeverbot für Sterbehelfer", sagte Unionsfraktionsvize Günter Krings

Fakten zur Sterbehilfe in Deutschland
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Foto: ddp

Wird professionelle Sterbehilfe in Deutschland demnächst salonfähig, wenn sie nur nicht genügend Gewinn abwirft? Geraten eingeschüchterte Senioren in eine verhängnisvolle Spirale aus "gut gemeinten" Hilfsangeboten und dem bösen Gefühl, niemandem mehr "zur Last fallen" zu wollen, das für sie tödlich endet, obwohl sie eigentlich gerne weiterleben wollen?

Diese beklemmenden Vorstellungen löst der jüngste Referentenentwurf aus dem Haus von Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP). Das 14-seitige Papier, das unserer Zeitung vorliegt, sollte nach dem ursprünglichen Fahrplan in diesen Tagen von der Bundesregierung als Gesetzentwurf beschlossen werden. Doch das Innenministerium stellte sich quer und hatte noch Klärungsbedarf.

Geradezu entsetzt reagieren Ärzte- und Patienten-Organisationen. Damit werde die Rechtsgrundlage für den Arzt als Sterbehelfer geschaffen, meint Ärztepräsident Frank Ulrich Montgomery. Und Eugen Brysch von der Patientenschutzorganisation Deutsche Hospiz-Stiftung spricht von einem "Kommunikationsgau" der Ministerin. Schwerstkranke wollten nicht ohne Not in eine persönliche Zwangslage geraten, nur weil die "geschäftsmäßige, also eine auf Wiederholung angelegte Selbsttötungshilfe gesellschaftlich akzeptiert wird".

Dabei ging es der Koalition eigentlich darum, die Sterbehilfe in Deutschland weiter einzuschränken. Der ehemalige Hamburger Justizsenator Roger Kusch hatte 2008 den Anlass für das aktuelle Gesetzgebungsvorhaben geliefert, als er für jeweils 8000 Euro mit seinem Sterbehilfe-Verein fünf Menschen bei der Selbsttötung half. Nachdem ihm ein Gericht das verboten hatte, gründete er einen neuen Verein mit 100 Euro Jahresbeitrag, der seine Mitglieder beim Suizid begleitet.

Deshalb handelte die Union 2009 mit der FDP im Koalitionsvertrag aus, "die gewerbsmäßige Vermittlung von Gelegenheiten zur Selbsttötung unter Strafe" zu stellen. Was das FDP-geführte Justizministerium nun vorlegte, ist aber nicht das, was die Union erwartete. Ja, es erweckt aus Unionssicht sogar den Eindruck, als wolle Leutheusser-Schnarrenberger die straffreie Sterbehilfe nicht einschränken, sondern ausweiten.

Das Justizministerium widerspricht energisch. Zwar sei das Gesetz auf Wunsch der Union zustande gekommen und "kein Herzensanliegen der Ministerin", wie ihr Sprecher einräumt. Dennoch trete Leutheusser-Schnarrenberger dafür ein, gegen die Sterbehilfe mit dem Paragrafen 217 einen neuen Strafrechtsparagrafen zu schaffen. Da werde nichts abgeschafft, sondern etwas Neues eingeführt.

Für Ärzte ändere sich ohnehin nichts, betont der Sprecher. Dabei kann er sich tatsächlich auf den Referentenentwurf beziehen. Hier heißt es, dass die Hilfe beim Sterben durch Angehörige von Heilberufen "nicht dem Selbstverständnis dieser Berufe" entspreche. Das Papier verweist auf die Beschlüsse des Ärztetages zur Berufsordnung, in denen festgelegt sei: "Sie (die Ärzte) dürfen keine Hilfe zur Selbsttötung leisten." Das reicht laut Ministerium aus. Kritiker verweisen darauf, dass mit dieser Argumentationslogik demnächst dann auch Betrug nicht mehr unter Strafe gestellt werden müsse, weil sich dies ja auch nicht mit dem Selbstverständnis des ehrbaren Kaufmannes vertrage.

Dabei liefert der Referentenentwurf selbst Argumente für eine gesetzliche Verschärfung. In Belgien seien die Fallzahlen nach Aufhebung der Strafbarkeit binnen fünf Jahren von 24 auf 495 gestiegen. Es sei auch nicht hinnehmbar, dass sich Menschen für ihren Wunsch, weiterzuleben, rechtfertigen müssten. Eindringlich warnt das Ministerium vor einer Entwicklung, bei der nicht mehr lebensbejahende Beratungen im Vordergrund stünden, sondern "die rasche und sichere Abwicklung des gefassten Selbsttötungsentschlusses, um damit Geld zu verdienen".

Daraus folgert das Leutheusser-Ministerium, dass nicht die "geschäftsmäßige", also auf Wiederholung angelegte, Sterbehilfe verboten werden müsse, sondern nur die "gewerbsmäßige". Obendrein erklärt es der Entwurf für "grundsätzlich zulässig", wenn eine Intensivmedizinerin oder ein Hausarzt "ausnahmsweise und mehr als einmal eine solche Hilfe anbietet". Schließlich stellt der Entwurf Ärzte und Pflegekräfte "grundsätzlich straffrei", wenn zwischen ihnen und dem Patienten eine "länger andauernde persönliche Beziehung entstanden" sei, wie etwa beim langjährigen Hausarzt oder einer Pflegekraft.

Grünen-Gesundheitspolitiker Harald Terpe hält eine Beschränkung des Verbots auf die gewerbsmäßige Sterbehilfe für "nicht weitgehend genug". Solche Organisationen würden in der Regel als "gemeinnützig" firmieren. "Dass die FDP mit dem Entwurf versucht, durch die Hintertür den assistierten Suizid als eine zulässige Form der ärztlichen Sterbebegleitung zu etablieren, halte ich für skandalös", sagt der Gesundheitsexperte.

Unionsfraktionsvize Günter Krings vermisst im Entwurf zudem ein Werbeverbot für Sterbehelfer. Das war nach Unionsverständnis Bestandteil der Verabredung mit der FDP. Insofern habe Leutheusser-Schnarrenberger nur eine "Teilerfüllung" geliefert. Der Entwurf müsse auch an dieser Stelle nachgebessert werden.

Aus Sicht von NRW-Justizminister Thomas Kutschaty ist der Sterbehilfe-Entwurf "ein weiteres Gesetzesvorhaben, das am gegenseitigen Widerstand der Koalitionspartner scheitert". "In der Rechtspolitik stehen in Berlin alle Projekte still", kritisiert der SPD-Politiker.

(may-)
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