Nach Unions-Spitzentreffen CDU spricht sich für Regierung mit SPD aus

Berlin · Große Koalition statt Minderheitsregierung - das ist die Marschrichtung, die Kanzlerin Merkel nun vorgibt. Die CDU-Spitze befürwortet nach mehrstündigen Gesprächen am Sonntag einhellig ein erneutes schwarz-rotes Bündnis und warnt vor einem vorweihnachtlichen SPD-Wunschzettel.

 Kanzlerin Angela Merkel beim "EU Eastern Partnership summit".

Kanzlerin Angela Merkel beim "EU Eastern Partnership summit".

Foto: afp, AFP

Nach dem Scheitern der Jamaika-Gespräche bringen sich Union und SPD für eine Neuauflage der großen Koalition in Stellung. Kanzlerin Angela Merkel drängt zu einer raschen Regierungsbildung. Neuwahlen erteilte die CDU-Chefin am Wochenende eine Absage. Die SPD zeigte sich gesprächsbereit, will aber kein neues Bündnis mit der Union um jeden Preis. Führende Sozialdemokraten stellten am Wochenende einen Strauß an inhaltlichen Bedingungen. Darauf warnte die CDU die SPD davor, die Gespräche mit Maximalforderungen zu belasten. Aber auch die Union stellt bereits Bedingungen auf.

Die engste CDU-Spitze befürwortet einhellig Gespräche mit der SPD über die Bildung einer großen Koalition. Es habe große Einigkeit gegeben, dass es Priorität sei, diese Gespräche erfolgreich zu führen, und es gebe Zuversicht, dass Verhandlungen zu einem Erfolg führen könnten, sagte Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) am späten Sonntagabend nach viereinhalbstündigen Beratungen des Präsidiums seiner Partei in Berlin.

Die Verhandlungen seien zwar ergebnisoffen, und man wisse nicht, ob man am Ende zusammenkomme. Die CDU habe aber die feste Absicht, dass es eine handlungsfähige Regierung gebe - und keine Minderheitsregierung. "Sondern es ist definitiv ein Bündnis, das sich auf eine parlamentarische Mehrheit bezieht - und das wäre eine große Koalition", sagte Günther.

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) betonte zudem in der ARD-Sendung "Anne Will", dass die Beratungen mit der SPD nicht auf Grundlage der Kompromisse bei den Jamaika-Sondierungen beginnen würden. Vielmehr werde man Verhandlungen auf der Basis des Wahlprogramms der Union beginnen. Wie Günther sprach sie auch Laschet angesichts der anstehenden Entscheidungen in Europa gegen eine Minderheitsregierung aus.

Nach Angaben aus Teilnehmerkreisen wurde länger über Europa diskutiert. Merkel habe angesichts der Vorschläge des französischen Präsidenten Emmanuel Macron gesagt, die CDU brauche hier klare Antworten. Man könne nicht immer nur Nein zu dessen Forderungen sagen. Macron tritt etwa für einen Haushalt für die Eurozone ein.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat Merkel, SPD-Chef Martin Schulz und CSU-Chef Horst Seehofer für Donnerstag ins Schloss Bellevue eingeladen. "Es wäre wünschenswert, sehr schnell zu einer Regierung zu kommen - nicht nur zu einer geschäftsführenden", sagte Merkel am Samstag auf einem CDU-Landesparteitag in Mecklenburg-Vorpommern. Als "Maßstab" für eine Regierungsbeteiligung nannte Merkel, dass die Probleme Deutschlands gelöst werden und es den Menschen besser gehe. Einen ausgeglichenen Haushalt und Entlastungen beim Soli bezeichnete die Kanzlerin als "Leitschnur".

CSU-Chef Horst Seehofer sieht ein Bündnis aus Union und SPD als "die beste Variante für Deutschland". Er warnte in der "Bild am Sonntag" die SPD aber vor überzogenen Forderungen. Auch die CDU-Spitze warnte die SPD, Gespräche mit Maximalforderungen zu belasten. "Wer sich jetzt zum Scheinriesen aufbläst und sozusagen ununterbrochen fordert, was wir jetzt tun müssten, dem möchte ich sagen: Er soll's nicht übertreiben", sagte der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier.

Auch Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) riet zur Zurückhaltung. "Wir sind hier jetzt nicht auf dem Jahrmarkt, wo es darum geht, herauszuschreien, was man möchte und der andere schreit was anderes, sondern wir haben ja in den Sondierungen mit FDP und Grünen ja auch schon Grenzen gezeigt", sagte Kauder am Sonntag in der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin".

Die rheinland-pfälzische Landesparteichefin Julia Klöckner forderte die SPD auf, von der Forderung nach einer Bürgerversicherung abzugehen. Eine Abschaffung der privaten Krankenversicherung würde alle Versicherten teurer zu stehen kommen. "Wir haben in vier Wochen Weihnachten. Dennoch sollte man mit Wunschzetteln sehr realistisch umgehen."

Günther (CDU), der in Kiel ein Jamaika-Bündnis führt, riet allen Seiten, "nicht wieder vorher gleich einen auf dicke Hose zu machen und zu sagen, was alles auf jeden Fall durchgesetzt werden muss." Er forderte auch die eigenen Reihen auf, nun zurückhaltend mit dem Aufstellen von Hürden für die Verhandlungen umzugehen. Wenn es die Forderung an die SPD gebe, jetzt keine roten Linien zu ziehen, "dann wäre es jetzt nicht klug, wenn wir von unserer Seite aus so agieren".

SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel hatte im Fall von Sondierungsgesprächen mit der Union einen Kurswechsel in der Steuerpolitik gefordert. "Ein "Weiter so" wird es in keinem Fall geben. Das gilt ganz ausdrücklich bei Steuern und größten Vermögen", sagte der hessische SPD-Landeschef der dpa. Im Wahlprogramm hatte die SPD eine Anhebung des Spitzensteuersatzes auf 45 Prozent angekündigt.
Zudem sollen sehr große Erbschaften höher besteuert werden.

Bundespräsident Steinmeier hatte an die Parteien appelliert, sich nicht um Verantwortung zu drücken. Am Samstag sagte SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles auf dem Bundeskongress der Jungsozialisten in Saarbrücken, mit dem Jamaika-Aus sei eine neue Lage entstanden. "Das heißt nicht, dass wir zum Notnagel der gescheiterten Bundeskanzlerin werden." Der geschäftsführende Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) meinte am Sonntag bei einer "Zeit"-Veranstaltung in Hamburg, nach dem Jamaika-Scheitern dürfe keiner erwarten, dass die SPD sage: "Ach super, wir haben nur darauf gewartet, dass wir jetzt eine große Koalition machen dürfen".

Die Möglichkeit einer großen Koalition lässt offenbar die Umfragewerte von Union und SPD steigen. In einer Emnid-Umfrage für die "Bild am Sonntag" legt die Union um zwei Punkte auf 33 Prozent und die SPD um einen Punkt auf 22 Prozent zu. Grüne und FDP verlieren je einen Punkt und erreichen 10 und 9 Prozent.

Die Grünen stellen sich derweil auf die Oppositionsrolle ein. Parteichef Cem Özdemir sagte am Samstag auf dem Bundesparteitag in Berlin, bei einer neuen großen Koalition müssten die Grünen für Klimaschutz, Menschlichkeit, Europa und Weltoffenheit einstehen. Der Parteitag hielt sich die Möglichkeit einer schwarz-grünen Minderheitsregierung offen. FDP-Chef Christian Lindner rechnet mit einer großen Koalition. "Die Hürde ist geringer als bei uns", sagte er der "Bild am Sonntag" mit Hinweis auf die Jamaika-Runde. "Jamaika wäre binnen Monaten in 1000 Trümmerteile zerfallen".

(sbl)
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