Kritik an Merkel Es rumort an der rheinischen CDU-Basis

Düsseldorf · Am Montag stimmt die CDU über den mit der SPD ausgehandelten Koalitionsvertrag ab. Viele Mitglieder in Nordrhein-Westfalen sind unzufrieden. Manche hadern mit der Parteivorsitzenden.

 Angela Merkel (Archiv).

Angela Merkel (Archiv).

Foto: ap, MS

Es ist die Woche der Wahrheit: Am Montag stimmen rund 1000 Delegierte beim Bundesparteitag der CDU über den umstrittenen Koalitionsvertrag ab, den die Union mit der SPD ausgehandelt hat. Die SPD hat ihre Mitglieder befragt - das Ergebnis soll am darauf folgenden Sonntag bekannt gegeben werden.

Während bei der SPD noch alles offen ist, wähnt man sich bei der CDU sicher: Die Union neigt nicht zu Revolten, CDU-Chefin Angela Merkel könne auf dem Parteitag mit breiter Zustimmung rechnen, heißt es in der Düsseldorfer Zentrale des größten CDU-Landesverbandes. Wirklich? Selbst in seinem eigenen Bundesland NRW ist die Zustimmung der Basis zum ausgehandelten Koalitionsvertrag keineswegs so einhellig, wie NRW-CDU-Chef Armin Laschet sich das wünscht. Das zeigte eine nicht repräsentative, aber flächendeckende Umfrage unserer Lokalredaktionen bei CDU-Mitgliedern im Rheinland.

"Bei den Koalitionsverhandlungen war das Ziel der Machterhalt, das verstehen die Menschen nicht mehr", kritisiert zum Beispiel der Fraktionschef der CDU in Nettetal, Jürgen Boyxen, die vielen Zugeständnisse der Union an die SPD. Bei Themen wie der Klimapolitik, dem Pflegenotstand oder der sozialen Gleichheit habe die CDU sich zu sehr zurückgehalten. "Aber ich möchte nicht, dass wir aus taktischen Gründen schweigen, sondern aus inhaltlichen Gründen sprechen", meint Boyxen. Er geht auch auf Distanz zu Merkel: "Diese ständige Politik der kleinen Schritte, Beruhigung und unklaren Worte sind viele leid."

"Ich kann jeden verstehen, der die Schnauze voll hat"

Vor allem, dass die Union das Finanzministerium an die SPD abgeben will, stößt an der Basis auf Unmut. "Die Aufgabe des Finanzministeriums geschah ohne Not", meint Lars van der Bijl, Parteichef der CDU Monheim. Er habe diverse Schreiben von Monheimer CDU-Mitgliedern auf dem Schreibtisch, die das Unverständnis der Basis dokumentieren. Bijl kritisiert auch, dass prominente CDU-Granden wie unlängst auch NRW-Ministerpräsident Laschet neuerdings die Bedeutung des Konservativen für die CDU relativieren. Er wünscht sich von der Union mehr Profil. Sein Urteil: "Die CDU hat sich in diesem Koalitionspapier programmatisch entkernt."

Langenfelds Bürgermeister Frank Schneider will aus ähnlichen Gründen sogar, dass Angela Merkel als Kanzlerin abgelöst wird. "Sie läuft den Mehrheiten hinterher. Da ist keine klare Linie zu erkennen. Und das ist genau das, was der Partei fehlt." Und dann wird der CDU-Mann noch deutlicher: "Ich kann jeden verstehen, der angesichts der Anstrengungen, die zum Machterhalt gemacht werden, die Schnauze voll hat von Politikern."

Andererseits scheint gerade die federführende Angela Merkel die Basis im Rheinland noch am ehesten mit dem Koalitionsvertrag zu versöhnen. Ist Merkel noch die Richtige? "Selbstverständlich", sagt Silke Gorißen, CDU-Fraktionsvorsitzende im Gemeinderat Bedburg-Hau, "Merkel steht für Verlässlichkeit und Stabilität."

"Die Zeit der Ära Merkel geht dem Ende entgegen"

Dennoch kritisiert auch Gorißen: "Die CDU hat viele Zugeständnisse an die SPD gemacht, die schmerzhaft sind - sowohl thematisch als auch bei der Vergabe der Ministerien." Versöhnlicher geht auch Helga Koenemann, Fraktionsvorsitzende der CDU in Neuss, mit der CDU-Kanzlerin um. Die Union müsse an Merkel als Bundesvorsitzende und Kanzlerin festhalten. Für Merkel spreche ihre Erfahrung, und dass sie von sich aus erkannt habe, "dass sich was ändern muss", meint Koenemann. Aber dass die Union das Finanzministerium preisgeben wolle, wurmt auch Koenemann.

Peter London, Chef des CDU-Stadtverbandes Erkelenz, sieht Merkels Rolle durch die vielen Zugeständnisse an die SPD auf Umwegen sogar gestärkt: "Die Richtlinienkompetenz der Kanzlerin wird zukünftig noch viel wichtiger. Das ist gut so. Ich habe keine Bedenken, dass wir mit einer Groko scheitern werden, weil bestimmte Ressorts von SPD-Ministern geführt werden." Tobias Stümges ist aufgefallen, dass die Merkel-Zustimmung in der Partei zum Zeitpunkt der Bundestagswahl noch wesentlich größer als heute war. "Insofern glaube ich, dass die Zeit der Ära Merkel dem Ende entgegengeht", meint der Kreisvorsitzende der Jungen Union Krefeld. Andreas Hartnigk, Vize-Chef der CDU-Fraktion im Düsseldorfer Stadtrat, sieht Merkel hingegen zu Recht an der Spitze der Union. Auch die vielen Zugeständnisse des Koalitionsvertrags an die SPD sieht Hartnigk gelassen: "Papier ist geduldig."

Ingo Hülser, Fraktionschef der CDU in Voerde, vertritt die exakt gegenteilige Meinung: "Nach meiner Ansicht ist die CDU in den Verhandlungen nicht richtig sichtbar geworden. Das konservative Profil hätte deutlicher sichtbar sein müssen." Zur Parteichefin sagt er: "Angela Merkel ist nicht mehr die Richtige."

(tor)
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