Die Bundeswehr und ihre Uniformen Fifty Shades of Grey beim deutschen Heer

Düsseldorf · Grau ist nicht gleich grau, auch nicht bei den Jacken von mehr als 60.000 Bundeswehr-Soldaten. Das soll sich nun ändern – nicht zum ersten Mal. Doch auch der neue Erlass droht an der Kreativität der Truppe zu scheitern.

 Von hellgrau über mausgrau bis schwarzgrau — die Uniformen bei der Bundeswehr ergeben derzeit alles andere als ein uniformes Bild.

Von hellgrau über mausgrau bis schwarzgrau — die Uniformen bei der Bundeswehr ergeben derzeit alles andere als ein uniformes Bild.

Foto: Radowski

Grau ist nicht gleich grau, auch nicht bei den Jacken von mehr als 60.000 Bundeswehr-Soldaten. Das soll sich nun ändern — nicht zum ersten Mal. Doch auch der neue Erlass droht an der Kreativität der Truppe zu scheitern.

Ein herausforderndes Abschiedsgeschenk hat Generalleutnant Bruno Kasdorf, der vor wenigen Tagen als Inspekteur des Heeres in den Ruhestand verabschiedet worden ist, seinem Nachfolger Jörg Vollmer gemacht: den "Fifty-Shades-of-Grey-Erlass", wie die neue "Weisung zum Tragen des Dienstanzuges im Heer" in Anlehnung an einen gewissen literarischen Bestseller von den Soldaten sogleich verballhornt worden ist.

Der Grund für den letzten Befehl: Kasdorf hat bei Grau rot gesehen — genauer, er will die zahlreich kursierenden Grautöne der Jacken der 60.145 deutschen Heeressoldaten vereinheitlichen. Sie ergeben — von hellgrau über mausgrau bis schwarzgrau — derzeit alles andere als ein uniformes Bild.

Der Farbton RAL 7012 soll es künftig exakt sein, keine andere Schattierung, hat der General angeordnet. Wobei RAL 7012 auch die Unterwasser-Tarnfarbe der deutschen Marine ist, wonach also die künftige einheitliche Heeresfarbe ein U-Boot-Grau ist. Ein Blick auf die RAL-Palette macht deutlich, dass auch woanders Verwechslungsgefahr besteht: Das benachbarte RAL 7013 ist die Farbe des österreichischen Bundesheeres, RAL 7010 die Farbe der Fernmelde-Arbeitsfahrzeuge der früheren Deutschen Bundespost.

Der General habe seinen Soldaten ein Ultimatum gestellt, berichtete die Wochenzeitung "Bundeswehr aktuell": Bis 1. Juli 2016 muss jeder Soldat zumindest eine solche Dienstanzugjacke besitzen, die alten dürfen im Alltag "aufgetragen" werden. Diesen Kampf hatte bereits 1980 der damalige Heeresinspekteur Johannes Pöppel geführt — und verloren. Er ließ nämlich "geringfügig abweichende Farbtöne" zu, was die Soldaten sofort weidlich ausnutzten.

Im Fall der "Fifty Shades of Grey" der Uniformjacken werden diverse Erklärungen angeführt, warum Grau nicht gleich Grau ist — die angeblich unvermeidliche unterschiedliche Tönung bei über Jahre hinweg gestreckten Aufträgen an verschiedene Firmen zum Beispiel. Merkwürdig ist nur, dass Marine und Luftwaffe diese Schattierungssorgen nicht haben. Das drängt den Verdacht auf, dass die Heeressoldaten ihre Uniform schlicht nicht schön finden.

Als graue Mäuse waren bereits die ersten Soldaten der Bundeswehr ihres Anzugs wegen verspottet worden, selbst ein General sah in der gewollt schlichten Montur eher wie ein Chauffeur aus. 1955, zehn Jahre nach Kriegsende, war Bescheidenheit, ja Demut angesagt, nichts durfte mehr optisch an die Wehrmacht erinnern. Als Bundeskanzler Konrad Adenauer die ersten Generale in ihrer unscheinbaren Uniform sah, die auch keine Hosen mit breiten roten Generalsstreifen mehr tragen durften, sagte er enttäuscht: "Dat is schade. Ich fand die so schön." Immer wieder versuchten Soldaten, die 1957 eingeführte Dienst- und Ausgehuniform mit flotterem Schnitt und eleganterer Farbtönung zu variieren. Junge Soldaten tragen diese Uniform besonders ungern. Selbst bei repräsentativen Anlässen wie öffentlichen Appellen treten viele Einheiten heute lieber im tarngefleckten Feldanzug auf.

In der Bundeswehr kursiert die Anekdote von einem jungen Fähnrich, der zum Ball des spanischen Heeres nach Madrid eingeladen war. Da er sich seiner schlichten Uniform schämte, ergänzte er sie verbotenerweise durch auffälligere Schulterstücke, silberne Tressen und ein silberfarbenes Koppel. Auf der Tanzfläche traf er zu seinem Entsetzen einen deutschen Oberstleutnant und befürchtete ein gewaltiges Donnerwetter. Doch der Stabsoffizier trug ebenfalls eine Fantasieuniform — und dazu einen mächtigen Säbel.

Auch im Fall Kasdorf darf trotz der Präzisierung auf RAL 7012 schwarzgesehen werden: Der Drang, bei der Uniform einen Hauch Individualität zu erhalten, hat sich in der Bundeswehr noch immer durchgesetzt, sei es beim Innenfutter in der jeweiligen Waffenfarbe oder eleganten Abnähern am Rücken. Höhere Dienstgrade wählen gern ein sehr helles Grau. Der letzte Schrei, vor allem bei Offizieren im Generalstab, ist aber eine fast schwarzgraue Jacke, etwa RAL 7021, die privat bei einer Schneiderei gekauft wird. Der neue Inspekteur Jörg Vollmer, so sei der Vollständigkeit hinzugesetzt, trägt übrigens immer eine vorschriftsmäßige Jacke.

(mic)
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