Bundesverfassungsgericht NPD fordert Einstellung des Verfahrens wegen V-Leuten

Karlsruhe · Die NPD hat zum Auftakt des Verbotsverfahrens gegen die rechtsextreme Partei am Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe zunächst zwei Richter als befangen abgelehnt. Jetzt fordert sie die Einstellung des Verfahrens.

Zweiter Anlauf zum NPD-Verbot – eine Chronologie
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Foto: dpa, pg pil

Die NPD fordert die Einstellung des Verbotsverfahrens wegen Verfahrenshindernissen. Es gebe keine Beweise dafür, dass die V-Leute der Verfassungsschutzbehörden tatsächlich abgeschaltet worden seien, sagte NPD-Anwalt Peter Richter am Dienstagnachmittag in Karlsruhe.
Bestätigungen der Länder dazu halte er nicht für glaubwürdig.

Bereits am Morgen hatte die NPD zwei Richter als Befangen abgelehnt. Die Anträge richten sich gegen den zuständigen Berichterstatter Peter Müller und gegen Richter Peter Huber.

Das Bundesverfassungsgericht setzte sich allerdings über den Protest der NPD hinweg. Der Senat müsse seine Besetzung von Amts wegen prüfen und habe das bereits getan, sagt Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle. Das Bundesverfassungsgericht prüft seit Dienstag drei Tage lang den Antrag des Bundesrats für ein Verbot der NPD.

Der Vorwurf der NPD gegen die Richter: Der CDU-Mann Huber habe sich in seiner Zeit als thüringischer Innenminister von November 2009 bis November 2010 mehrfach für ein Verbot der NPD ausgesprochen und einen Ausschluss aus der Parteienfinanzierung gefordert, trug NPD-Anwalt Peter Richter zu Beginn der Verhandlung vor. Als Beleg zitierte er aus einer Broschüre, deren Vorwort Huber damals verfasst habe.

Müller wiederum habe sich in seiner Zeit als saarländischer CDU-Ministerpräsident von 1999 bis 2011 mehrfach negativ und abwertend über die NPD geäußert. Er habe zwar nicht so offen für ein Verbot plädiert wie Huber, trotzdem gebe es keine Zweifel, dass er die Partei für verfassungsfeindlich halte und sie ablehne.

Richter seien Vorgesetzte der Verfassungsschutzbehörde gewesen

NPD-Anwalt Richter machte außerdem geltend, dass Müller und Huber in ihren Ämtern direkte Vorgesetzte der Verfassungsschutzbehörden ihrer Länder gewesen seien. In der für das Verfahren entscheidenden Frage der V-Leute könnten sie daher womöglich eine Offenlegung der Akten verhindern, um ein Versagen ihrer Behörden zu verheimlichen.

Die NPD rügte außerdem die Besetzung des Senats. Die Richter Doris König und Ulrich Maidowski seien von dem Verfahren auszuschließen, weil sie erst seit Sommer 2014 Verfassungsrichter seien und damit unzulässigerweise nach den ersten Beratungen der Sache hinzugezogen worden seien.

Weitere Richter des ersten und zweiten Senats seien auf verfassungsrechtlich unzulässige Weise ins Amt gelangt, weil sie nicht durch das Plenum des Deutschen Bundestags, sondern durch den Richterwahlausschuss gewählt worden seien.

Die angegriffenen Richter Peter Huber und Peter Müller wiesen den Vorwurf der Voreingenommenheit zurück. Huber sagte, die zitierten Äußerungen seien zutreffend. Aber: "Das hat mit meiner Tätigkeit als Richter des Bundesverfassungsgerichts nichts zu tun." Beide betonten, sie hätten keine Kenntnis von Akten des Verfassungsschutzes.

Der NPD-Anwalt hatte sich kurz vor der Verhandlung siegessicher gezeigt. "Es kommt nicht darauf an, was der Bundesrat behauptet", sagte Richter am Dienstag in Karlsruhe vor Journalisten. "Wir müssen nicht beweisen, dass wir nicht verfassungswidrig sind." Wenn man der NPD mit dem Verfahren eine Bühne biete, dann werde sie sie auch entsprechend nutzen.

Ein erster Anlauf zum Parteiverbot war 2003 in einer Blamage für die Politik geendet, weil der Verfassungsschutz bis in die NPD-Spitze hinein Informanten hatte — das Verfahren platzte. Auch diesmal wird die Frage der sogenannten V-Leute in der Partei wieder zentral sein. (Az. 2 BvB 1/13) Der amtierende Bundesratspräsident Stanislaw Tillich (CDU) versicherte am Dienstag in Karlsruhe, das vorgelegte Beweismaterial stamme nicht von V-Leuten.

Tillich hat die Notwendigkeit eines Verbots der rechtsextremen NPD unterstrichen. Die NPD sei eine verfassungsfeindliche, zutiefst aggressive, menschenverachtende Partei, die durch ihr Programm und ihre Handlungen das System infrage stelle, sagte der sächsische Ministerpräsident unmittelbar vor Beginn des Verfahrens.

Was die Problematik der sogenannte V-Leute angehe, seien Lehren aus dem gescheiterten Verfahren 2003 gezogen worden. "Wir sind gut vorbereitet, die letzten zwei Jahre sind intensiv genutzt worden", sagte Tillich.

Bundesjustizminister Heiko Maas hat das NPD-Verbotsverfahren derweil als wegweisend bezeichnet. "Über eines sollten wir uns allerdings sehr klar sein: Das Bundesverfassungsgericht wird uns die Aufgabe des Kampfes gegen Rechts nicht abnehmen - egal wie das Verfahren ausgeht", sagte der SPD-Politiker am Dienstag in Berlin.

Es bleibe eine Daueraufgabe für Politik und Zivilgesellschaft, klare Haltung gegen radikale Hetze zu zeigen. "Denn: Selbst wenn die NPD verboten würde, bedeutet das leider nicht, dass es in Deutschland keine Rechtsextremen mehr gibt."

Es müsse entschlossen gegen Fremdlichkeit vorgegangen werden

Maas bezeichnete es als besorgniserregend, dass die Flüchtlingsdebatte zu einem immer engeren organisatorischen Zusammenschluss rechtsradikaler Gruppierungen führe. Der Anstieg von Straftaten gegen Unterkünfte von Flüchtlingen und Asylbewerbern in den ersten Wochen des Jahres sei dramatisch.

"Die alltäglichen Übergriffe sind beschämend für unser Land", betonte er. "Unsere Botschaft an die Täter muss klar sein: Wir werden alles dafür tun, damit Ihr nicht ungestraft davon kommt. Wir werden unsere Demokratie und unseren Rechtsstaat mit aller Entschlossenheit verteidigen."

(rent/dpa)
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