Polit-Talk „Illner intensiv“ "Merkel gibt Menschenrechte an der Garderobe ab"

Düsseldorf · In der zweiten Folge des Polit-Talks "Illner intensiv" ging es um Krisenherde in der Welt - von der Türkei über Nordkorea bis hin zu Russland. Katja Kipping warb für das "Sterben der Nato". Peter Altmaier plädierte für europäischen Zusammenhalt. Und Cem Özdemir stichelte gegen Merkel.

„Illner intensiv“: "Angela Merkel gibt Menschenrechte an der Garderobe ab"
Foto: ZDF

Thema des Abends
Maybrit Illners Gäste debattierten am Mittwochabend zur Frage "Welt im Chaos - wer führt Deutschland durch die Krisen?". Schnelle Dialoge, klare Antworten und Dissens: Spannend war der Talk. Denn die Gäste stritten nicht nur über Politiker, sondern auch über etablierte Institutionen.

Die Gäste
Peter Altmaier (Kanzleramtsminister, CDU)
Katja Kipping (Partei-Chefin, Die Linke)
Cem Özdemir (Grünen-Vorsitzender)

Erstes Drittel: Umgang mit der Türkei

Die ersten zehn Minuten der ZDF-Sondersendung vor der Bundestagswahl bestimmt eine eindeutige These: "Die Welt ist aus den Fugen geraten." Festgemacht an US-Präsident Donald Trump, dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und vielen Staaten, die massive innen- und außenpolitische Probleme haben. Als "Konfliktherd Nummer eins" aber pickt Moderatorin Maybrit Illner die Türkei heraus - und fragt nach den Meinungen ihrer drei Gäste. "Wir kritisieren Erdogan scharf", stellt Katja Kipping klar. Die Linke wolle den Kontakt aussetzen, nicht aber abbrechen. Einzig die militärische Zusammenarbeit solle beendet und der Flüchtlingsdeal aufgekündigt werden. Als Alternative nennt Kipping, die UN-Flüchtlingscamps zu stärken.

Cem Özdemir, bekannt als Kritiker Erdogans, bleibt seiner Linie in der Sendung treu. Die neue Haltung von Union und SPD, die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei beenden zu wollen, bezeichnet er als Heuchelei im Wahlkampf. Özdemir fordert, endlich die Waffenlieferungen zu stoppen und echte Reisewarnungen auszusprechen. Zudem dürfe Hilfe bei der Flüchtlingsaufnahme nicht heißen, dass man die Augen vor der Politik Erdogans verschließe: "Ich finde es wichtig, dass die Menschenrechte nicht an der Garderobe abgegeben werden, wenn Merkel nach Ankara reist", stichelt Özdemir gegen die Kanzlerin. CDU-Politiker und Kanzleramts-Chef Altmaier lässt das nicht auf sich sitzen: Die Regierung verschließe die Augen nicht, sondern setze sich für die deutschen Gefangenen in der Türkei ein.

Zweites Drittel: Streitpunkt Nato-Auflösung

Die zweite Sequenz der Sendung dreht sich um den Konflikt zwischen Nordkorea und den USA. Kipping sagt: Sowohl "Twitter-König" Trump als auch Kim Jong Un seien ein "enormes Sicherheitsrisiko" für die Welt. Dem stimmt Özdemir zu. "Was also tun?", fragt Illner. "Deutschland ist zu klein, um diese sehr gefährliche Situation zu lösen", antwortet Özdemir. Man müsse mit Partnern in der ganzen Welt zusammenarbeiten. Er nennt die Nato eine Wertegemeinschaft - und für diese Werte müsse man eintreten. Altmaier stimmt zu: "Europa muss Verantwortung übernehmen."

Der Eintracht der beiden Männer stellt sich Kipping entgegen: "Wir wollen die Nato überwinden und durch einen Zusammenschluss ersetzen, der Russland miteinbezieht", erläutert sie die Position der Linken. Es brauche Gespräche auf UN-Ebene. "Die UN zu stärken ist unser zentrales Anliegen", sagt Kipping. Altmaier entgegnet, es sei "unverantwortlich", die Auflösung der Nato zu fordern. Kipping beharrt darauf: Die EU müsse den Ausstieg aus der Militarisierungsspirale schaffen. Auch das Zwei-Prozent-Ziel für den Wehretat sei eine Fehlentscheidung. Altmaier kontert: "Sie sollten diese Debatte nicht mit Lügen führen!" Dann greift Illner ein: Das Zeitkonto der Gäste sei nun nahezu ausgeglichen. Die Moderatorin leitet den finalen Diskussionspunkt ein.

Letztes Drittel: Putin scheidet die Geister

Nun geht es um den Ukraine-Konflikt. Dieser sei eine Tragödie, sagt Kipping. Russland allein die Schuld zuzuweisen sei aber zu einfach. Sie wirbt für eine neue Russlandpolitik: "Die Nato investiert neunmal mehr in Rüstung als Putin", sagt Kipping. Altmaier dagegen verbucht es als "großen Erfolg", dass aus dem Konflikt kein "heißer Krieg" geworden sei. "Der Russlandkonflikt ist militärisch nicht zu gewinnen", sagt er. Der Waffenstillstand müsse bald zum echten Frieden werden. Cem Özdemir kritisiert den ehemaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und die Linken-Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht für die Nähe zu Russland - und adressiert das im Studio an Katja Kipping.

Welche Positionen haben die Parteien in der Außenpolitik?

Zuletzt fragt Illner nach den jeweiligen Partei-Kursen in der Außenpolitik. Kipping sagt, die Linke stehe für klare Kante, Stärkung der UN und den Abzug aller Atomwaffen. Altmaier will die EU kitten: "Europa ist so einig wie lange nicht mehr", sagt er. Deutschland müsse gemeinsam mit Frankreich die EU stärken. Und Özdemir? Reichen als Schluss-Statement zwei Worte: werteorientierte Außenpolitik.

Am Donnerstagabend gibt es eine Doppelfolge von "Illner intensiv". Das Thema ab 22:15 Uhr im ZDF lautet: "Flucht, Einwanderung, Integration - wer hat ein Konzept?" Die Gäste sind Aydan Özoguz (SPD), Joachim Herrmann (CSU) und Christian Lindner (FDP). Ab 22:45 Uhr heißt es: "Angst vor Armut und Krankheit - wer schützt uns im Alter?" mit Manuela Schwesig (SPD) und Karl-Josef Laumann (CDU). Alice Weidel (AfD) war ebenfalls eingeladen worden, sagte aber kurzfristig ab. Sie hatte am Dienstagabend für Aufsehen gesorgt, als sie die ZDF-Wahlsendung "Wie geht's, Deutschland?" nach einem Schlagabtausch mit CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer vorzeitig verließ.

(ball)
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