Streit um Flüchtlinge Für Seehofer ist die Obergrenze keine Koalitionsbedingung

Berlin · Der CSU-Chef will seine Partei in der Regierung sehen, auch wenn die jährliche Begrenzung auf 200.000 Flüchtlinge nicht kommt.

 "Wir haben jetzt deutlich weniger Zuwanderung als zu dem Zeitpunkt, wo ich dieses Zitat gebracht hatte": Horst Seehofer.

"Wir haben jetzt deutlich weniger Zuwanderung als zu dem Zeitpunkt, wo ich dieses Zitat gebracht hatte": Horst Seehofer.

Foto: rtr, HAN/MJB

CSU-Chef Horst Seehofer betreibt rhetorische Abrüstung in kleinen Schritten: Im ARD-Sommerinterview nannte er gestern Abend die von ihm über Jahre vehement geforderte Obergrenze für Flüchtlinge nicht mehr ausdrücklich als Bedingung für eine Koalition mit der CSU im Bund. "Wir haben jetzt deutlich weniger Zuwanderung als zu dem Zeitpunkt, wo ich dieses Zitat gebracht hatte."

Nach dem Interview ließ Seehofer klarstellen, dass seine Äußerungen nicht dahingehend zu verstehen gewesen seien, dass er jetzt von der Obergrenze von maximal 200.000 Flüchtlingen pro Jahr abgerückt sei. Allerdings hatte Seehofer die Obergrenze immer auch zur Bedingung für eine Regierungsbeteiligung der CSU gemacht. So hatte er der Deutschen Presse-Agentur im Dezember 2016 gesagt: "Es wird eine Regierungsbeteiligung der CSU ohne eine Obergrenze von 200.000 für die Bundesrepublik Deutschland bei der Zuwanderung nicht geben." Das wiederholte er jetzt nicht mehr.

"Das heißt, ich werde sie nicht akzeptieren"

Damit räumte er einen der großen Streitpunkte mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) fünf Wochen vor der Bundestagswahl weitestgehend ab. Merkel hatte die Obergrenze immer strikt abgelehnt. Das Asylrecht kenne keine Obergrenze, hatte sie gebetsmühlenhaft erklärt - und war deshalb von Seehofer immer wieder heftig angegriffen und auch brüskiert worden, etwa auf dem CSU-Parteitag im November 2015. Merkel blieb jedoch standhaft. Zuletzt hatte sie Mitte Juli in der ARD erklärt: "Zur Obergrenze ist meine Haltung klar. Das heißt, ich werde sie nicht akzeptieren."

"Auf das Wort kommt es nicht an"

Die CSU tritt mit einem eigenständigen Wahlprogramm an, das sich von dem der CDU in einigen Punkten unterscheidet. Im "Bayernplan" der CSU wird weiterhin eine Obergrenze von 200.000 Flüchtlingen pro Jahr gefordert. Doch hatte Seehofer die Obergrenze schon in den vergangenen Wochen nicht mehr eindeutig als eine "rote Linie" genannt. "Wir werden ein Regelwerk vereinbaren: Bekämpfung der Fluchtursachen, Integration und Begrenzung der Zuwanderung", sagte er jetzt. Allein die politische Existenz des Instruments habe die Situation verändert. "Damit bin ich zufrieden." Wenn anstelle der "Obergrenze" ein anderes Wort wie "Kontingent" in einem Vertrag stünde, sei dies auch in Ordnung.

Nach der Wahl ist eine Jamaika-Koalition aus Union, FDP und Grünen denkbar. Die Obergrenze wird vor allem von den Grünen abgelehnt. Mit der Akzentverschiebung bewegt sich Seehofer auf die Grünen zu. Deren Parteichef Cem Özdemir kritisierte Seehofer jedoch scharf. "Seehofer bleibt sich treu: Bei ihm weiß der Wähler nicht, woran er ist und wofür er und seine Partei noch stehen", sagte Özdemir. "Für uns bleibt richtig: Es gibt mit uns keine Quote für Flüchtlinge." Die Grünen setzten auf die Bekämpfung der Fluchtursachen und die faire Verteilung der Flüchtlinge in Europa. SPD-Chef Martin Schulz warf Seehofer taktische Spielchen vor. "Für Horst Seehofer ist Politik nur Taktik. Er spielt mit Themen. Und er spielt mit den Menschen", sagte er dem "Tagesspiegel".

(mar)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort
Auf der Matte
Peter Tauber und Hubertus Heil im Wahlkampf Auf der Matte