Sprung in die Spree Massiver Protest gegen Teilhabegesetz

Berlin · Ein Sprung in die kühle Spree nahe dem Reichstagsgebäude - so protestieren Menschen mit Behinderung gegen ein neues Gesetz. Wenige Meter entfernt verteidigte die Sozialministerin die Pläne.

 Aus Protest gingen am Donnerstag Blinde in der Spree baden.

Aus Protest gingen am Donnerstag Blinde in der Spree baden.

Foto: dpa

Die Koalitionspläne für ein neues Behindertenrecht haben für massiven Streit im Bundestag gesorgt. Nahe dem Reichstagsgebäude demonstrierten am Donnerstag zugleich zahlreiche Betroffene mit spektakulären Aktionen gegen den Gesetzentwurf.

So sprangen blinde Menschen in die Spree - und gingen somit sprichwörtlich baden. Vor dem Brandenburger Tor versammelten sich Behinderte, unter anderem in Rollstühlen, um gegen befürchtete Einschnitte durch das Gesetz zu protestieren. Im Parlament versuchte Sozialministerin Andrea Nahles (SPD), die Sorgen zu zerstreuen:
"Niemandem soll es mit dem Bundesteilhabegesetz schlechter gehen, im Gegenteil: Den meisten wird es besser gehen."

Betroffenen- und Sozialverbände befürchten, die Kriterien für den Bezug von Eingliederungshilfe würden zu hoch angesetzt, und Assistenten etwa für die Hilfe zur Fortbewegung könnten zu stark gepoolt, also nur für mehrere Betroffene zugleich gewährt werden.

Linke und Grüne kritisierten die Koalition heftig - Koalitionsredner warfen ihnen dafür massive Verunsicherung der Betroffenen vor. Die Opposition dürfe sich nicht anmaßen, nun für sämtliche Behinderte reden zu wollen.

Sozialministerin spricht von "Quantensprung"

Nahles sprach von einem "Quantensprung". Katrin Werner von den Linken entgegnete: "Die Betroffenen haben Angst, ihr Zuhause zu verlieren." Denn künftig müssten sie sich Leistungen mit anderen teilen - bei vielen werde das nur noch "Zwangspooling" genannt. Die Grünen-Politikerin Corinna Rüffer wies Koalitionsvorwürfe von Panikmache zurück: "Ganz viele Fachleute mit Behinderungen haben Angst vor Ihrem Gesetz." Der Entwurf sei eine Unverschämtheit.

Vorgesehen ist unter anderem ein Budget für Arbeit. Arbeitgeber sollen bei der Einstellung von Menschen mit Behinderung bis zu 75 Prozent des Lohns erstattet bekommen. Wer Eingliederungshilfe erhält, also Sozialhilfe für Menschen mit dauerhafter oder drohender Behinderung, soll nicht mehr nur 2600 Euro seines Barvermögen behalten dürfen, ohne dass dieses angerechnet wird. Ab 2017 sollen es 27.600, ab 2020 dann 50.000 Euro sein. Dann soll auch das Partnereinkommen anrechnungsfrei bleiben.

Behinderte sollen zudem nicht mehr mehrere Stellen wie Sozialamt, Reha-Träger, Bundesagentur und Sozialkassen abklappern müssen - ein einziger Antrag für Leistungen soll reichen. Das Gesetz soll bis zu 700 Millionen Euro pro Jahr kosten.

(lai/dpa)
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