Bundesregierung will Versorgung verbessern 200 Millionen Euro mehr für Sterbenskranke

Berlin · Die Bundesregierung will die Hospiz- und Palliativversorgung in Deutschland verbessern. Die Betroffenen sollen zuhause, im Heim oder in der Klinik mehr Hilfe erhalten. Der Gesetzentwurf fällt mitten in die Sterbehilfe-Debatte.

 Das geben die Kassen für Hospiz und Palliativ-vorsorge aus.

Das geben die Kassen für Hospiz und Palliativ-vorsorge aus.

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Sterbenskranke Menschen sollen in Deutschland künftig mehr Hilfe erhalten. Die Bundesregierung will die Ausgaben für Palliativ- und Hospizversorgung, die Pflege, Hilfsmittel und Arzneien für unheilbar Kranke umfasst, von heute rund 400 Millionen Euro auf 550 bis 600 Millionen Euro erhöhen. Ein entsprechender Gesetzentwurf aus dem Gesundheitsministerium von Hermann Gröhe (CDU) wurde am Mittwoch bekannt.

Die Verbesserungen dieser Versorgung werden zu einem Zeitpunkt auf den Weg gebracht, in der auch die Sterbehilfe in Deutschland neu geregelt werden soll. Die Abgeordneten im Bundestag, die im kommenden Herbst frei von Fraktionsdisziplin über dieses ethische Thema abstimmen wollen, haben bewusst auf den Gesetzentwurf aus dem Gesundheitsministerium gewartet — noch bevor sie sich nach und nach hinter den verschiedenen Gesetzentwürfen zur Sterbehilfe versammeln werden. "Jetzt können wir mit der Arbeit an den Gruppenanträgen beginnen", sagte Kerstin Griese (SPD).

In der Debatte um die Sterbehilfe war immer wieder beklagt worden, dass das Wissen um die Hilfen für Sterbende zu gering sei und dass es insbesondere bei der Versorgung im ländlichen Raum erhebliche Defizite gebe. An diesen beiden Punkten setzt der Gesetzentwurf an.

Mindestzuschuss soll auf 255 Euro erhöht werden

Die Zahl der ambulanten Hilfsdienste aus Ärzten, Pflegern und anderen Helfern, die sich um Sterbende zu Hause kümmern, soll steigen. Hospize, in denen etwa zwei Drittel der Menschen sterben, sollen künftig mehr Geld erhalten. Auch die Versorgung dort soll besser werden, ebenso wie in Pflegeheimen, Kliniken. Die Erstattung der zuschussfähigen Kosten bei Hospizen soll von heute 90 auf künftig 95 Prozent steigen.

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Der Mindestzuschuss pro Tag und Fall soll von derzeit 198 auf dann 255 Euro erhöht werden. Finanziell in die Pflicht genommen werden Kranken- und Pflegekassen. Krankenhäuser sollen die Pflege Sterbender künftig besser abrechnen können und auch mehr geschultes Personal zur Verfügung stellen. Pflegeheime sollen sich Hilfe von außen holen, um Sterbende würdig zu pflegen.

Das Wissen der Patienten und ihrer Angehörigen über die möglichen Hilfen für Sterbende soll durch einen Beratungsanspruch gegenüber den Kassen verankert werden. Bei solch einem Gespräch zum Lebensabend können Themen wie Therapie, Pflege, Patientenverfügung und psychosoziale Fragen besprochen werden.

Fakten zur Sterbehilfe in Deutschland
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Montgomery: Wichtiges Signal

Mehr Investitionen in die Palliativmedizin werden von Ärzten und Patientenverbänden schon lange gefordert. "Der Ausbau palliativmedizinischer Angebote ist richtig und wichtig und wäre vor dem Hintergrund der aktuellen Sterbehilfe-Debatte ein wichtiges Signal", sagte Ärzte-Präsident Frank Ulrich Montgomery. Die Erfahrung zeige, dass schwerkranke Menschen von ihrem Sterbewunsch abkämen, wenn sie sich geborgen und gut versorgt fühlten. "Leider hat die Politik hier viel Zeit verstreichen lassen. Umso wichtiger ist es, dass ein solches Gesetz jetzt zügig umgesetzt wird", betonte Montgomery.

Die Stiftung Patientenschutz geht davon aus, dass aktuell nur jeder sechste Bürger die Sterbebegleitung erhält, die ihm zusteht. Ein Wandel ist allerdings bereits im Gange: In den vergangenen fünf Jahren habe sich die Nachfrage nach Sterbebegleitung verzehnfacht, hieß es in Ministeriumskreisen. Auch die Kosten sind erheblich gestiegen.

Das Gesetz soll noch vor der Sommerpause ins Kabinett, hieß es gestern in Ministeriumskreisen. Im Oktober könnte es dann der Bundestag beschließen. Die Verbesserungen für Sterbenskranke sollen in jedem Fall kommen, unabhängig davon, wie die Debatte um die Sterbehilfe ausgeht.

Thema Sterbehilfe

Bei der Sterbehilfe könnte es bis zu drei verschiedene Gesetzesentwürfe beziehungsweise Gruppenanträge geben, über die der Bundestag abstimmt. Eine Orientierungsdebatte im Bundestag im November vergangenen Jahres zeigte, dass die meisten Abgeordneten noch unentschieden sind. Es zeichnen sich aber auch Trends ab: Eine Mehrheit sprach sich für ein Verbot der organisierten und gewerblichen Sterbehilfe aus.

Viele Abgeordnete bekannten, dass sie so wenig wie möglich in die bisherige Gesetzeslage eingreifen wollen. Das hieße, dass für Ärzte und für Angehörige Freiräume in ethischen Grenzbereichen bestehen blieben. Eine Gruppe um Karl Lauterbach (SPD) und Peter Hintze (CDU) will darüber hinaus die Voraussetzungen für ärztlich assistierten Suizid gesetzlich regeln. Eine Minderheitenposition nimmt Renate Künast (Grüne) ein, die Sterbehilfevereine legalisieren will.

(qua)
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